Fünf Urteile wackeln

Wien-Terror: Prozess könnte neu aufgerollt werden

Wien
22.09.2023 13:07

Der Prozess gegen mehrere mutmaßliche Unterstützer des Wien-Attentäters, der Anfang Februar 2023 am Wiener Landesgericht mit lebenslangen Freiheitsstrafen für zwei Angeklagte und langjährigen Haftstrafen für zwei weitere Männer zu Ende gegangen ist, muss möglicherweise in Teilen wiederholt werden. Das legt jedenfalls eine Stellungnahme der Generalprokuratur nahe.

Wie der Sprecher der Generalprokurator, Martin Ulrich, am Freitag darlegte, kam die Generalprokuratur bei der Prüfung der von den erstinstanzlich verurteilten Männern eingebrachten Nichtigkeitsbeschwerden zum Schluss, dass einem Rechtsmittel teilweise Berechtigung zukommt. Wie Generalanwalt Ulrich betonte, sei davon der Kern der Anklage - die Begehung terroristischer Straftaten in Verbindung mit Beteiligung am Mord - nicht betroffen.

Wirklich eine kriminelle Organisation dahinter?
Es geht um die Tatbestände der terroristischen Vereinigung sowie der kriminellen Organisation, zu denen das schriftliche Urteil einerseits Feststellungsmängel enthalte bzw. den Geschworenen eine möglicherweise irreführende Rechtsbelehrung erteilt wurde, sagte Ulrich.

Wann der Oberste Gerichtshof (OGH), bei dem das Rechtsmittelverfahren seit Mitte April anhängig ist, über die Nichtigkeitsbeschwerden entscheidet, ist noch offen. Gerichtstag wurde dafür noch keiner anberaumt, hieß es seitens des Höchstgerichts. Der OGH ist nicht an die Stellungnahme der Generalprokuratur gebunden, im Regelfall werden die Croquis aber beachtet, da sie von ausgewiesenen Expertinnen und Experten erstellt werden.

„Ich gehe davon aus, dass der Oberste Gerichtshof die Stellungnahme aufgreifen wird“, so Anwalt Elmar Kresbach, Verteidiger des Viertangeklagten im Wiener Terror-Prozess. Er wurde Anfang Februar zu lebenslanger Haft verurteilt, weil er dem Attentäter am Tag der Tat half - auch beim Laden der Waffe. Kresbach hält eine Neudurchführung durchaus für wahrscheinlich: „Manche Formalkriterien passen nicht. Das Delikt der terroristischen Vereinigung bzw. der kriminellen Organisation ist in der rechtlichen Fragestellung ein tückisches Gebiet.“

Jetzt ist Oberster Gerichtshof am Zug
Falls sich der OGH der Rechtsansicht der Generalprokuratur anschließen sollte, wären in Stattgebung einer Nichtigkeitsbeschwerde und aus diesem Anlass hinsichtlich der terroristischen Vereinigung sowie der kriminellen Organisation die Ersturteile in diesem Umfang bei insgesamt fünf Angeklagten aufzuheben. Eine Neudurchführung der Verhandlung wäre anzuordnen, wobei sich diese auf die Fragen zu beschränken hätte, ob die Männer Teil einer terroristischen Vereinigung und einer kriminellen Organisation waren bzw. eine terroristische Vereinigung sowie eine kriminelle Organisation vorlag.

Waffenhändler nicht betroffen
Ausgenommen wäre hier nur der fünftangeklagte Waffenhändler, der dem Wiener Attentäter die Kalaschnikow und die Pistole samt Patronen verkaufte. Er wurde im Wiener Landesgericht zu lebenslanger Haft verurteilt wegen der Beteiligung am Mord und nach dem Waffen- und Kriegsmaterialgesetz. Von einer Zugehörigkeit zu einer terroristischen Vereinigung bzw. kriminellen Organisation wurde er jedoch freigesprochen. 

Zwei weitere Angeklagte wurden von der Begehung terroristische Straftaten in Verbindung mit Beteiligung am Mord freigesprochen. Sie fassten wegen Mitgliedschaft in der radikal-islamistischen Terror-Miliz „Islamischer Staat“ (IS) und Verbreitung von IS-Propagandamaterial nicht rechtskräftige teilbedingte Strafen aus. In diesem Fall würde das gesamte Urteil aufgehoben werden. 

Kern der Anklage nicht betroffen
Nicht mehr verfahrensgegenständlich wären bei drei Männern dagegen die Begehung terroristischer Straftaten in Verbindung mit Beteiligung am Mord - die dazu getroffenen erstgerichtlichen Feststellungen sind nach Ansicht der Generalprokuratur nicht mit Nichtigkeit behaftet. Die Nichtigkeitsbeschwerden dazu wären also abzuweisen.

Verteidiger Elmar Kresbach sieht auch diese Verurteilungen im Falle einer Neudurchführung problematisch. Sollten nämlich in der zweiten Runde Freisprüche ergehen, könne auch das Motiv für die Begehung terroristischer Straftaten wegfallen ... 

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