Bewegte Zeiten

Schlachtfeld Mobilfunk: So umkämpft ist Österreich

Wirtschaft
07.08.2015 09:15
Am 10. Juni 2005 war Schluss mit "Weg mit dem Speck". Mit diesem Werbespruch hatte der nunmehrige HoT-Chef Michael Krammer den Mobilfunkanbieter tele.ring zum Hecht im Karpfenteich der etablierten Anbieter Telekom Austria, T-Mobile (Deutsche Telekom) und Orange (France Telecom) gemacht - bis T-Mobile vor zehn Jahren tele.ring kaufte und damit die Konsolidierung des Marktes einläuten wollte.

"Das war damals sehr emotional, wir waren geschockt", erinnert sich Krammer, inzwischen auch Rapid-Präsident, an den Verkaufsprozess. Insbesondere, dass tele.ring an einen heimischen Mitbewerber ging, sei tief gesessen.

Selbst Telekom unter ausländischer Kontrolle
Mittlerweile befindet sich selbst der ehemalige Staatsbetrieb Telekom unter der Kontrolle der mexikanischen America Movil des Milliardärs Carlos Slim, womit sämtliche Netzbetreiber vom Ausland gesteuert werden. An der Hackordnung hat das aber nichts geändert, nach wie vor hat die Telekom mit ihrer Marke A1 die Nase vorne, es folgen T-Mobile und "3". Die Hoffnung des damaligen T-Mobile-Chefs Georg Pölzl, der mittlerweile die Österreichische Post leitet, dank der Power der Konzernmutter Deutsche Telekom an dem Ex-Monopolisten vorbeizuziehen, ging nicht auf. Insbesondere bei den Geschäftskunden ist die Telekom nach wie vor eine Macht für sich.

1,3 Milliarden Euro hatte T-Mobile im Sommer 2005 in die Hand genommen, um sich tele.ring einzuverleiben, Verkäufer war der US-Konzern Western Wireless. Zuvor hatte noch die tele.ring-Belegschaft mit einem Streik versucht, den Kauf zu verhindern. Sie fürchtete einen Personalabbau, und so kam es dann auch. Was allerdings nicht eintrat, war das von den verbliebenen Netzbetreibern erhoffte Ende des Preiskampfes. Für den Preiskampf sorgte nunmehr "3", das mit dem milliardenschweren chinesischen Mischkonzern Hutchison im Hintergrund unter dem damaligen Chef Berthold Thoma gleichzeitig auch den Netzausbau massiv vorantrieb.

Chinesen kauften Orange von Franzosen
Was folgte, war eine weitere Marktbereinigung. Im Februar 2012 war Orange an der Reihe. Konzernmutter France Telecom brauchte Geld - und "3" hatte es. Für 1,3 Milliarden Euro übernahm die Nummer 4 am Markt die Nummer 3. Und diesmal schien der Wunsch der Mobilfunkanbieter aufzugehen - die Tarife gingen nach oben.

Selbst die Regulierungsbehörde runzelte schon die Stirn, doch für eine Glättung sorgte nicht die Behörde selbst, sondern einmal mehr Michael Krammer. Mit seiner Firma Ventocom startete er zum Jahresbeginn 2015 beim Lebensmittelhändler Hofer den Diskont-Tarif "HoT" - und hatte nach drei Monaten bereits 167.000 Kunden.

Wobei der Preisdruck gar nicht so groß sein dürfte - legt zumindest eine Studie der Telekom-Regulierungsbehörde RTR nahe: Obwohl 40,3 Prozent der befragten Handybesitzer in den vergangenen zwei Jahren von Preiserhöhungen betroffen waren, haben nur 6,7 Prozent den Betreiber gewechselt.

"HoT" ist von T-Mobile abhängig
Für RTR-Chef Johannes Gungl stellt sich die Frage, wie nachhaltig dieser Preiskampf ist - denn Krammer ist ein sogenannter "virtueller Netzbetreiber" (MVNO). Er hat kein eigenes Mobilfunknetz, sondern greift auf das Netz von T-Mobile zu und ist somit auch von dessen Preisgestaltung beeinflusst.

Die größte Revolution für den Mobilfunkmarkt der vergangenen zehn Jahre brachte für Gungl der Einstieg des US-Computerhändlers Apple mit dem iPhone. Das schnell zum "Kultgerät" gewordene, erste echte Smartphone brachte der mobilen Datennutzung den Durchbruch. Die nun kaum noch aus dem Handyalltag wegdenkbaren Apps waren damals noch gänzlich unbekannt.

Mittlerweile dominiert die Datennutzung die Mobilfunkumsätze, die Sprachtelefonie ist nur noch Zugabe. Dabei kosteten vor zehn Jahren tausend Minuten noch rund 100 Euro, rechnete Gungl vor. Mittlerweile verfügen über 83 Prozent der Haushalte über einen Internetanschluss. Vor zehn Jahren waren es 47 Prozent. Auch für Krammer war der Launch des iPhone ein Dammbruch für die Nutzung von mobilem Internet.

Mobilfunker zahlen Breitbandmilliarde selber
Umso wichtiger sei die Breitbandmilliarde, die die Regierung für den Netzausbau aufgelegt hat, so Gungl. Allerdings finanziert sich die Branche die Milliarde ohnehin indirekt selber. Die Milliarde stammt aus der zwei Milliarden schweren Versteigerung von Funkfrequenzen durch den Staat, gezahlt haben alle drei Netzbetreiber.

Während das Datengeschäft weiter brummt, blieben einige Hoffnungsträger weit hinter den Erwartungen zurück. Gungl zählt dazu Location Based Services, WAP, MMS und Videotelefonie. Was sich aber auf jeden Fall bewährt habe, sei die Regulierung des Marktes - und diese dürfe auch nicht enden, wie dies einige Netzbetreiber fordern.

T-Mobile machte Flat-Rate-Tarife zum Standard
Für Krammer war die Einführung der Flat-Rate 2007 durch T-Mobile die große Überraschung der vergangenen zehn Jahre. Viele hätten daran gezweifelt, dass sich der "Fair Play"-Tarif durchsetzen würde. Mittlerweile sind Flat-Rate-Tarife der Standard.

Für die Zukunft sieht Gungl auf die Netzbetreiber harte Zeiten zukommen. Sie drohen zu reinen Netzdienstleistern zu werden, die Dienste darauf kommen dann von den Top-Playern der IT-Branche, wie etwa Google. Bei den Handyherstellern habe es bereits einen tiefgreifenden Wandel gegeben - Marken wie Nokia, Motorola, Siemens und Alcatel seien teilweise verschwunden, ihre Position haben chinesische Anbieter eingenommen, so der RTR-Chef. In Europa habe sich lediglich Ericsson gehalten.

Nun gelte es für Europa, die Weltmarktführerschaft, die man zu Zeiten von GSM noch hatte, wieder zurückzuerobern. Der Schlüssel dazu sei die nächste Mobilfunkgeneration 5G. Für Österreich wünscht sich Gungl, dass mehr Medienkompetenz in den Schulen vermittelt wird, insbesondere bei Themen wie Datenschutz und Cybermobbing.

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