Österreichs Ex-Kanzler Sebastian Kurz ist im Berufungsverfahren wegen Falschaussage im Ibiza-U-Ausschuss freigesprochen worden. Er habe damals korrekt geantwortet, führt der dreiköpfige Senat aus. „Es wurde zelebriert. Und jetzt ist alles in sich zusammengebrochen“, zeigt sich der 38-Jährige nach dem Prozess erleichtert. Darf er wirklich schon aufatmen?
Eigentlich sollte um 10.45 Uhr das Urteil gegen Sebastian Kurz und Bernhard Bonelli verkündet werden. Doch die Entscheidung verzögerte sich – es waren Minuten voller Spannung, die einen juristischen Wendepunkt für den Altkanzler einleiten sollten. Das Oberlandesgericht (OLG) Wien folgte dem Schuldspruch des Erstgerichts nicht. Das Urteil der ersten Instanz wurde wegen „Nichtigkeit“ aufgehoben, Kurz erhält einen rechtskräftigen Freispruch.
Kurz: „Alles in sich zusammengebrochen“
Nach dem Urteil richtet Kurz emotionale Worten an die Medien: „Ich bin jahrelang mit Vorwürfen konfrontiert worden – das wurde zelebriert und ist nun in sich zusammengebrochen.“ Das Urteil gegen Bernhard Bonelli bedauere er zutiefst. Kurz, der kürzlich zum zweiten Mal Vater wurde, kündigt eine Stellungnahme für die kommenden Tage an – jetzt wolle er nach Hause zu seiner Familie.
Der Ex-Kanzler kann in dieser Sache also aufatmen. Jahrelang hatte er seine Unschuld beteuert – nun wird er freigesprochen. Laut dem Vorsitzenden Richter Werner Röggla habe Kurz die zentrale „Ja-Nein-Frage“ zur Staatsholding Öbag korrekt beantwortet. Die Fragestellerin Stephanie Krisper (NEOS) sei mit der Antwort unzufrieden gewesen, doch die Fragezeit war abgelaufen. Laut Gericht habe Kurz nicht den Eindruck erweckt, seine Antwort sei unvollständig geblieben – das zeigten auch die Videoaufnahmen aus dem U-Ausschuss.
Ich bin jahrelang mit Vorwürfen konfrontiert worden. Es wurde zelebriert. Und jetzt ist alles in sich zusammengebrochen.
Kurz nach seinem Freispruch
Bild: Eva Manhart
Röggla schlussfolgert, dass der objektive Tatbestand der „falschen Beweisaussage“ nicht erfüllt gewesen wäre, weshalb mit einem Freispruch vorzugehen war. Falsche Beweisaussage gilt, wenn eine Aussage tatsachenwidrig ist – wie etwa bei Bonelli – oder vorsätzlich erhebliche Aussagen unterbleiben, wie dies bei Kurz der Fall war.
Bonellis Urteil bestätigt
Als Verlierer des Tages gilt Ex-Kabinettschef Bernhard Bonelli (ÖVP). Das Gericht sah es als erwiesen an, dass er im U-Ausschuss zur Öbag falsch ausgesagt hat. Er habe gewusst, dass Sebastian Kurz den Manager Siegfried Wolf als Aufsichtsrat favorisierte – dies gehe aus Chats und seiner eigenen Aussage in der Hauptverhandlung hervor. Bonellis Anwalt argumentierte mit Aussagenotstand, doch der Drei-Richter-Senat wies das zurück: Eine solche Erinnerungslücke sei „nicht glaubwürdig“. Das Wissen um Wolfs Favoritenrolle sei durchgehend vorhanden gewesen.
Der Prozess ging mit knapp drei Stunden recht flott vonstatten. Zuerst wurde das Ersturteil verlesen, die Verteidigung brachte anschließend ihre Gründe für die Berufung voran. Keine Rolle bei der Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils spielte die Rolle des Erstrichters Michael Radasztics.
Die Verteidigung meinte, er habe den Anschein von Befangenheit erweckt, da er Informationen an Peter Pilz weitergegeben habe und deshalb zu einer Disziplinarstrafe verurteilt wurde. Dies seien berufliche Beziehungen und hätten keinen Einfluss auf den Anschein der Befangenheit. Zwischen Pilz und Radasztics habe es seit vier Jahren keinen Kontakt, keine persönlichen Beziehungen gegeben.
Es hat sich nach einem sehr langen Verfahren herausgestellt, dass die Vorwürfe zu Unrecht bestanden haben. Ich freue mich für Sebastian Kurz.
Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP)
ÖVP freut sich über Freispruch
Erfreut von dem Freispruch zeigte sich die ÖVP. Parteichef und Bundeskanzler Christian Stocker erklärte nach dem Urteil: „Es hat sich nach einem sehr langen Verfahren herausgestellt, dass die Vorwürfe zu Unrecht bestanden haben. Ich freue mich für Sebastian Kurz.“ Auch ÖVP-Generalsekretär Nico Marchetti äußerte sich zufrieden: „Wir haben immer an die Unschuld von Sebastian Kurz geglaubt. Es ist gut, dass das Gericht am Ende zur Überzeugung gelangt ist, dass sich Sebastian Kurz nichts zu Schulden kommen hat lassen.“
Ermittlungen gegen Kurz gehen weiter
Für Kurz heißt es vorerst zwar aufatmen, aber mit Gerichtsterminen ist es dennoch nicht vorbei: Gegen ihn laufen noch weitere Ermittlungen in der ÖVP-Umfrage-Affäre – und zwar seit dem Jahr 2021. Nach Bekanntwerden dieser Vorwürfe (Stichwort: Beinschab-Tool) war Kurz im Oktober 2021 als Kanzler zurückgetreten und wechselte als Klubchef in den Nationalrat, im Dezember desselben Jahres zog er sich dann komplett aus der Politik zurück.
Der Vorwurf lautet hier im Kern, dass mit Steuergeld aus ÖVP-geführten Ministerien Umfragen bezahlt und in Medien platziert worden sein sollen, von denen Kurz und die ÖVP profitiert hätten. Der Altkanzler bestreitet die Vorwürfe. Für ihn gilt selbstverständlich die Unschuldsvermutung.
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