Späte Gerechtigkeit?
“Pinochet der Türkei” in Ankara vor Gericht
Bei einer Verurteilung drohen dem früheren Präsidenten Evren sowie seinem ebenfalls angeklagten damaligen Luftwaffenchef Tahsin Sahinkaya (87) lebenslange Haftstrafen. Beide müssen wegen ihres hohen Alters vorerst allerdings nicht persönlich vor Gericht erscheinen, sondern verfolgen das Verfahren in Altersheimen per Video-Leinwand.
Eines der blutigsten Kapitel der türkischen Geschichte
Neben Hunderten Putschopfern und zahlreichen Verbänden haben sich auch die Regierung und das Parlament, die damals aufgelöst worden sind, als Nebenkläger dem Verfahren angeschlossen. Alle hoffen sie auf eine späte Gerechtigkeit.
Die Militär-Herrschaft der 80er-Jahre zählt zu den blutigsten Kapiteln der türkischen Geschichte: Rund 650.000 Menschen verschwanden in den Gefängissen, in denen Folter auf der Tagesordnung stand, 250.000 landeten vor Gericht, Hunderte wurden hingerichtet, Zehntausende wurden ausgebürgert.
Türkei leidet noch heute an den Folgen
An den Folgen der Diktatur, die mit unglaublicher Brutalität gegen alle Linken und natürlich die Kurden vorging, leidet die Türkei noch heute. Die als Terror-Organisation eingestufte kurdische Arbeiterpartei PKK etwa erhielt ihren regen Zulauf erst durch die damalige Brutalität in den Kurdengebieten.
Selbst die vom Militär noch heute beklagte Islamisierung der Türkei geht abstruserweise auf Evren zurück, weil er die Linke unter anderem auch durch die verpflichtende Einführung des islamischen Religionsunterrichtes bekämpfte.
Und die türkische Verfassung, die zahlreiche Bürgerrechte einschränkt und bis heute gültig ist, stammt ebenfalls aus dieser Zeit.
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