Ein Dorf will Rache

Kindergärtner als Pädophiler? “Die Jagd” auf Mikkelsen

Kino
03.04.2013 15:08
Wer sich von Filmen erwartet, mit dunklen und unerwarteten Seiten von sich oder der Gesellschaft konfrontiert zu werden, für den ist "Die Jagd" (Kinostart: 5. April), der neue Film des Dänen Thomas Vinterberg, ein absolutes Muss. Der Dogma-Mitbegründer ("Das Fest") erzählt die Geschichte des von einem kleinen Mädchen zu Unrecht des Missbrauchs beschuldigten und daraufhin von der so friedlich wirkenden Dorfgemeinschaft geächteten Kindergärtners Lucas. Für seine brillante Darstellung wurde Mads Mikkelsen in Cannes als bester Schauspieler ausgezeichnet.

Lucas ist ein Guter. Daran besteht für den Kinozuschauer nie ein Zweifel. Der ehemalige Lehrer kümmert sich im Kindergarten liebevoll um die ihm anvertrauten Kinder, kämpft nach einer schmerzhaften Trennung mit viel Herz darum, mehr Zeit mit seinem Sohn Marcus verbringen zu können, geht zurückhaltend auf Avancen einer jungen Kollegin ein, pflegt alte Freundschaften und ist auch sonst ein hoch respektiertes Mitglied der kleinen Dorfgemeinschaft.

Auch das Zustandekommen jener Vorwürfe, die innerhalb kürzester Zeit Lucas zum Zentrum einer albtraumhaften Hexenjagd werden lassen, zeigt Regisseur Vinterberg im Detail. Ein kleines Mädchen, Tochter seiner besten Freunde, gibt dem überraschten Kindergärtner, der so viel netter zu ihr ist als ihr eigener Vater, einen Kuss auf den Mund. Lucas macht Klara in netten, unaufgeregten Worten die Grenzen klar. Kein Moment, in dem er nicht so handelte, als man es sich wünschen würde.

Doch genauso korrekt versucht auch die Kindergartendirektorin (Susse Wold) zu handeln, als sich die kleine Klara (Annika Wedderkopp) für ihre Zurückweisung rächt, indem sie Lucas vorwirft, ihr seinen Penis gezeigt zu haben. Eine glatte Lüge, die aber nicht infrage gestellt wird. Die so liberale Gesellschaft hat gelernt, sich radikal auf die Seite der Schwächsten zu stellen. Deren Aussagen werden nicht hinterfragt. Nicht rechtzeitig jedenfalls.

Und bevor die Polizei noch überhaupt eine umfassende Befragung und Untersuchung eingeleitet hat, sind die heiklen Anschuldigungen bereits Allgemeingut, ist von Unschuldsvermutung keine Rede und Lucas, der nicht weiß, wie ihm geschieht, als Kinderschänder gebrandmarkt. Aus der Idylle wird im Handumdrehen die Hölle. Und Lucas kämpft bald nicht nur um seinen Ruf, sondern auch ums nackte Überleben.

Das sagt "Krone"-Kinoexpertin Christina Krisch zum Film: Regisseur Thomas Vinterberg inszeniert hier einen eisigen Kleinstadtthriller, der auf Protokollen eines Kinderpsychologen fußt und mit der ungeheuren, ja "viralen" Zerstörungskraft schäbiger Gedanken spielt. Ein klaustrophobisches Drama, das die Dimension des Wortes Rufmord spürbar macht und aufgestaute Aggressionen ausgerechnet am Heiligen Abend in einer Kirche eskalieren lässt. Ein beinahe versöhnliches Ende spült den Psychoterror in den letzen Momenten weich. Die Angst vor übler Nachrede nimmt man beklommen mit nach Hause.

Loading...
00:00 / 00:00
play_arrow
close
expand_more
Loading...
replay_10
skip_previous
play_arrow
skip_next
forward_10
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
explore
Neue "Stories" entdecken
Beta
Loading
Kommentare

Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.

Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.

Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.



Kostenlose Spiele