Nach Grenzvorfall

Erdogan: “Türkei will keinen Krieg mit Syrien”

Ausland
05.10.2012 07:26
Der Bürgerkrieg in Syrien droht wegen der jüngsten Grenzscharmützel mit dem NATO-Mitglied Türkei international zu eskalieren. Das Parlament in Ankara gab der Regierung und der Armee am Donnerstag grünes Licht für eine militärische Intervention im Nachbarstaat. Nach den Worten von Premier Recep Tayyip Erdogan will die Türkei zwar "keinen Krieg mit Syrien", UN-Generalsekretär Ban Ki Moon äußerte sich dennoch beunruhigt über die wachsenden Spannungen und warnte vor einem Flächenbrand.

Bei syrischem Beschuss des türkischen Grenzortes Akcakale am Mittwoch waren fünf Zivilisten getötet worden. Die Türkei hatte umgehend mit Vergeltungsangriffen reagiert und Berichten zufolge mehrere syrische Soldaten getötet. Auch am Donnerstagmorgen wurde noch geschossen. In nicht-öffentlicher Sitzung des Parlaments in Ankara stimmten dann am Vormittag 286 Abgeordnete für das auf ein Jahr befristete Mandat für Auslandseinsätze, 92 dagegen, berichtete der Nachrichtensender CNN-Türk. Oppositionspolitiker hatten schon vor der Abstimmung kritisiert, die Vollmacht an Regierung und Armee sei zu weitgehend.

Völkerrechtlich kann sich die Regierung in Ankara bei ihrem Beschluss auf Artikel 51 der UN-Charta berufen. Dieser erlaubt nach einem bewaffneten Angriff auf das Land militärische Maßnahmen zur Selbstverteidigung, "bis der Sicherheitsrat die zur Aufrechterhaltung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit erforderliche Maßnahmen ergriffen hat".

Erdogan: "Keine Absicht, in Krieg einzutreten"
Gleichzeitig mit dem Beschluss des Parlaments schlugen türkische Regierungsvertreter versöhnliche Töne an. Seine Regierung wolle ausschließlich "Frieden und Sicherheit", sagte Ministerpräsident Erdogan. "Wir haben nicht die Absicht, mit Syrien in einen Krieg einzutreten", betonte er. Der stellvertretende Regierungschef Besir Atalay hatte zuvor erklärt, die Entscheidung des Parlaments sei "kein Kriegsmandat", es werde vielmehr einen abschreckenden Effekt haben."Die syrische Seite hat eingestanden, was sie getan hat, und sich bereits dafür entschuldigt", so Atalay.

In Istanbul demonstrierten indessen mehrere Hundert Menschen gegen einen Krieg zwischen der Türkei und Syrien. Teilnehmer der Demonstration hielten unter anderem ein großes Plakat mit der Parole "Nein zum Krieg" in die Höhe. Die Demonstranten warfen der Regierungspartei AKP vor, im Auftrag der USA zu handeln und die Türkei in einen "imperialistischen Krieg" mit Syrien zu verwickeln. Bereits am Vormittag hatten rund 30 Kriegsgegner versucht, zum Parlament in Ankara vorzudringen. Sie wurden aber von der Polizei unter Einsatz von Tränengas zurückgedrängt.

Internationale Sorge um wachsende Spannungen
Die internationale Sorge vor einer Eskalation der Gewalt wächst jedenfalls. Der UN-Sicherheitsrat verurteilte in der Nacht auf Freitag den syrischen Granatenangriff auf das Schärfste und forderte Damaskus auf, solche Verstöße gegen internationales Recht sofort zu unterlassen. Das Gremium erklärte, der Vorfall unterstreiche, welch große Auswirkungen die Krise in Syrien auf die Sicherheit der Nachbarländer sowie Frieden und Stabilität in der Region habe.

UN-Generalsekretär Ban zeigte sich angesichts der Situation an der türkisch-syrischen Grenze alarmiert. Ban rufe laut seinem Sprecher alle Beteiligten auf, die Gewalt einzustellen, sich zurückzuhalten und um eine politische Lösung zu bemühen. Der internationale Syrien-Sondervermittler Lakhdar Brahimi habe demnach bereits mit Vertretern der Türkei und Syriens gesprochen.

Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton verurteilte den Beschuss türkischen Gebiets durch syrische Granaten ebenfalls "scharf" und warnte Syrien vor einer Verletzung der türkischen Souveränität. "Ich fordere die syrische Regierung auf, die Gewalt unverzüglich einzustellen und die territoriale Unversehrtheit und die Souveränität aller Nachbarländer uneingeschränkt zu respektieren", erklärte Ashton am Donnerstag in Brüssel. "Solche Verletzungen der türkischen Souveränität können nicht hingenommen werden."

Die Ereignisse zeigten deutlich das "tragische" Übergreifen des Konfliktes in Syrien auf die Nachbarländer. "Ich rufe alle Seiten zur Zurückhaltung auf", erklärte Ashton. Sie stehe in Kontakt mit dem türkischen Außenminister Ahmet Davutoglu, "um unsere Solidarität und unser Mitgefühl für die Familien der Opfer und die türkische Bevölkerung auszudrücken", fügte die EU-Außenbeauftragte hinzu.

NATO stellt sich demonstrativ hinter die Türkei
Auch die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel erklärte, dass es an der klaren Verurteilung Syriens keinen Zweifel geben könne. "Wir stehen an der Seite der Türkei", versicherte Merkel dem NATO-Partner. Sie glaube aber auch, dass gleichzeitig Besonnenheit das Gebot der Stunde sei. Die Türkei gehört der NATO an. Das Militärbündnis hatte sich in einer auf Wunsch der Türkei einberufenen Dringlichkeitssitzung klar hinter den Bündnispartner gestellt. Der Grenzzwischenfall wurde von den 28 Mitgliedstaaten "verurteilt".

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