Gebühren-Wucher

Karls Grundbuch-Gesetz wird in der Luft zerrissen

Österreich
17.10.2012 11:33
Wie man eine Bauchlandung mit einer Gesetzesnovelle hinlegen kann, zeigt aktuell ÖVP-Justizministerin Beatrix Karl. Ihr Ressort sollte die Gebühren-Verordnung für Grundbucheintragungen reparieren, nachdem der VfGH deren Berechnung nach dem veralteten Einheitswert für verfassungswidrig erklärte. Schon bei der Präsentation ihres Entwurfs wurde Karl mit Kritik überhäuft, eine "Quasi-Steuer" einzuführen. Jetzt liegen rund 30 Stellungnahmen vor, die Karls Gesetz in der Luft zerreißen. Kritik kommt aus allen Richtungen einschließlich der ÖVP.

Repariert wird die Regelung, weil der Verfassungsgerichtshof sie mit Wirkung 1. Jänner 2013 aufgehoben hat. Er erachtete es als verfassungswidrig, dass unterschiedliche Bemessungsgrundlagen angewandt werden: für Käufe der Verkehrswert (also Kaufpreis), für Schenkungen und Erbschaften der meist viel niedrigere dreifache Einheitswert, der zudem seit Jahrzehnten nicht valorisiert wurde.

Karls Entwurf sieht nun vor, prinzipiell auch bei unentgeltlicher Übertragung auf den Verkehrswert umzustellen. Der als verfassungswidrig eingestufte Einheitswert gilt aber trotzdem für einige wenige Ausnahmen weiterhin - zum Beispiel bei bäuerlichen Hofübergaben bzw. Vererbung oder Schenkung von Eltern an Kinder in einem gemeinsamem Haushalt und "dringendem Wohnbedürfnis".

Hauptkritikpunkt in den rund 30 Stellungnahmen ist Karls recht kurze Ausnahmenliste, die einen Großteil der Erbschaften empfindlich verteuert, sowie die Strafandrohung für einen unrichtigen Verkaufswert, der somit nur mehr durch Sachverständige ermittelbar ist, was die Sache nochmals verteuert. In einigen Stellungnahmen wird der Vorwurf der "verdeckten Steuer" bekräftigt, was bei der Anti-Erbschaftssteuer-Partei ÖVP die Alarmglocken schrillen lässt. Institutionen wie der Rechnungshof glauben zudem, dass die Novelle einen immensen bürokratischen Aufwand verursachen wird.

Hier die fünf größten Kritikpunkte an Karls Entwurf:

Kritikpunkt 1: Karls Gebühr ist eine "De-facto-Steuer"
Gebühren sollten "nur den Aufwand des Gerichts abdecken", heißt es von der ÖVP-dominierten Wirtschaftskammer. Das sei hier nicht mehr der Fall - also handle es sich "de facto" nicht um eine Gebühr, "sondern um Steuern". Mit Karls Entwurf würden Erbschafts- und Schenkungssteuer wieder eingeführt, kritisieren auch der Haus- und Grundbesitzerbund und der Österreichische Rechtsanwaltskammertag. Das Land Niederösterreich lässt die Darstellung Karls nicht gelten, wonach die Novelle aufwandsneutral ist, weil in manchen Fällen die Eintragungsgebühr auch sinken werde. Es sei "für den einzelnen betroffenen Bürger nicht wesentlich, dass der Bund insgesamt keine Mehreinnahmen erwartet".

Kritikpunkt 2: Ausnahmen sind viel zu eng gefasst
Dem von Reinhold Mitterlehner (ÖVP) geführten Familienministerium sind die Ausnahmen "zu eng gefasst", z.B. weil der günstigere Einheitswert bei Erbschaft oder Schenkung nur dann herangezogen wird, wenn der Erbe oder Beschenkte in nächster Generation verwandt ist und im selben Haushalt wohnt, was nur bei sehr wenigen der Fall sein wird. Das Familienministerium würde auch die Weitergabe einer Wohnung an Kinder mit eigenem Haushalt und an Enkel begünstigen. Das Land Tirol bezweifelt überhaupt, dass Karls Entwurf verfassungskonform ist - und widerspricht, wie auch Vorarlberg, Niederösterreich und die Wirtschaftskammer der Darstellung Karls, dass sich beim Erben und Schenken in der Familie nichts ändern werde. Die nötigen Voraussetzungen für die Begünstigung - dringendes Wohnbedürfnis, gemeinsamer Haushalt - würden nur selten erfüllt. In den meisten Fällen werde die Eintragungsgebühr massiv steigen. Insgesamt bleibe "praktisch kein Anwendungsbereich" übrig, kritisiert auch die Arbeiterkammer. Die Industriellenvereinigung verlangt eine Begünstigung für sämtliche Übertragungen in der Familie in gerader Linie.

Kritikpunkt 3: Verfassungswidrigkeit und Beamtenwillkür
Der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes hält es überhaupt für "fraglich", ob mit Karls Entwurf der vom VfGH eingeräumte Gestaltungsspielraum nicht überschritten wird. Denn teilweise bleibe man ja erst wieder beim Einheitswert, den der VfGH - weil er jahrzehntelang nicht angepasst wurde - als nicht tauglich erachtet. Für die Finanzprokuratur ist es zudem "bedenklich", dass in der Schätzung des Verkehrswertes "auf die freie Überzeugung des Kostenbeamten" im Gericht abgestellt wird, also ein Verkehrswert gilt, sobald man das Gericht davon überzeugt hat. Da sei der Ermessensspielraum zu weit ausgedehnt.

Kritikpunkt 4: Strafandrohung für falschen Verkehrswert
Kritisiert wird der Verkehrswert als zentrales Instrument der Gebührenfestlegung weiters, weil ihn die Bürger nun auch bei Erbschaften und Schenkungen ermitteln bzw. ermitteln lassen müssen - und dabei auch noch unter Druck sind, weil für falsche Angaben eine Anzeige droht. Den Laien werde es aber kaum möglich sein, den bei einem Verkauf zu erzielenden Preis zu bestimmen - also werde nur die teure Alternative eines Sachverständigengutachtens bleiben, kritisierten die Arbeiterkammer und das Land Tirol. Vorarlberg erachtet die Strafregelung für "überschießend": "Wir befürchten, dass künftig immer die Staatsanwaltschaft verständigt wird, wenn sich die Angaben der Partei als unrichtig erweisen."

Kritikpunkt 5: Bürokratischer Aufwand wird steigen
Einige Kritiker warnen vor einem höheren Verwaltungsaufwand für die Justiz. Denn bisher können Bürger bzw. Notare oder Rechtsanwälte die Eintragungsgebühr selbst gemeinsam mit der Grunderwerbssteuer über FinanzOnline ermitteln und gemeinsam auf ein Konto überweisen. Dass dies "entkoppelt" wird, werde zur Mehrbelastung auch der Gerichte führen, stellt der Rechnungshof fest. Das Gesetz werde "nicht unerheblichen Personalmehrbedarf" bei den Gerichten auslösen, warnt die Richtervereinigung. Das neue Verfahren zur Ermittlung des Verkehrswertes überfordere die Kostenbeamten kapazitätsmäßig, "vor allem aber auch sachlich völlig".

Ministerium sieht noch "Raum für Missverständnisse"
Das Justizministerium will als Reaktion auf die Kritik während der Begutachtungsfrist seinen Gesetzesentwurf zur Grundbuchgebühr "textlich schärfen". Zudem werde man das Gespräch mit einzelnen Institutionen, wie Rechtsanwalts- und Notariatskammer, suchen, sagte ein Sprecher am Mittwoch. Spätestens kommende Woche solle der endgültige Gesetzestext fertiggestellt sein. Im Justizministerium betont man aber, dass die Kritik am Entwurf während der Begutachtungsfrist durchaus unterschiedlich und wenig einheitlich ausgefallen sei. Noch gebe es Raum für Missverständnisse, was aber in den kommenden Tagen geklärt werden solle.

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