Wahlkampf in den USA
Santorum findet Trennung Kirche – Staat “zum Kotzen”
"Ich glaube an ein Amerika, in dem die Trennung von Kirche und Staat absolut ist", hatte der Katholik Kennedy in der berühmt gewordenen Rede vom 12. September 1960 vor Geistlichen in der texanischen Stadt Houston erklärt. "Ich glaube an ein Amerika, in dem kein katholischer Prälat dem Präsidenten - sollte dieser Katholik sein - sagt, was er zu tun hat, und kein protestantischer Pastor seiner Gemeinde sagt, wen sie wählen soll, und wo Niemandem ein öffentliches Amt verweigert wird, weil seine Religion nicht die des Präsidenten ist, der ihn ernennt, oder die der Menschen, die ihn wählen."
In der ABC-Sendung "This Week" erklärte nun der erzkonservative evangelikale Christ Santorum bezüglich Kennedys Aussagen: "In welchem Land leben wir denn, in dem nur Leute ohne Glauben Platz im öffentlichen Leben haben und für ihre Sache eintreten können?" Kennedys Worte finde er "zum Kotzen - und das sollte auch jeder Amerikaner tun".
Shootingstar der Republikaner
In einer landesweiten Umfrage unterstützen 30 Prozent der republikanischen Vorwähler Santorum, 27 Prozent stehen hinter dem bisher favorisierten Multimillionär Mitt Romney. Und eine aktuelle Gallup-Umfrage signalisiert: Santorum hätte sogar Chancen, Präsident Barack Obama zu schlagen. Demnach würden derzeit 48 Prozent der Amerikaner den Republikaner wählen, der demokratische Amtsinhaber liegt mit 49 Prozent Zustimmung denkbar knapp voran.
Noch vor ein paar Wochen war Rick Santorum die Inkarnation des Außenseiters. Bei den Debatten der Republikaner wirkte er farblos und ohne Ideen. Jetzt gilt der 53-Jährige als Shootingstar im Rennen um die Präsidentschaftskandidatur. Sein Rezept ist simpel, aber wirksam: Der Ex-Senator präsentiert sich als wahrer Führer der Konservativen - und setzt seine Religiosität im Wahlkampf ein. Die Rhetorik des Vaters von sechs Kindern mag Beobachtern aus "glaubensfernen" Ländern Europas als bizarr erscheinen - doch in den USA, wo Kirchen am Sonntag gut gefüllt sind, hat das Thema Religion und Glauben einen enormen Stellenwert.
Erzkonservative Positionen besetzt Santorum etwa in der Bildungspolitik. Kürzlich bezeichnete er staatliche Schulen als "Fabriken" und verwies auf das 19. Jahrhundert, als viele Amerikaner ihre Kinder noch zu Hause erzogen. Wie die "New York Times" daraufhin berichtete, hat Santorum auch einige seiner Kinder zu Hause unterrichtet.
Gegen Abtreibung, Homo-Ehe, etc.
Weitere zugkräftige Dauerthemen der Konservativen in den USA sind Verhütung und Abtreibung. Santorums Argumentation: Schwangerschafts- und Vorsorgeuntersuchungen "führen zu mehr Abtreibungen", weil schwere Erbkrankheiten schon beim Fötus im Mutterleib entdeckt werden können. Für Santorum bedeutet dies, "dass wir den Bestand der Behinderten in unserer Gesellschaft ausmerzen".
Zugleich verbindet er dies mit einer Breitseite gegen den Präsidenten und die bei den Konservativen verhassten "Eliten" in Washington. Wörtlich: "Dies ist Teil von Obamacare (der Gesundheitsreform), eine weitere versteckte Botschaft, was Präsident Obama über diejenigen denkt, die weniger fähig sind als die Eliten, die unser Land regieren wollen."
Die "Washington Post" spricht von einer neuartigen Wahlkampfstrategie Santorums: Es gelinge ihm offenbar, "Religion in seine Botschaft einzubauen". Santorum "setzt darauf, dass die Amerikaner einen Präsidenten wollen, der Religion nicht nur zur Inspiration nutzt, sondern auch zum politischen Urteil".
Santorum hat sich auch zum heimlichen Favoriten der populistischen Tea-Party-Bewegung gemausert, die das moderate Partei-Establishment der Republikaner schwer unter Druck setzt. Das gemeinsame Credo: Gegen das "Big Government", für weniger Staat und weniger Steuern. Gegen Abtreibung, gegen Homo-Ehe, gegen alternative Energien, gegen engagierten Umweltschutz. So hat Santorum die Theorie vom Klimawandel schon einmal als "Ente" verspottet. Und mit Blick auf Obamas Umweltpolitik meinte er jüngst: "Die Menschen sind nicht hier, um der Erde zu dienen. Die Erde ist nicht das Ziel. Das Ziel sind die Menschen."
Ungewollte Hilfe für Barack Obama?
Doch die Ironie an der Geschichte: Die neue konservative Welle könnte Obama sogar nutzen. Die Wahlhelfer im Weißen Haus kalkulieren, dass Santorum mit seinen Sprüchen zwar die Herzen von rechten Republikanern erwärmen kann - doch die Präsidentenwahlen im November würden die eher pragmatischen Wechselwähler entscheiden.
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