Ein Jahr danach

“We got him”: Tötung Bin Ladens jährt sich erstmals

Ausland
01.05.2012 23:19
Das Foto ging um die Welt. US-Präsident Barack Obama im abhörsicheren "Situation Room" im Weißen Haus, umringt von Vertrauten, den Blick starr auf eine Videoleinwand gerichtet. Der Friedensnobelpreisträger Obama ist live dabei, als Spezialeinheiten Tausende Meilen entfernt in Pakistan Terrorchef Osama bin Laden töten. "We got him", sagte Obama nach der Aktion - Worte wie aus einem Hollywood-Thriller.

Die USA feierten die tödlichen Schüsse vor einem Jahr (am Abend des 1. Mai; 2. Mai 10.11 Uhr MESZ) wie eine Sternstunde der Nation - als ultimativen Sieg gegen das Böse.

Es war ein Triumph, auf den Amerika fast zehn Jahren gewartet hatte. Noch in der Nacht versammelten sich die Menschen vor dem Weißen Haus, in New York strömten Demonstranten zum Ground Zero. 3.000 Menschen waren hier am 11. September 2001 ums Leben gekommen. Ein alter Mann mit langem Bart und Pluderhosen hatte die stärkste Nation der Welt im Mark erschüttert. Sein Tod brachte Erleichterung - eine Erlösung aus einem Alptraum.

Imagekorrektur für Präsident Obama
Geschickt nutze Obama die Gunst der Stunde. Hardliner aus dem Republikanerlager hatten ihn immer wieder verdächtigt, ein "Weichei" zu sein. Doch er hat geschafft, woran sein Vorgänger George W. Bush scheiterte. "Der Gerechtigkeit ist Genüge getan", verkündet ein ernster, doch sichtlich selbstbewusster "Commander in Chief" der Nation. Das sind starke Worte. Worte, wie sie die Amerikaner lieben.

Details der Tötung kamen nach und nach ans Tageslicht
In bester PR-Manier streuten White House und Pentagon Informationen über die Killer-Aktion. Peu à peu wurden die Details an die Öffentlichkeit gelassen. Die Blitzaktion auf Bin Ladens Anwesen habe 40 Minuten gedauert, mit zwei Helikoptern seien die Elitetruppen der Navy Seals angerückt. Die "Seals" hätten sofort das Feuer eröffnet, hieß es.

Wochenlang sei die Aktion geplant gewesen, Vertraute hätten Obama abgeraten. Das Risiko sei zu hoch, meinten sie. Zeitweise sei eine massive Bombardierung des Verstecks erwogen worden - doch dann hätte man keine Leiche gehabt.

"Es war ein großes Glücksspiel", so Obama im Rückblick. Lange habe er gezögert, erst zwei Tage vor der Kommandoaktion habe er sein Okay gegeben. Er war es also letztlich, der das Risiko auf sich nahm.

Fotos der Leiche nie veröffentlicht
Fotos von der Leiche des Terrorchefs gab das Weiße Haus aber nicht frei, um kein Propagandamaterial zu schaffen, wie es damals hieß. Der Zorn über die Gefangennahme des irakischen Ex-Präsidenten Saddam Hussein war Ende 2003 noch mit Aufnahmen angestachelt worden, die den Diktator mit struppigem Haar in einem Erdloch bei Tikrit zeigte. Das sollte diesmal nicht passieren.

Stattdessen ruinierte Obama das Bild Bin Ladens für die Nachwelt durch Veröffentlichung eines Videos, das einen fast bemitleidenswerten Mann zeigt, der grau und gebeugt mit einer Decke um die Schultern und einer Wollmütze in einem schäbigen Raum sitzt und fernschaut (siehe Bild 4).

"Al-Kaida nicht mehr zu Anschlag wie zu 9/11 fähig"
Der Tod Osama bin Ladens dürfte die Al-Kaida stark geschwächt haben. Nach Einschätzung der US-Geheimdienste ist die Terrorgruppierung, die nun unter der Leitung von Ayman al-Zawahiri steht, nicht mehr zu einem Anschlag in der Größenordnung der Angriffe vom 11. September 2001 fähig.

Der Kern des von Bin Laden gegründeten Islamistennetzwerks habe unter anderem wegen des Arabischen Frühlings schwere strategische Rückschläge erlitten, erklärte der Vize-Direktor der National Intelligence, Robert Cardillo. Die von der Gruppe vertretene strenge und gewalttätige Variante des Islam werde in den betroffenen Staaten nicht unterstützt.

Die US-Terrorabwehr mache sich inzwischen größere Sorgen über Extremisten im Inland, hieß es weiter. Dazu zählten Einzeltäter - auf Englisch "lone wolves" ("einsame Wölfe") genannt -, die sich über das Internet oder in kleinen Terrorzellen radikalisiert hätten. Von einer "strategischen Niederlage" der Al-Kaida wollte jedoch keiner der Teilnehmer sprechen. Von vier Ablegern der Gruppe im Jemen, im Irak, in Nordafrika und in Somalia gehe weiter eine Gefahr aus.

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