Donald Trump arbeitet mit Hochdruck daran, die USA nach seinen Vorstellungen umzukrempeln. Unangenehme Stimmen sollen zensiert werden. Exil-Russen und Journalisten ziehen mittlerweile erstaunliche Parallelen zu Wladimir Putin in den frühen 2000er-Jahren – und prophezeien den USA eine düstere Zukunft.
Trumps jüngstes Opfer ist der TV-Superstar Jimmy Kimmel. Der Late-Night-Moderator gilt als Intimfeind des Präsidenten. Der Satiriker wies zuletzt immer wieder auf Trumps Verbindungen zum Sexualstraftäter Jeffrey Epstein hin. In seiner vorerst letzten Show kritisierte er zudem, dass die „MAGA-Gang“ (Trumps frenetische Anhängerschaft) alles dafür tun würde, um den Mord an Aktivist Charlie Kirk politisch zu instrumentalisieren.
Für Trump und seine Verbündeten offenbar zu viel der „freien“ Rede. Die US-Regierung erhöhte den Druck auf Kimmels Sender ABC. Die Sendeanstalt knickte ein und strich seine Show auf „unbestimmte“ aus dem eigenen Programm, obwohl Millionen US-Amerikaner die Sendung schätzten.
Trumps Feldzug gegen US-Medien
Der Aufschrei ist groß, da der US-Präsident damit schon den zweiten Late-Night-Moderator ins Aus manövrierte. Auch der Vertrag von Stephen Colbert bei NBC wurde nicht verlängert, nachdem er eine außergerichtliche Einigung in Höhe von 16 Millionen Dollar zwischen der Mutterfirma Paramount und dem Republikaner als „fette Schmiergeldzahlung“ bezeichnete.
Diese Szene soll Kimmel den Job gekostet haben:
Trump klagte zudem die „New York Times“ auf mehrere Milliarden US-Dollar. Der Grund: Das Blatt sei „eine der schlechtesten und verkommensten Zeitungen in der Geschichte unseres Landes“. Sie sei „zu einem regelrechten Sprachrohr der radikalen linken Demokratischen Partei geworden“. Außerdem hätte es bei Paramount auch funktioniert.
Der US-Präsident hat die Medienaufsichtsbehörde FCC in seinem Sinne umbauen lassen. Der „Command-in-Chief“ droht mittlerweile offen mit Lizenzentzug bei negativer Berichterstattung über seine Person.
Bereits vor dem Fall Kimmel rutsche die US-Pressefreiheit deutlich ab:
Vorgehen erinnert an Putins Spielplan
Der Feldzug gegen unbequeme Stimmen ruft düstere Erinnerungen wach. Wie das russische Exilmedium „Meduza“ berichtet, ziehen zahlreiche russische Medienschaffende und Kommentatoren in sozialen Netzwerken beunruhigende Parallelen zwischen den USA zum systematischen Vorgehen des Kremls gegen die Meinungsfreiheit.
Besonders eindringlich ist die Warnung des bekannten Journalisten Roman Dobrokhotov. Auf der Online-Plattform X appellierte er direkt an die amerikanische Bevölkerung: „Amerikaner, nehmt das nicht einfach hin – geht zum Weißen Haus. Die Meinungsfreiheit ist eure letzte Verteidigungslinie“, so Dobrokhotov in seinem Post (siehe Tweet unten).
Seine Botschaft gipfelte in einer ominösen Prophezeiung, die als Weckruf verstanden werden soll: „Wenn ihr es so vermasselt wie wir, werdet ihr am Ende dort landen, wo wir sind!“
Putin nahm zuerst Satiriker ins Visier
Dobrokhotov verweist dabei ganz konkret auf die Ereignisse des Jahres 2001 in Russland, die als Wendepunkt für die Medienfreiheit im Land gelten. Damals übernahm Putins Machtapparat die Kontrolle über den Fernsehsender NTV, der bis dahin als eine der wenigen Bastionen des unabhängigen Journalismus galt.
Der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte, war die legendäre politische Satiresendung „Kukly“ (zu Deutsch: „Puppen“). Die wöchentlich ausgestrahlte Show war in den 90er-Jahren ein absoluter Quotenhit und nahm mit brillant karikierten Puppen das politische Geschehen gnadenlos aufs Korn. Kein Politiker war vor dem Spott sicher – auch der frisch gebackene Präsident Putin nicht. Kurz nach seinem Amtsantritt im Jahr 2000 wurde er in der Sendung prominent parodiert.
Die Reaktion des Kremls ließ nicht lange auf sich warten. Wenig später wurde der Sender NTV von Gazprom-Media, einem staatlich kontrollierten Medienkonzern, feindlich übernommen. Die redaktionelle Linie änderte sich daraufhin radikal. Der gefeierte Drehbuchautor von „Kukly“, Wiktor Schenderowitsch, verließ die Sendung aus Protest gegen die Zensur. Im Jahr 2003 wurde das Format dann endgültig eingestellt – und stand symbolisch für den Zerfall der freien Fernsehberichterstattung in Putins neuem Russland.
Über die Jahre wurden viele weitere Formate zensiert. Spätestens seit dem Angriffskrieg auf die Ukraine im Jahr 2022 werden Gegenstimmen gesetzlich unter Strafe gestellt. Obwohl ohnehin zahnlos, verschwand kurz darauf mit „Evening Urgant“ auch die letzte große Comedy-Show des Landes kommentarlos von der Bildfläche.
US-Regierung ruft zu Denunziantentum auf
Trump geht seit seinem Amtsantritt im Jänner auf beispiellose Weise gegen Medien, politische Gegner, Hochschulen oder Anwaltskanzleien vor. Seit dem Attentat auf den ultrarechten Kirk vor gut einer Woche verschärft seine Regierung die Gangart gegen Kritiker.
Ausgerechnet Trumps Vize JD Vance rief US-Bürger nun dazu auf, Kollegen anzuschwärzen, falls sie sich abfällig über Kirk äußern sollten. Zur Erinnerung: Vance rügte Europa bei seinem historischen Auftritt auf der Münchner Sicherheitskonferenz Anfang des Jahres. Die Zunahme von „politischer Einflussnahme und Zensur“ würde ihm Sorge bereiten.
Er warf Europa ein verkommenes Demokratieverständnis vor und betonte ironischerweise: „Wenn ihr Angst vor euren eigenen Wählern habt, dann gibt es nichts, was Amerika für euch tun kann.“ Jetzt verunglimpft er andere Meinungen als „linken Terrorismus“ und ruft zum Denunziantentum auf: „Wenn Sie jemanden sehen, der Charlies Ermordung feiert, sprechen Sie ihn darauf an“, forderte Vance die Zuhörer am Montag im Podcast des ermordeten Aktivisten auf. „Und verdammt noch mal, rufen Sie seinen Arbeitgeber an.“ Landesweit soll es zu Kündigungen gekommen sein.
Zensur ist kein Szenario, sondern Realität
Die schrittweise Ausschaltung kritischer Medien, beginnend mit Satire und Unterhaltung, bis hin zur vollständigen Kontrolle der Informationslandschaft ist ein Szenario, das die USA bereits durchleben. Wer heutzutage Fox News einschaltet, wähnt sich schon jetzt in einem Paralleluniversum.
Brian Kilmeade, einer von Trumps Lieblingsmoderatoren, bestand jüngst darauf, dass psychisch kranke Obdachlose getötet werden sollten: „Mit einer tödlichen Injektion oder so. Tötet sie einfach.“ Er entschuldigte sich, darf aber weiter moderieren. Zum Fall Kimmel erklärte er seinen Zusehern wenige Tage später mit ernster Miene: „Seine Kommentare sind einigen Verantwortlichen eindeutig zu weit gegangen.“
Und Trump? Der US-Präsident forderte derweil die Absetzung weiterer Late-Night-Moderatoren: „Damit bleiben nur noch Jimmy (Fallon) und Seth (Meyers), zwei totale Verlierer, bei Fake News NBC übrig. Auch ihre Einschaltquoten sind miserabel. Mach es, NBC!!!“
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