„Sitzen beim Arzt …“

Falschaussagen zu Asyldebatte: Merz unter Druck

Ausland
28.09.2023 12:46

Einmal mehr muss sich der deutsche CDU-Vorsitzende Friedrich Merz aufgrund einer Aussage ordentlich Kritik gefallen lassen. Konkret hat er diesmal einen inhaltlich falschen Vergleich als Vorwand zur Eindämmung sogenannter irregulärer Migration angestrengt. Die SPD wirft ihm nun „erbärmlichen Populismus“ vor.

„Die werden doch wahnsinnig, die Leute, wenn die sehen, dass 300.000 Asylbewerber abgelehnt sind, nicht ausreisen, die vollen Leistungen bekommen, die volle Heilfürsorge bekommen“, sagte Merz im „Welt-Talk“ des Fernsehsenders Welt und greift damit ein Pseudoargument auf, das zuvor schon die AfD propagiert hat.

Merz spricht von „massiven Faktoren“
„Die sitzen beim Arzt und lassen sich die Zähne neu machen, und die deutschen Bürger nebendran kriegen keine Termine“, behauptete Merz, dessen Aussage auch via Twitter (X) verbreitet wurde. „Wir müssen über die Pull-Faktoren sprechen, die hier in Deutschland wirken. Wir haben massive Faktoren, die dazu führen, dass über 30 Prozent der Asylbewerber aus ganz Europa nach Deutschland kommen“, sagte er demnach.

Mit Pull-Faktoren meint Merz eine behauptete Sogwirkung auf Migrantinnen und Migranten. Etliche Expertinnen und Experten beim Thema Flucht und Migration sehen das anders: Menschen verlassen ihre Heimat und begeben sich auf gefährliche Routen beispielsweise durch Wüsten und übers Meer, weil sie keine Aussicht auf ein würdevolles Leben haben, weil sie vor Krieg flüchten, vor Gewalt und Unterdrückung durch staatliche Kräfte oder aufständische Gruppen.

Politisches Kleingeld „auf dem Rücken der Schwächsten“
Merz warf der deutschen Koalition (SPD, Grünen, FDP) vor, nicht zu handeln. „Was Sie hier machen, ist eine Katastrophe für dieses Land.“ Innenminister Nancy Faeser, SPD-Spitzenkandidatin für die Wahl im Bundesland Hessen in eineinhalb Wochen, widersprach umgehend. „Das ist erbärmlicher Populismus auf dem Rücken der Schwächsten.“

„Wer so spricht, spielt Menschen gegeneinander aus und stärkt nur die AfD“, twitterte sie. „Und es ist falsch: Denn Asylsuchende werden nur behandelt, wenn sie akut erkrankt sind oder unter Schmerzen leiden.“

Behandlung nur bei akuten Erkrankungen und Schmerzen
Im deutschen Asylbewerberleistungsgesetz heißt es in Paragraf 4 zu Leistungen bei Krankheit: „Zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände sind die erforderliche ärztliche und zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Arznei- und Verbandsmitteln sowie sonstiger zur Genesung, zur Besserung oder zur Linderung von Krankheiten oder Krankheitsfolgen erforderlichen Leistungen zu gewähren.“ Eingeschränkt wird: „Eine Versorgung mit Zahnersatz erfolgt nur, soweit dies im Einzelfall aus medizinischen Gründen unaufschiebbar ist.“

Anders sieht es jedoch nach den ersten 18 Monaten des Aufenthalts aus, der sogenannten Wartezeit: Ab dann werden Asylbewerberinnen und Asylbewerber von den gesetzlichen Krankenkassen betreut. „Sie erhalten eine elektronische Gesundheitskarte, mit der Sie nahezu dieselben Leistungen erhalten wie gesetzlich Krankenversicherte“, heißt es dazu auf der Homepage des Spitzenverbands der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV).

Kritik auch aus eigener Partei
Auch aus Merz‘ eigener Partei kommt Kritik: So twitterte der ehemalige Ministerpräsident des Saarlandes, Tobias Hans: „Dieser Debattenbeitrag bringt uns keinen Schritt weiter. Wir müssen als Demokraten sachlich und verantwortungsvoll miteinander diskutieren und nicht negative Stimmungen weiter anheizen und gar Falsches verbreiten. Auch wenn ich mich wiederhole: damit wird die AfD nicht kleiner.“ In Umfragen liegt die „Alternative für Deutschland“ bundesweit - je nach Institut - bei 21 Prozent und darüber.

Grüne: Für „Vorsitzenden einer Volkspartei unwürdig“
Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) spricht von „Hetze gegen Ausländer“. Deutschland sei außerdem auf Ärztinnen und Ärzte aus dem Ausland angewiesen. Die Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang schrieb auf Twitter (X): „Friedrich Merz spielt ganz bewusst Gruppen gegeneinander aus, verbreitet dabei Falschinformationen. So wird kein einziges Problem gelöst, aber Hass geschürt.“ Das sei eines „Vorsitzenden einer Volkspartei unwürdig“.

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