Tat aus Verzweiflung

Athen: Krawalle nach Selbstmord eines Pensionisten

Ausland
05.04.2012 07:02
Nach dem Selbstmord eines überschuldeten Pensionisten in Athen ist es in der griechischen Hauptstadt zu Protesten und Krawallen gekommen. Auf dem zentralen Syntagma-Platz vor dem Parlament versammelten sich am Mittwoch bis zum Anbruch der Dunkelheit rund eintausend Menschen. Einige riefen in Sprechchören, es habe sich nicht um einen Freitod, sondern um einen "vom Staat verübten Mord" gehandelt. Etwa ein Dutzend Personen warf Brandsätze auf Polizisten, die ihrerseits Tränengas einsetzen.

Der Pensionist hatte sich Mittwoch früh am zentralen Syntagma-Platz, den viele Menschen im Berufsverkehr passieren, das Leben genommen. "Ich habe Schulden, ich halte das nicht mehr aus", habe der 77-jährige ehemalige Apotheker laut Augenzeugen gerufen, bevor er sich erschoss. Danach habe er sich in den Kopf geschossen und war sofort tot.

Abschiedsbrief im Mantel gefunden
Im Mantel des Mannes wurde ein Abschiedsbrief gefunden. Darin habe er die Politik sowie die wirtschaftlichen Unwägbarkeiten genannt, die ihn an den Abgrund getrieben hätten. "Ich gehe, bevor ich meinem Kind zur Last falle und im Müll suchen muss", habe der 77-Jährige geschrieben. Nachbarn bezeichneten den Apotheker als sehr ruhigen Menschen. Nach Angaben aus Polizeikreisen litt er an einer Krebserkrankung.

Im Gedenken an den Pensionisten versammelten sich am Abend rund eintausend Menschen in den Straßen Athens und legten am Fuße der Zypresse, vor der sich der Mann erschossen hatte, Blumen, Kerzen und Trauerbotschaften nieder. Im Umfeld der spontanen Trauerfeier kam es zu heftigen Zusammenstößen mit der Polizei, als eine Gruppe von rund 50 Jugendlichen Steine auf die Beamten warf. Die Polizei nahm zehn Menschen fest, die später aber wieder freigelassen wurden.

Mehr Depressionen und Selbstmorde durch Krise
Die tiefe Wirtschaftskrise im hoch verschuldeten Griechenland geht mit Massenarbeitslosigkeit und einbrechenden Gehältern und Pensionen einher. Die Einkommen sind in den vergangenen drei Jahren um etwa ein Fünftel zurückgegangen. Zudem stieg die Arbeitslosigkeit auf Rekordwerte von um die 21 Prozent. Zehntausende Pensionisten müssen mit etwa 500 Euro auskommen.

Zugleich haben Depressionen und Selbstmorde in jüngster Zeit stark zugenommen. Nach Schätzungen von Psychiatern haben sich seit Ausbruch der schweren Finanzkrise 2009 etwa 1.500 Menschen das Leben genommen. "Aus Daten, die uns vorliegen, ist die Zahl der Suizide in den letzten drei Jahren schätzungsweise um etwa 20 Prozent gestiegen", sagte Psychiater Vassilis Kontaxakis im Rundfunk. Man könne aber nicht klar definieren, inwiefern allein die Finanzkrise dafür verantwortlich sei. Auch andere Faktoren spielten eine wichtige Rolle.

Gesundheitsminister Andreas Loverdos hatte vor einigen Wochen sogar von 40 Prozent mehr Selbsttötungen gesprochen.

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