Sie gilt als eine der profiliertesten Aufdeckerinnen des österreichischen Parlaments – nun zieht sie einen klaren Schlussstrich: Die NEOS-Abgeordnete legt mit Ende Oktober ihr Nationalratsmandat zurück – und verlässt damit auch die Parlamentspolitik.
Ausschlaggebend sei, dass sich ihr Wirkungsbereich durch die Regierungsbeteiligung der NEOS „derart reduziert“ habe, dass sie „keinen Sinn in der parlamentarischen Tätigkeit mehr sehe“, so Krisper in einer ersten Erklärung. Nun macht die bisherige stellvertretende Klubobfrau der NEOS Platz für jemand anderen und strebt einen geordneten Rückzug an.
Der Partei bleibt sie im Erweiterten Vorstand erhalten, künftig will sie sich aber „aus einer unabhängigen Position heraus für Menschenrechte und gegen Korruption einsetzen“.
Prägnante Stimme für Aufklärung
Krisper, die seit 2012 Mitglied der NEOS ist, gilt als eine der profiliertesten Parlamentarierinnen der Partei. 2017 zog sie über ein Wiener Grundmandat in den Nationalrat ein und war seither in mehreren Untersuchungsausschüssen eine der prägnantesten Stimmen für Aufklärung und Transparenz – unter anderem im BVT-, Ibiza- und ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss. Ihre juristisch fundierten Fragen brachten sie oft in die Schlagzeilen.
Inhaltliche Entfremdung von eigener Partei
Nun begründet die promovierte Juristin ihren Schritt auch mit inhaltlicher Entfremdung: In der Regierungskoalition mit der ÖVP seien die „Abstriche bei meinen Herzensthemen sehr groß“ gewesen, so Krisper. Besonders deutlich sei das beim Stopp der Familienzusammenführung für Schutzsuchende und bei der Einführung der Messengerüberwachung geworden – beides Maßnahmen, die sie stets abgelehnt hatte.
Sieht keinen Mut zu „klarem Gegenkonzept zur FPÖ“
„Bei meinen zentralen Themen hat sich viel verschoben“, erklärte sie. Es gehe für sie um Grundsätzliches: „Wie viel bleibt von unserer Haltung für Menschenrechte und Rechtsstaat? Respektieren wir die Verfassung oder reizen wir ihre Grenzen zu sehr aus?“ Zudem vermisse sie „den Mut zu einem klaren Gegenkonzept zur FPÖ“.
Daraus sei für sie ein Loyalitätskonflikt entstanden – „zwischen dem, wofür ich mich in meinem bisherigen Berufsleben und als Abgeordnete eingesetzt habe, und den NEOS als Regierungspartei“. Ihre fast acht Jahre im Parlament bezeichnete Krisper als „Privileg“, sie verlasse den Nationalrat „voller Dankbarkeit und mit Wehmut“. Ihren Themen wolle sie treu bleiben, „nur der Ort ändert sich“.
Ihre Befragung war Auslöser für Kurz-Prozess
Bekannt wurde Krisper vor allem durch ihre prägende Rolle in mehreren parlamentarischen Untersuchungsausschüssen. Im BVT-Ausschuss (2018-2019) führte sie für die NEOS die Fraktion, ebenso im Ibiza-Untersuchungsausschuss (2020-2021) und im ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss (ab 2021). Ihre scharfen, oft juristisch präzisen Fragen verschafften ihr über die Parteigrenzen hinaus Respekt – und machten sie zu einer der zentralen Stimmen in der parlamentarischen Aufklärung.
Ein besonderes öffentliches Echo erhielt sie durch ihre Rolle im Ibiza-U-Ausschuss, in dem sie dem damaligen Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) jene Frage stellte, deren Beantwortung später zum Ausgangspunkt des Verfahrens wegen falscher Beweisaussage wurde. Die Anzeige durch die NEOS führte dann zur Anklage durch die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft – Krispers Befragung war damit der Auslöser der späteren Kontroverse.
Zuletzt Wirbel um „Messenger-Überwachung“
Auch in der laufenden Gesetzgebungsarbeit bezog Krisper regelmäßig Position gegen aus ihrer Sicht überzogene Eingriffe in Bürgerrechte. So stimmte sie 2022 gegen die Einführung der COVID-19-Impfpflicht und im Juli 2025 gegen die sogenannte „Messenger-Überwachung“. In beiden Fällen argumentierte sie mit verfassungsrechtlichen Bedenken und warnte vor einer Einschränkung individueller Freiheiten.
Bis zuletzt ihren Prinzipien treu
Bevor Krisper in die Politik ging, machte sie sich einen Namen als Menschenrechtsexpertin. Ihre berufliche Laufbahn führte sie unter anderem in die Menschenrechtsabteilung des Außenministeriums, zum UN-Flüchtlingskommissariat und zur EU-Delegation bei den Vereinten Nationen in Genf. Von 2009 bis 2017 arbeitete sie am Ludwig-Boltzmann-Institut für Menschenrechte in Wien, wo sie sich auf Folterprävention spezialisierte.
Mit ihrem Rückzug verliert das Parlament eine Abgeordnete, die sich über Jahre hinweg als juristisch versierte, prinzipientreue Stimme für Transparenz und Menschenrechte profiliert hat – und die auch innerhalb ihrer eigenen Partei nie davor zurückschreckte, unbequeme Fragen zu stellen.
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