Papst-Diener gibt zu:

“Habe Vertrauen des Heiligen Vaters missbraucht”

Ausland
02.10.2012 17:25
Im Prozess um die Enthüllungsaffäre "Vatileaks" hat der angeklagte Ex-Kammerdiener des Papstes, Paolo Gabriele (re.), am Dienstag ein reumütiges Geständnis abgelegt. Vor dem vatikanischen Gericht gab der 46-Jährige zu, brisante vertrauliche Dokumente über interne Vorgänge im Vatikan an einen Journalisten weitergegeben zu haben, der sie dann für ein Enthüllungsbuch verwendete. Der Papst sehe in ihm einen "Sohn", sagte Gabriele, "und ich habe sein Vertrauen missbraucht".

Als Päpstlicher Kammerherr stand der Angeklagte dem Pontifex sehr nahe. Der 46-Jährige, den der Heilige Vater gern "Paoletto" (Paulchen) nannte, war seit sechs Jahren wie Benedikts Schatten. Neben den Privatsekretären Georg Gänswein und Alfred Xuereb sowie vier Nonnen gehörte er zu den engsten Mitarbeitern des Papstes. Auf unzähligen Fotos ist der dreifache Vater, der im Vatikan wohnen durfte, direkt neben Benedikt XVI. zu sehen. Alle Schlüssel zu Türen und Schreibtischen hatte Gabriele in seiner Tasche, weshalb er in den privaten Gemächern des Heiligen Vaters ein- und ausgehen konnte.

"Gegen das Böse und die Korruption"
Die gestohlenen Dokumente soll er dem Journalisten Gianluigi Nuzzi weitergereicht haben. Dieser veröffentlichte deren brisanten Inhalt in seinem Bestseller "Sua Santitá" (Seine Heiligkeit). Das Buch berichtet von schweren Machtkämpfen an der Kirchenspitze und sogar von einem Mordkomplott gegen den Papst sowie von düsteren Geldwäsche-Geschäften der Vatikanbank IOR. Mit den an die Öffentlichkeit gebrachten Dokumenten löste Gabriele jenen Skandal aus, der von den italienischen Medien sehr bald als "Vatileaks"-Skandal bezeichnet wurde und den Heiligen Stuhl als ein Hort der Intrigen und Machtspiele erscheinen lässt.

Den Ermittlern in der Affäre sagte Gabriele, er habe die gestohlenen Papiere weitergegeben, um gegen "das Böse und die Korruption" vorzugehen. Überall sah er "Korruption und Verfall" in der Kirche. Daher habe er gedacht, "dass ein Schock - auch über die Medien - heilsam sein und die Kirche aufs richtige Gleis zurückführen" könne. Er bezeichnete sich dabei selbst als "Mittler" des Heiligen Geistes.

"Es ist einfach, den Papst zu manipulieren"
Am Dienstag erklärte Gabriele vor dem vatikanischen Gericht: "Ich bin überzeugt, dass es einfach ist, eine Person mit einer derartigen Macht zu manipulieren. Oft saßen wir am Tisch, und der Papst stellte Fragen über Angelegenheiten, über die er hätte informiert sein sollen." In Bezug auf den Vorwurf des erschwerten Diebstahls sei er unschuldig, versicherte er. Er gab jedoch zu, dass er das Vertrauen des Papstes, den er "wie ein Sohn" liebe, missbraucht habe.

Gabriele berichtete, dass er bereits 2010 begonnen habe, vertrauliche Dokumente des Heiligen Vaters, wie Briefe und Notizen, an die Öffentlichkeit zu bringen. Er versicherte, dass er allein gehandelt habe, allerdings seien in den letzten Jahren auch Dokumente über andere Personen des Vatikans an die Öffentlichkeit gekommen. Gelegentlich habe er vertrauliche Gespräche mit den Kardinälen Paolo Sardi und Angelo Comastri geführt. Gabriele versicherte außerdem vor Gericht, dass er kein Geld für die Unterschlagung der Dokumente erhalten habe.

Bei der Verhandlung hat Gerichtspräsident Giuseppe Dalla Torre auch den Privatsekretär des Papstes, Gänswein, befragt. Dessen Hinweise hatten am 23. Mai zur Festnahme des Kammerdieners geführt. Rund 30 Minuten lang antwortete Gänswein auf die Fragen des Gerichts. Er erklärte, er haben zum ersten Mal Gabriele verdächtigt, als er in Nuzzis Buch drei Briefe veröffentlicht sah, die nur er als Papst-Sekretär besitzen konnte. "Ich hatte nicht gemerkt, dass die Briefe fehlten", sagte der Sekretär. Gänswein saß im Gerichtssaal nur wenige Meter neben Gabriele, die beiden wechselten jedoch keinen Blick.

Geld, Gold und wertvolles Buch entwendet
Auch einige Gendarmen, die die Wohnung Gabrieles durchsucht hatten, wurden befragt. Sie bestätigten, dass in der Wohnung des Kammerdieners ein dem Papst ausgestellter Scheck im Wert von über 100.000 Euro, ein Goldklumpen sowie ein wertvolles Buch aus dem 16. Jahrhundert gefunden wurden. Den Goldklumpen hielt Gabriele in einer Schuhschachtel versteckt. Zudem fanden die Gendarmen in der Wohnung zahlreiche Dokumente über Freimaurerlogen und Geheimdienste. Gabriele musste 53 Tage in Untersuchungshaft verbringen, wurde aber vor wenigen Wochen in den Hausarrest entlassen.

Der Kammerdiener hatte immer wieder über seine schwierigen Haftbedingungen nach seiner Festnahme geklagt. Über 20 Tage habe er in einer winzigen Zelle verbringen müssen, in der er nicht einmal die Arme ausstrecken konnte. 24 Stunden lang sei das elektrische Licht eingeschaltet gewesen, deswegen habe er auch Augenbeschwerden bekommen. Daraufhin eröffnete der vatikanische Staatsanwalt Nicola Picardi eine Untersuchung über die Haftbedingungen Gabrieles. Der vatikanische Pressesprecher Pater Federico Lombardi versicherte jedoch, dass die Haftbedingungen im Vatikan den internationalen Standards entsprechen würden.

Gutachter: Mensch von "einfacher Intelligenz"
Psychologische Gutachter, die im Auftrag der vatikanischen Justiz den Kammerdiener beobachteten, bezeichneten ihn als Menschen "einfacher Intelligenz". Ständig habe man ihn "anleiten und führen" müssen. Daher bezweifeln viele Beobachter trotz des Geständnisses, dass "Paoletto" allein gehandelt habe. Vatikan-Insider gingen eher davon aus, dass der untreue Butler mehrere Komplizen hatte.

Weitere Zeugen sollen am Mittwoch vernommen werden. Zu ihnen zählen auch eine Hausdame des Heiligen Vaters aus der Geistlichen Gemeinschaft "Memores Domini" und weitere Gendarmen.

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