Das Wiener Staatsballett hat John Neumeiers legendäre, aber doch schon etwas ergraute Kreation „Die Kameliendame“ in ihr Staatsopern-Repertoire genommen. Eine große Herausforderung, die nicht übermäßig überzeugend bewältigt wurde.
Der 4. November 1978 war ein großer Tag für das Stuttgarter Ballett: Marcia Haydée, John Crankos legendäre Primaballerina, betrat als „Kameliendame“ die Bühne. John Neumeier hatte ihr Dumas’ weltberühmteste TBC-Kranke in die Tänzerinnenseele choreografiert. Auf Musik Chopins, viel Klavier solo, aber auch mit Orchester.1987 wurde das Sterben der Kurtisane verfilmt. Da war Haydée nicht mehr jung, aber Eleganz und Ausdruck ihrer Marguerite Gautier an der Seite von Ivan Liška als Armand Duval begeistern ungebrochen (auf DVD). Alles Ballettgeschichte. 2014 gastierte Neumeiers Hamburger Ballett damit im Theater an der Wien. Am Klavier saß Stefan Vladar!
Von der glanzvollen Historie in die Wiener Gegenwart. Das Staatsballett versucht sich knapp 50 Jahre später am langen Abendfüller. Eine Herausforderung. Neumeier hat den Tänzern Anspruchsvolles, Elaboriertes, auch Manieriertes choreografiert. Das kann nicht jeder technisch bewältigen, um es danach mit Ausdruck zu füllen. Auch nicht im Staatsballett. Die immer noch edle Ausstattung Jürgen Roses kann dem Ganzen die Patina ebenfalls nicht nehmen.
Immerhin: Das Leiden bleibt groß, elegisch. Darin zeigt sich auch Ketevan Papava in der Haydée-Partie noch am überzeugendsten. Als Armand bettelt Timoor Afshar um Präsenz. Damit sich der Mitleidensdruck noch erhöht, darf als Spiegelung die andere Weltliteratur-Kurtisane vor den Vorhang. Manon Lescaut siecht unter Sterbebegleitung von Des Grieux dem Ende entgegen. Hyo-Jung Kang und Marcos Menha machen das sehr schön. Chopins Musik legt den schmuseweichen Trauerflor darunter. Wie teils inferior er dabei am Klavier gespielt wird, lässt dann doch aufhorchen.
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