Ein Treffen als Köder

Putin wimmelt Trump ab – ohne nein zu sagen …

Außenpolitik
20.08.2025 17:44

Der Kreml hat Europa vorgeworfen, mit „plumpen Versuchen“ die Meinung von US-Präsident Donald Trump zur Ukraine beeinflussen zu wollen. Tatsächlich fahren aktuell beide Seiten eine sehr ähnliche Strategie. Analysten beschreiben einen „Kampf der Narrative“ – an dessen Ende die Gunst eines einzelnen Mannes steht.

Nach einer Ankündigung von US-Präsident Donald Trump Anfang der Woche keimte kurz Hoffnung auf: Kremlchef Wladimir Putin und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj könnten sich binnen zwei Wochen treffen.

Doch während Kiew seit Langem auf direkte Gespräche drängt, baut Moskau hohe Hürden auf. Ein Gipfel der beiden scheint trotz der US-Initiative kaum realistisch. Dennoch kokettieren alle Parteien damit. Warum also überhöhte Erwartungen schüren?

Ein Spiel mit Erwartungen
Janis Kluge, ein renommierter geopolitischer Analyst, skizzierte die aktuelle Situation als „Kampf der Narrative“. Auch die Kommunikation der Europäer sei sehr strategisch. „Die meisten ihrer optimistischen Aussagen sind keine wahren Überzeugungen, sondern sollen Trump beeinflussen. Die Europäer schüren Erwartungen, um eine Realität zu schaffen, in der Putin enttäuscht.“

Die Karte zeigt den Frontverlauf im Ukraine-Krieg mit den von Russland beanspruchten Regionen, den vor der Invasion 2022 kontrollierten Gebieten und den bis August 2025 weitgehend eroberten Zonen. Schwerpunkte der aktuellen Kämpfe liegen bei Luhansk und Donezk. Die Halbinsel Krim ist seit 2014 durch Russland annektiert. Quelle: ISW/Critical Threats.

Es gehe schlicht darum, den russischen Diktator als das zu entlarven, was er ist. „Die Europäer wissen (hoffentlich), dass Putin einem NATO-Truppeneinsatz in der Ukraine niemals zustimmen wird. Sie wissen, dass Putin sich nicht mit Selenskyj treffen will“, erklärte Kluge auf der Plattform X. Den Europäern gehe es in erster Linie um die fortgesetzte US-Unterstützung der Ukraine mit Waffen und Geheimdienstinformationen, nicht viel mehr.

Sehr zum Ärger der Russen, denn Trump genießt die Aufmerksamkeit. „Wir haben nur eine aggressive Eskalation der Lage und eher plumpe Versuche gesehen, die Position des US-Präsidenten zu ändern“, sagte Lawrow am Mittwoch. Putins Chefdiplomat verkaufte damit das Gipfeltreffen von Trump mit mehreren europäischen Staats- und Regierungschefs sowie dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj am Montag in Washington jedoch deutlich unter Wert.

Zur Erinnerung: Berichten zufolge gelang es den Europäern insbesondere mit den Einzelschicksalen von entführten ukrainischen Kindern, Trump so zu emotionalisieren, dass dieser den Gipfel unterbrach, um Putin anzurufen. Ein höchst ungewöhnlicher Vorgang.

Putin weiß, wie er Trump einfangen kann
Doch der Kremlchef lässt sich ungern austricksen. Der Ex-KGB-Mann schafft es immer wieder Vorschläge abzuräumen – ohne nein zu sagen. „Sagen Sie JA, stellen Sie aber Bedingungen, von denen Sie wissen, dass sie für die andere Seite inakzeptabel sind“, so Kluge.

Putin schafft es immer wieder, Trump zu zähmen.
Putin schafft es immer wieder, Trump zu zähmen.(Bild: AFP/ANDREW CABALLERO-REYNOLDS)
Die Europäer starteten eine gemeinsame Charmeoffensive.
Die Europäer starteten eine gemeinsame Charmeoffensive.(Bild: AP/Alex Brandon)

Putin signalisierte Trump laut AFP in dem spontanen Telefonat, dass er bereit sei, sich mit Selenskyj zu treffen. Der Ukrainer könne zu ihm nach Moskau kommen. Damit erreichte er zwei Punkte: Erstens musste der ukrainische Präsident bei Trump erneut in die Rolle des Buhmanns schlüpfen, da er das „Angebot“ naturgemäß ablehnte. Zweitens gewinnt Putin durch unrealistische Vorschläge Zeit, um weiter brutale Fakten auf dem Schlachtfeld zu schaffen. Offiziell dementiert der Kremlchef hingegen je ein Treffen auch nur in Erwägung gezogen zu haben.

Für die Europäer entsteht eine gefährliche Patt-Situation. Trump ist bekannt für seine Ungeduld. Und im Zweifel – das hat die jüngste Vergangenheit gezeigt – gibt er für „das Töten“ gerne der Ukraine die Schuld. „Es ist kein Krieg, der hätte begonnen werden sollen. So etwas tut man nicht. Man legt sich nicht mit einer Nation an, die zehnmal so groß ist wie man selbst“, erklärte der US-Präsident jüngst – und sprach damit Kiew zwischen den Zeilen das Recht zur Selbstverteidigung ab.

Dementsprechend hart wird nun um einen Ort für ein potenzielles Treffen gepokert, obwohl (fast) alle Seiten wissen, dass die Aussichten schlecht sind. Die Schweiz wäre bereit, den Vatikan lehnte Moskau bereits ab. Eher würden sich Russland und die Ukraine wohl wie zuletzt in der Türkei oder Saudi-Arabien treffen, obwohl Bundeskanzler Christian Stocker auch Wien ins Feld führte.

Dem US-Magazin „Politico“ zufolge soll Trump auch die ungarische Hauptstadt Budapest vorgeschlagen haben. Bestätigt ist das allerdings nicht. Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán blockiert die Annäherung der Ukraine an die EU fortwährend und ließ sich im vergangenen Jahr mit Putin ablichten. Ein neutraler Boden sieht anders aus.

Wieder ein Fiasko?

  • Ein einziges Mal, Ende 2019 in Paris, saßen Putin und Selenskyj sich im Normandie-Format direkt gegenüber. Jedoch ohne Erfolg.
  • Der damals frisch gewählte Ex-Komiker Selenskyj wurde vom Ex-Geheimdienstler Putin vorgeführt, der keinerlei Zugeständnisse machte.
  • Seither hat sich die Kluft zwischen den beiden dramatisch vertieft.

Moskau erklärte Selenskyj zu Hassfigur
Der Kreml spricht gerne davon, dass zuerst die „tiefgreifenden Ursachen des Konfliktes“ bekämpft werden müssen, bevor es zu einem Treffen kommen könne. Damit ist nichts weniger als die Ablöse von Selenskyj gemeint, der seit dem russischen Überfall im Februar 2022 zur weltweiten Symbolfigur des ukrainischen Widerstands wurde.

Putins Propaganda-Maschine verunglimpft den Ukrainer mit jüdischen Wurzeln seither als Nazi. Als toxische Figur, Drogenabhängigen und willenlose Marionette des Westens. Moskau stellt zudem seine Legitimität infrage, da seine Amtszeit 2024 abgelaufen wäre – obwohl ukrainische Gesetze Wahlen im Krieg verbieten.

Eine Kehrtwende wäre dem russischen Volk nach dieser Hetze kaum zu erklären. Putin würde seinen gehassten Widersacher legitimieren. Ein echter Verhandlungsdurchbruch dürfte somit tatsächlich nur in Trumps Kopf stattgefunden haben. Dem einen Mann, den alle auf ihre Seite ziehen wollen ...

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