Tourismus-Debatte

„Zeit ist reif, mehr Selbstbewusstsein zu zeigen“

Tirol
01.05.2025 12:00

Den direkten, offenen Austausch in Tourismusfragen mit der Bevölkerung suchen LR Mario Gerber (ÖVP) und Tirol Werbung-GF Karin Seiler. Daher touren sie durch die Bezirke, der Startschuss fiel am Mittwoch in Absam. 

Reibebaum Tourismus: Warum reißt die Kritik am Motor nicht ab?“ Unter diesem Motto fand das erste „Tourismusforum on tour – das Dialogformat“ in Absam statt. Wo drückt den Tirolerinnen und Tirolern der Schuh? Was sind die Themen, die sie bewegen?

„Wir müssen über den Tourismus diskutieren und auch dunkle Seiten ansprechen“, sagte Tourismus-LR Gerber und stellte fest: „Die Zeit ist reif, dass wir endlich wieder mehr Selbstbewusstsein an den Tag legen und mit stolzer Brust aufklären, was wir im Tourismus bereits alles leisten. In Sachen Nachhaltigkeit etwa sind wir Vorreiter. Wir wissen, dass wir bei der An- und Abreise noch viel zu tun haben, aber sobald sich der Gast vor Ort befindet, sind wir absolute Spitzenklasse.“ Da solche Fakten aber nicht immer bei der Bevölkerung ankommen, ortet er „ein offensichtliches Defizit bei der Kommunikation“.

Hubert Siller, Lukas Krösslhuber, LR Mario Gerber, Karin Seiler und Moderator Günther Schimatzek ...
Hubert Siller, Lukas Krösslhuber, LR Mario Gerber, Karin Seiler und Moderator Günther Schimatzek (v. li.).(Bild: Meinert Claus)

„Das gibt es nirgendwo anders“
Auch Seiler ließ zu Beginn aufhorchen: „Wir haben eine sehr hohe Lebensqualität. Da können wir nicht einfach die Schranken schließen und keinen Gast mehr ins Land lassen. Wir müssen die Probleme intelligent lösen – das funktioniert nur miteinander.“ Das machte sie an folgendem Beispiel fest: „In Sachen Ticketpreise machen wir weltweit Vergleiche. Das Freizeitticket gibt es zu diesem Preis samt Angebot, wie wir es haben, nirgendwo anders. Und dass es dies überhaupt so gibt, funktioniert nur dank des Zusammenspiels mit den Gästen – Stichwort Refinanzierung.“

Themen, die von den vielen Anwesenden angesprochen wurden, waren etwa:

„Overtourism“: Haben wir hierzulande mittlerweile viel zu viele Gäste? Hubert Siller, Leiter MCI Tourismus, legte nüchterne Fakten auf den Tisch: „Einen klassischen ,Overtourism’, wie es ihn etwa in Venedig gibt, sehen wir anhand unserer Studien in Tirol nicht. Aber wir haben Spitzen wie zum Beispiel zu den Hauptsaisonen, die schon auch weh tun können.“ Seine Lösung: „Wir müssen die Saisonen entzerren, den Gästen auch andere Jahreszeiten schmackhaft machen.“ Seiler ergänzte: „Das Verhältnis zwischen Tages- und Nächtigungsgast stimmt in Tirol auf jeden Fall noch.“ Und LR Gerber betonte: „Tirol ist klar meilenweit von einem ,Overtourism’ entfernt.

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Wir steuern dagegen, haben Shuttlebusse ins Leben gerufen – damit sich der Individualverkehr reduziert.

Lukas Krösslhuber, GF TVB Wilder Kaiser

Verkehr: „Beim Transit hört sich der Spaß oft auf“, war aus dem Publikum zu hören. Lukas Krösslhuber, GF TVB Wilder Kaiser, stimmte zu: „In unserer Region ist der Tourismus über die Jahrzehnte hinweg gewachsen, die Akzeptanz ist daher groß. Schwierig ist aber die Situation um den Hintersteiner See, zu dem extrem viele Einheimische und Touristen mit dem Auto hinfahren. Wir steuern dagegen, haben Shuttlebusse ins Leben gerufen – damit sich der Individualverkehr reduziert.“ Herausfordernd für den Verkehr seien auch die Tagestouristen vor allem aus dem Münchner Raum.

Daten und Fakten

Die weiteren Termine sind:

20. Mai, Gasthof Landegger in Landeck. Thema: „Freizeitqualität durch Tourismus: Frust und Lust mit neuen Attraktionen.“

21. Mai, Bärenstadl Assling. Thema: „Neue Wege im Tourismus: von Coolcation bis Slow Travel.“

27. Mai, Sportresort Hohe Salve in Hopfgarten. Thema: „Lebensraum Tirol: Arbeiten, wo andere Urlaub machen.“

Bei allen Terminen werden LR Gerber und Seiler sowie Experten dabei sein. Beginn ist je um 18.30 Uhr. www.tirolwerbung.at 

Seiler wies darauf hin, dass sich die Haltestellen in Tirol für Züge aus Wien kommend „in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt“ haben. „Dafür haben wir hart gearbeitet.“ Und Siller regte zum Nachdenken an: „Wir müssen die Causa schon auch selbstkritisch betrachten. Wir haben im Auto einen Besetzungsgrad von 1,2. Das bedeutet, dass wir im Grunde jeden Weg alleine fahren. Dass wir ein Problem haben, können wir nur bedingt am Verkehr der Nächtigungsgäste festmachen. So ehrlich müssen wir alle sein.“

Und: Was den touristischen Verkehr betrifft, seien in Zukunft keine großen Änderungen zu erwarten. „Die Autos zur Gänze von der Straße wegzubekommen, werden wir in Tirol aufgrund unserer Gegebenheiten nicht wirklich schaffen, auch wenn wir uns das noch so wünschen.“

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Wir müssen alles dafür tun, dass wir einen internationalen Flughafen haben. Das ist wichtig für die Unternehmer sowie für die Bevölkerung.

LR Mario Gerber

Flughafen Innsbruck: Der Stellenwert des Airports war ebenfalls Thema. „Dieses Business ist knallhart geworden. Es ist schon lange nicht mehr so, dass die Airlines einfach so Innsbruck anfliegen. Hier sind jahrelange Verhandlungen nötig, die wir führen. Ohne etwa mehrjährige Marketingkooperationen würden wir das gar nicht hinbekommen“, sagte Seiler, „hinzukommt, dass die Flüge zu uns immer teurer sind, weil die Piloten eine spezielle Ausbildung für Innsbruck benötigen“. Ein „klares Bekenntnis“ für den Flughafen gab es von LR Gerber, der auch Eigentümervertreter ist: „Wir müssen alles dafür tun, dass wir einen internationalen Flughafen haben. Das ist wichtig für die Unternehmer sowie für die Bevölkerung.“

„Krone“-Kommentar
Reden und Zuhören

Tirols oberste Touristiker, der politisch zuständige Landesrat Mario Gerber sowie Tirol Werbung-Chefin Karin Seiler, ergründen neue Wege. Die Route führt quer durch das (Tourismus)-Land in Gaststätten, wo ähnlich einem Stammtisch ohne Wenn und Aber geredet werden soll – auch Kritisches. Die Idee ist gut, freilich nicht neu. Bei unseren Nachbarn in Bayern gibt es etwa seit 1971 das Format „Jetzt red i“ – eine Sendung des Bayerischen Fernsehens. Dort werden einmal im Monat Politiker eingeladen, um in einem Wirtshaus mit Bürgern zu diskutieren, die nicht nur brav zuhören und klatschen. Im Gegenteil: Für den einen oder anderen Politiker endete dieser „gesellige Talk“ schon mal mit einer verbalen Klatsche.

(Bild: stock.adobe.com, Krone KREATIV)

Getreu dem Motto „Besser spät als nie“, darf man an diese Initiative schon Vorschusslorbeeren verteilen. Denn es geht, wie es Landesrat Gerber auf den Punkt brachte, darum, auf Bürger zuzugehen und ihnen zuzuhören. Letzteres allein wird freilich nicht reichen. Sorgen ernst nehmen und nach Möglichkeit (politisch) handeln, das wäre wichtig. Zum Allerwichtigsten gehört aber auch, endlich mit dem Gejammere über den Tourismus aufzuhören. Stattdessen selbstbewusst zu sein und anzuerkennen, was Tirols Tourismuswirtschaft trotz schwerer Rahmenbedingungen und viel Konkurrenz um uns herum leistet. Dass nicht alles durch die rosarote Brille gesehen werden darf, ist klar. Es gibt aber auch nicht nur Schwarz und Weiß, sondern viele bunte, tolle Angebote dazwischen.

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