Die Versorgung von Krebspatienten steht unter Druck. Besonders im Bereich der Diagnostik zeigen sich Engpässe, schlägt das Österreichische Onkologie Forum nun Alarm. Wartezeiten von bis zu zwölf Wochen auf bildgebende Verfahren wie MRT oder drei bis vier Wochen für ein CT sind leider keine Seltenheit.
Die gute Nachricht zuerst: Die medizinische Versorgung bei Krebserkrankungen hat in den vergangenen Jahrzehnten bemerkenswerte Fortschritte gemacht. Durch moderne Therapieformen lassen sich heute viele Krebsarten deutlich besser behandeln. Selbst in fortgeschrittenen Stadien ist ein langes Leben mit der Erkrankung oft möglich. Seit den frühen 1990er-Jahren ist die Sterblichkeit bei Krebs hierzulande kontinuierlich gesunken. Bei Frauen ging die Sterblichkeitsrate (Mortalitätsrate) um 31 Prozent zurück, bei Männern um 36 Prozent.
Parallel zu den Fortschritten in der Krebsbehandlung nimmt aber die Zahl der Menschen zu, die mit einer onkologischen Erkrankung leben. Derzeit betrifft das etwa 419.000 Personen in Österreich – Tendenz weiter steigend. Doch gerade im Bereich der Diagnostik tun sich besorgniserregende Versorgungslücken auf.
Wichtige diagnostische Untersuchungen wie Magnetresonanztomographie oder Computertomographie sind oft erst nach Wochen verfügbar. So beträgt die Wartezeit auf ein MRT bis zu zwölf Wochen, für ein CT drei bis vier Wochen - die Kurve steigt weiter an. „Das stellt das Gesundheitssystem vor große Herausforderungen“, berichtet Dr. Florian Trauner, MSc, Public Health Experte mit Schwerpunkt Gesundheitsökonomie und -systemanalyse bei Gesundheit Österreich GmbH (GÖG).
Aktuell haben Onkologen wenig Handhabe, diesen Prozess zu beschleunigen, denn im Gesundheitssystem ist keine eigene ,Dringlichkeit‘ für Krebspatienten im Abklärungsprozess vorgesehen.
Priv.-Doz. Dr. Kathrin Strasser-Weippl, Zentrum für Onkologie und Hämatologie mit Ambulanz und Palliativstation, Klinik Ottakring, Wien
Krebspatienten werden in der Regel engmaschig medizinisch betreut – mit zahlreichen Arztterminen und Spitalsbesuchen. Je komplexer die Therapie und je länger die Erkrankung andauert, desto intensiver die Betreuung. Besonders deutlich zeigt sich das in den Zahlen: Zwischen 2017 und 2024 ist die Anzahl jener Patienten, die eine Bestrahlung oder medikamentöse Behandlung erhielten, jeweils um 33 Prozent gestiegen.
Bei der Anzahl der Spitalskontakte mit medikamentösen Therapien ist der Anstieg mit 46 Prozent sogar noch höher. „Dieser Trend wird sich in Zukunft voraussichtlich noch verstärken“, vermutet Dr. Trauner, „und darauf müssen wir uns angesichts einer älter werdenden Gesellschaft vorbereiten.“
Verzögerungen können fatale Folgen haben
Eine international publizierte Meta-Studie belegt etwa, dass eine vierwöchige Verzögerung bei Krebsoperationen die Mortalität um sechs bis acht Prozent erhöht, bei Strahlen- oder medikamentöser Therapie sogar um neun bis 13 Prozent.
„Aktuell haben betreuende Onkologen wenig Handhabe, diesen Prozess zu beschleunigen“, sagt Priv.-Doz. Dr. Kathrin Strasser-Weippl, Zentrum für Onkologie und Hämatologie mit Ambulanz und Palliativstation, Klinik Ottakring, Wien, „denn – im Gegensatz zu anderen Ländern – ist im österreichischen Gesundheitssystem keine eigene ,Dringlichkeit‘ für Krebspatienten im Abklärungsprozess vorgesehen.“
Dr. Thomas Czypionka, Leiter der Forschungsgruppe Gesundheitsökonomie und -politik am Institut für höhere Studien (IHS), betont, dass ein hoher Anteil an nicht unbedingt notwendigen Diagnoseschritten – etwa bei Rücken- oder Knieschmerzen – das System gewissermaßen ,verstopfen‘. Diese Inanspruchnahme müsse reduziert werden und strukturierte „Fast-Track-Diagnoseprogramme“ (Vorrang für die Abklärung bösartiger Erkrankungen) sollten zum Einsatz kommen.
Ein Blick ins Ausland zeigt, wie gezielte Maßnahmen die Versorgung deutlich verbessern können: In Dänemark gelang es mit dem seit 2008 etablierten „Cancer Patient Pathways Program“, die Diagnosezeiten für sämtliche Krebsarten spürbar zu verkürzen – mit beeindruckendem Effekt: Die Drei-Jahres-Überlebensrate stieg von 45 Prozent auf 54 Prozent. In Italien reduzierte ein „Fast-Track-Programm“ für Lungenkrebs die Zeit bis zur Diagnose von 43 auf nur 25 Tage. Spanien verzeichnete durch ein ähnliches Modell bei Darmkrebs eine Verkürzung der Wartezeit von 68 auf 26 Tage.
„In vielen Fällen bedeutet das nicht einmal, dass zusätzliche Ressourcen nötig wären“, betont IHS-Experte Dr. Czypionka, „sondern, dass allein durch smarte Lösungen und Umorganisationen merkbare Effekte erzielt werden können.“ Damit könnten Onkologen Patienten – abhängig vom klinischen Befund – gezielt einstufen und rasch durch die notwendigen diagnostischen Schritte leiten.
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