Mit Hochspannung wurde die Neuproduktion von Giacomo Puccinis „Turandot“ an der Wiener Staatsoper erwartet: Auf den Jubel für Asmik Grigorian und Jonas Kaufmann folgte ein heftiges Buhkonzert für den Regisseur Claus Guth und seine Ausstatter Etienne Pluss und Ursula Kudrna.
Eine Frage stand beim Publikum dieser Staatsopernpremiere von Puccinis „Turandot“ von Anfang an im Raum: Schaffen es Asmik Grigorian und Jonas Kaufmann, die beiden Extrempartien der Turandot und des Calàf mit macht- und glanzvoller Stimmfülle und -schönheit zu gestalten? Die beiden haben nicht enttäuscht: Grigorian präsentiert sich als Energiebündel, ist bereit, bis an die Grenzen ihrer Möglichkeiten zu singen. Ein „eisumgürteter“, psychisch durch die Kindheit zutiefst beschädigter, nur noch am Männermord Lust empfindender Racheengel. Diese Leidenschaft in subtilen Facetten hervorzukehren, setzt sie alle Register in fein differenzierten Farben ein und setzt sich auch in Momenten, wo Marco Armiliato das Orchester Pomp entfalten, ja dröhnen lässt, souverän durch.
Jonas Kaufmann, von Claus Guth als Figur eines fürstlichen Flüchtlings in der Regie vernachlässigt, singt bis an die Grenzen seiner Möglichkeiten. Aber er lässt Spitzentöne strahlen, vor allem das hohe C der Rätselszene. Sein „Nessun dorma“ - mit siegessicher geschmettertem „Vincerò!“ - wird zum Höhepunkt. Im Reigen der vielen Rollendebütanten ist die Russin Kristina Mkhitaryan eine berührende Liù, die zarte Sklavin, die ihr Leben ihrer Liebe zu Calàf opfert. Ein berückend schöner Sopran. Verlässlich die übrige Besetzung: Jörg Schneider (Kaiser Altoum), Dan Paul Dumitrescu (Timur), Martin Häßler, Norbert Ernst und Hiroshi Amako (Minister Ping, Pang, Pong). Ausgezeichnet einstudiert der Staatsopernchor.
In Hochform das Staatsopernorchester, das Marco Armiliato zu bombastischem Klangtheater mitreißt. Er hätte ruhig auf die schwierige, musikalisch etwas lahme erste Fassung Franco Alfanos, der das Werk nach Puccinis Tod zu Ende komponierte, verzichten und die zweite (übliche) Fassung verwenden können. Jubel für das musikalische „Ereignis Turandot“.
Empörtes Buhgeschrei musste Claus Guth einstecken. Dass er sich vom Tempelkitsch im Peking-Restauranstil verabschiedet, ist erfreulich. Dass er und die Ausstatter Etienne Pluss & Ursula Kudrna mit ihren hässlichen, eisigen Bühnenräumen uns in die Schreckenswelt der Stasi und ins nordkoreanische Folterreich Kim Jong-uns versetzen, tut dem Turandot-Märchenstoff (nach Carlo Gozzi, 1762) nicht gut. Hier sind alle Menschen gleichgeschaltet, Automaten der Macht - ist Turandot die brutale Schwester des Diktators Nordkoreas? Was für Guths die Märchenwelt negierende Regie dennoch einnimmt, ist sein Versuch, die Vergangenheit der Figuren aufzudecken, die verstörende Kindheit des „Opfers“ Turandot, die Opferbereitschaft Liùs, die blinde Besessenheit Calàfs usw. Aber das wäre auch in einem „China“ mit interessanterer Ästhetik möglich.
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