In Washington suchten Europas Spitzenpolitiker gemeinsam mit Wolodymyr Selenskyj den Schulterschluss – aus Sorge, Donald Trump könne dem Kreml zu weit entgegenkommen. Der Gipfel endete ohne Eklat, aber auch ohne greifbares Ergebnis.
Das Positive vorweg: Der Gipfel der Europäer mit US-Präsident Trump endete nicht in einem Fiasko. Die Bilder aus Washington sollten Geschlossenheit vermitteln: Seite an Seite mit Selenskyj traten die europäischen und NATO-Staats- und Regierungschefs auf, um Trump von Zugeständnissen an den Kreml abzuhalten. Zu groß war die Sorge, der US-Präsident könne im Eifer, den Krieg schnell zu beenden, die Interessen Kiews preisgeben.
Hinter den Kulissen zeigte sich jedoch rasch, wie groß die Gräben bleiben. Trump beharrte darauf, Wladimir Putin sei „bereit zum Frieden“ – obwohl russische Raketen weiter ukrainische Städte trafen und der Kreml von Kiew schmerzhafte territoriale Zugeständnisse verlangte. Hoffnung schöpften die Europäer einzig aus Trumps Andeutung möglicher Sicherheitsgarantien für die Ukraine, deren Ausgestaltung er offenließ. Genau darin liegt aber der Knackpunkt: Für Moskau wären derartige Garantien inakzeptabel.
„Aber sicher nicht über einen Gipfel“
Der deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz kündigte nach den Gesprächen gar ein Treffen zwischen Selenskyj und Putin binnen zwei Wochen an. Doch kaum war die Nachricht verbreitet, regte sich Zweifel. „Ich halte das für ausgeschlossen“, sagte der Politologe Gerhard Mangott. Russland habe nichts dergleichen bestätigt, vielmehr sei aus Putins Umfeld zu hören gewesen, dass man höchstens über eine Aufwertung der Delegationen sprechen könne – „aber sicher nicht über einen Gipfel auf höchster Ebene“.
Das Haupthindernis liegt tiefer: Für Moskau ist Selenskyj kein legitimer Verhandlungspartner. Putins Propaganda brandmarkt ihn seit Monaten als „illegalen Präsidenten“. „Eine Unterschrift Selenskyjs wäre für den Kreml nichts wert“, sagt Mangott. Selbst wenn ein Treffen zustande käme, stünde es unter dem Vorzeichen dieser Delegitimierung – was die Aussicht auf ein Abkommen zusätzlich schmälert.
„Nicht nur Putin weiß, wie man Trump beeinflusst“
Für den Osteuropa-Experten Alexander Dubowy war das Positive des Gipfels, dass „Europa gelernt hat, mit Trump umzugehen“. Die Europäer hätten verstanden, wie man den sprunghaften US-Präsidenten einbindet und ihm die eigenen Ideen als seine verkaufen kann. „Das ist erfreulich, weil es zeigt, dass nicht nur Putin weiß, wie man Trump beeinflusst“, so Dubowy.
Doch damit enden die Lichtblicke. „Inhaltlich ist man kein bisschen weiter“, bilanziert Dubowy. Russland halte an Maximalforderungen fest, während es weiter ukrainische Städte bombardiere. Die Gespräche in Washington hätten daran nichts geändert.
Besonders deutlich wird die Leerstelle bei den Sicherheitsgarantien, die Kiew seit Langem fordert. Trump sprach zwar davon, die USA könnten eine koordinierende Rolle übernehmen, blieb aber vage. „Gerade an diesem Punkt könnte der gesamte Prozess scheitern“, warnt Mangott. Denn die Europäer pochen auf belastbare Zusagen, während Russland viele der diskutierten Modelle kategorisch ablehnt.
Hinzu kommt Trumps Unberechenbarkeit. „Das ist der Terror gegen jeden Analysten“, so Mangott. „Niemand weiß, was dieser Mann heute, morgen oder nächste Woche denkt.“ Sollte der Prozess ins Stocken geraten, werde es darauf ankommen, wem Trump die Schuld zuschreibt – Russland oder der Ukraine. Davon hänge ab, ob er die Unterstützung für Kiew fortsetzt oder entzieht.
Dubowy warnt vor einer gefährlichen Illusion: Europas Politiker verwechselten Trumps Sprunghaftigkeit mit Chancenreichtum. „In Wahrheit ist das ein Vorteil für Russland, weil es erlaubt, ihn immer wieder neu zu manipulieren“, sagt er. Während Kiew verbindliche Zusagen brauche, könne sich der Kreml auf ein Spielfeld einstellen, auf dem kein Wort von Dauer ist.
So bleibt von Washington vor allem der Eindruck einer großen Inszenierung. Europa konnte Trump kurzfristig von allzu offenkundigen Zugeständnissen an den Kreml abbringen. Doch ein Fundament für Frieden wurde nicht gelegt. „Am Ende des Tages“, so Dubowy, „werden nicht die Gipfeltreffen entscheiden, sondern die Ergebnisse an der Front“.
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