96. Oscar-Verleihung

Ein Goldjunge als begehrtester Mann Hollywoods

Society International
06.03.2024 06:00

Sein nackter Oberkörper strotzt nur so von testosterongeladener Männlichkeit - und das, obgleich er stramm auf die 100 zugeht. Das macht den Oscar nach wie vor zum begehrtesten Mann Hollywoods. Nach einem Facelift 2016 erscheint das gut 3,8 Kilo schwere, ritterliche Siegessymbol im Detail wieder so wie 1929 - dem Jahr, als die Geschichte der Oscars begann.

Um genau zu sein, reicht die Historie sogar noch zwei Jahre länger zurück. Damals war ein Passus aus den Satzungen bei der konstituierenden Sitzung der Academy of Motion Picture Arts and Sciences am 11. Mai 1927 ebenso lakonisch wie folgenschwer für das Kino formuliert: „Wir werden die Filmkunst und Filmtechnik dadurch voranbringen, dass wir Preise für hervorragende Einzelleistungen verleihen werden.“

Oscar Verleihung in Rekordzeit
So kam es am 16. Mai 1929 zur ersten Vergabe der von Cedric Gibbons, dem Leiter des Art Departments bei MGM, entworfenen Statuetten. Von dem Glamour, den das Event heutzutage ausstrahlt, war damals allerdings noch keine Rede.

Die Gewinner standen bereits Monate zuvor fest und hatten sich die Statuen teils schon abgeholt. Auch fanden sich nur 270 Stars und Journalisten im Hollywood Roosevelt Hotel ein. Entsprechend zügig wickelte Douglas Fairbanks die Verleihung ab: in der Rekordzeit von vier Minuten 22 Sekunden. Die Geheimhaltung der Sieger wurde dann aber bereits im Jahr darauf eingeführt.

Was damals ebenfalls fehlte: der Name Oscar. Das kleine Goldmännchen kam erst später zu seinem Spitznamen, wobei umstritten ist, woher dieser rührt. Die verbreitetste Geschichte ist, dass die Academy-Bibliothekarin und spätere Direktorin Margaret Herrick sich an ihren Onkel Oscar erinnert fühlte. Die Academy verwendete den Kosenamen jedenfalls 1939 zum ersten Mal offiziell.

Goldjunge als Trost in Kriegszeiten
Zu dieser Zeit hatte der Goldjunge bereits einige Erfolge eingefahren. Vor allem in wirtschaftlich turbulenten Zeiten und während des Zweiten Weltkrieges sehnten sich viele Amerikanerinnen und Amerikaner nach Unterhaltung. So bedeutete ein Oscargewinn in einer der Hauptkategorien für ein Studio schon in den 1940er-Jahren Zusatzeinnahmen von ein bis zwei Millionen Dollar.

Nicht zuletzt deshalb wurde der wirtschaftliche Druck, den die von der Rezession gebeutelten Studios damals auf die Academy ausübten, legendär. Am Oscar selbst musste man während der Mangelwirtschaft im Weltkrieg allerdings sparen. In dieser Zeit wurden nur Gipsstatuetten vergeben, die nach Kriegsende gegen goldglänzende Oscars umgetauscht wurden.

Oscar-Gala als verlässlicher TV-Quotenbringer
Obwohl die Studios sich lange Zeit erbittert gegen die entstehende Fernsehkonkurrenz zur Wehr gesetzt hatten, markierte die erste Fernsehübertragung einer Oscarverleihung 1953 einen Meilenstein in der Fernsehgeschichte: Die vom späteren US-Präsidenten Ronald Reagan moderierte Show erzielte die bis dahin höchste Einschaltquote seit TV-Einführung.

Seither war die Gala lange ein verlässlicher Quotenbringer im TV, allerdings sanken die Zuschauerzahlen dann massiv. So erreichte die Oscarübertragung 2021 mit nur mehr 10,4 Millionen Menschen in den USA ihren absoluten Tiefpunkt. Immerhin zeigte der Trend 2022 mit 16,6 Millionen und 2023 mit 18,7 Millionen wieder deutlich nach oben.

Oscar rückte auch politisch ins Rampenlicht
Nur selten wurde die Gala bisher verschoben, so etwa 1938 wegen einer Hochwasserkatastrophe, 1968 wegen der Ermordung Martin Luther Kings, 1981 wegen des Attentats auf Präsident Ronald Reagan und 2021 wegen der Coronapandemie, als man die Verleihung redimensionierte und in den April verlegte.

Auch politisch geriet der Oscar ins Rampenlicht: In den repressiven Jahren der McCarthy-Zeit gab es offizielle schwarze Listen mit als kommunistisch gebrandmarkten Künstlern, die keinen Oscar gewinnen durften. Zugleich begannen die Schauspieler, ihre Popularität zu nützen, um politische Statements abzugeben: Improvisierte und geplante Reden zu Themen wie Unterdrückung der amerikanischen Ureinwohner, Vietnamkrieg und Palästina prägten die Oscarnächte als Spiegel der unruhigen politischen Entwicklung Amerikas.

Das änderte sich erst, als in den 1980er-Jahren Filme wie „Ghostbusters“, „Indiana Jones“ oder „Beverly Hills Cop“ den Siegeszug des Kommerzkinos einläuteten. Die Academy vergab die Haupttrophäen vorerst nicht an Massentaugliches, bis in den 1990ern Kinoerfolge und Oscargewinner wieder übereinzustimmen begannen: Spätestens als „Titanic“ 1997 den Rekord von „Ben Hur“ (elf Oscars 1959) egalisierte, war das Blockbusterkino endgültig im Oscarolymp angekommen.

#OscarsSoWhite & #MeToo-Bewegungen
Seit den 2010er-Jahren jedoch ist ein gewisser Backlash ins Politische zu beobachten, thematisieren die Oscarnächte doch unter #OscarsSoWhite die Minderbeachtung afroamerikanischer Filmschaffender, traten die Redner verlässlich gegen den damaligen Präsident Donald Trump auf und brachten unter dem Stichwort #MeToo zahlreiche Repräsentanten die Debatte um sexuelle Übergriffe und Machtmissbrauch im Filmsystem aufs Tapet. Auch wurde der Blick inhaltlich diverser, markierte hier doch der Sieg der auf Südkoreanisch gedrehten Parabel „Parasite“ in der Königskategorie Bester Film 2020 einen Umbruch.

In jedem Falle findet die Oscarzeremonie heuer wie fast immer seit 2002 im eigens dafür gestalteten und mittlerweile als Dolby Theatre firmierenden Gebäude statt, das nur einen Straßenblock vom historischen Roosevelt Hotel entfernt liegt, wo 1929 die ersten Trophäen verliehen wurden.

Gegenüber dem 5.600 Plätze umfassenden Shrine-Auditorium, das zuvor häufig Schauplatz der Gala war, stellen die dortigen knapp 3.400 Sitze allerdings eine empfindliche Verknappung dar. 2021 übersiedelte man im Zuge von Corona dann in die deutlich kleinere Union Station im Stadtzentrum von Los Angeles. Mittlerweile ist man jedoch wieder in den heimatlichen Gefilden angekommen.

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(Bild: kmm)



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