Zuwanderung sei nicht das wichtigste Thema derzeit, meinte Andreas Babler unlängst. Gerhard Karner (ÖVP) geht jetzt mit der Asylpolitik des neuen SPÖ-Chefs hart ins Gericht: „Er und seine Getreuen sollten das Juso-Kapperl abnehmen und der Realität ins Auge sehen!“, betonte der Innenminister im „Krone“-Interview. Das jüngste Bootsunglück in Griechenland bezeichnete Karner als „Weckruf für härte Regeln“. Und der neue EU-Asylpakt sei ihm zufolge nicht „historisch“.
„Krone“: Herr Minister, in Griechenland ist wieder ein Schlepperboot gekentert, mit wahrscheinlich mehr als 500 Todesopfern. Die EU-Innenminister haben sich auf einen neuen Asylpakt geeinigt, den die Politiker als historisch bezeichnen und die Asylexperten als Augenauswischerei, weil vieles, wie das Festhalten der Flüchtlinge auf den griechischen Inseln, schon möglich ist …
Gerhard Karner: Die Toten von Griechenland sind Weckruf für strengere, schärfere und damit gerechtere Regelungen! Dieses schreckliche Ereignis beweist, dass das derzeitige System kaputt ist. Menschen begeben sich in die Hände von brutalen Schleppern, die Menschen als Ware sehen und denen Tote egal sind. Diesen Kriminellen müssen wir die Geschäftsgrundlage entziehen, das tun wir mit dem Asylpakt. Damit soll verhindert werden, dass sich Menschen auf diesen so oft todbringenden Weg über das Meer machen. Dieser Pakt erfüllt zu einem ordentlichen Teil unsere Forderung nach einer Zurückweisungsrichtlinie, nämlich rascher Menschen ohne Chance auf Asyl zurückzubringen. Und auch die Möglichkeit zu Verfahren außerhalb Europas.
Die gibt es aber nicht. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen war in Tunesien, um einen Vertrag auszuhandeln. Die Tunesier sind an einer Kooperation nicht interessiert. Und die Türkei nimmt seit 2020 keine Flüchtlinge mehr zurück. Also doch Augenauswischerei …
Darum rede ich auch nicht von einem historischen Durchbruch, sondern von einem wichtigen Schritt. Eine Voraussetzung, um strengere, schärfere und gerechtere Verfahren zu schaffen. Wenn es in Österreich als Binnenland 120.000 Asylanträge gibt, und am Mittelmeer im letzten Jahr 2500 Menschen ertrunken sind, dann wissen wir, dass dieses System völlig kaputt ist. Wir haben jetzt die Grundvoraussetzung geschaffen, das System zu reparieren.
Gibt es nur noch das Problem, dass nur 25 von 27 EU-Ländern dabei sind. Ungarn und Polen lehnen den Pakt ab. Gerade Ungarn ist für Österreich ein Problem, wenn es sich nicht an den Pakt hält.
Das wird Aufgabe der Kommission sein. Ein Beschluss ist ein Beschluss, eine Mehrheit ist eine Mehrheit. Wenn es ein Gesetz gibt, haben sich alle daran zu halten. Auch Ungarn. Und das wird Aufgabe der Kommission sein, da erwarte ich mir mehr Anstrengung, auch Ungarn hier zur Verantwortung zu ziehen.
Wir haben schon genug Flüchtlinge aufgenommen und erwarten jetzt endlich eine Entlastung für unser Land.
Gerhard Karner über Europas Asylpolitik
Die neue Einigung sieht auch vor, dass die Flüchtlinge in Europa verteilt werden. Wird Österreich dabei sein oder wird es, wie schon früher, den Standpunkt vertreten, dass wir schon genug Flüchtlinge aufgenommen haben?
Wir haben schon genug aufgenommen und erwarten jetzt endlich eine Entlastung für unser Land. Österreich hatte in den letzten Jahren die zweitmeisten Asylanträge pro Kopf in Europa. Allein im letzten Jahr hat Österreich 112.000 Asylanträge, Deutschland, das zehnmal so groß ist, hatte 240.000 Asylanträge.
Jedoch sind die Flüchtlinge im Vorjahr nicht lange geblieben ...
Auch wenn sie nur zwei Wochen geblieben sind, die Quartiere waren voll. Zelte mussten errichtet werden. Weil die Behörden natürlich mit diesen hohen Zahlen sehr gefordert waren. Ich erwarte mir jetzt, nachdem Österreich massiv solidarisch war, Solidarität von anderen Mitgliedsländern. Auch Ungarn muss seinen Beitrag leisten. Da muss die Kommission darauf schauen, dass sie das tun. Darum verstehe ich es nicht, wenn manche hier gegen diesen strengeren und schärferen Kurs, daher guten Kurs für Österreich, sind.
Soll es Sanktionen gegen Ungarn und Polen geben, wenn sie sich nicht beteiligen?
Da gibt es viele Möglichkeiten, wie die Kommission einschreiten kann. Mit Vertragsverletzungsverfahren, auch die Gelder einzufrieren, das wird ja auch durchgeführt. Wenn es Beschlüsse gibt, müssen diese auch durchgesetzt werden.
Es soll für jeden nicht aufgenommen Flüchtling 22.000 Euro Strafe geben. Ist das nicht zu wenig im Verhältnis zu den Kosten, die ein Flüchtling für den Staat darstellt? Ist das Freikaufen nicht billiger?
Wir reden von Solidarität, nicht von Strafe. Faktum ist, der erste Schritt ist Grenzschutz, der zweite sind schnelle Asylverfahren an der Außengrenze. So zerschlagen wir das Geschäftsmodell der kriminellen Schlepper. Sobald die Maßnahmen greifen, rechne ich mit einer klar geregelten Migration und sinkenden Zahlen. Alle Länder haben auf der anderen Seite das Thema, wie komme ich zu Arbeitskräften? Durch Abkommen wie mit Indien, wo die Rückführung illegaler Migranten geregelt ist und die andererseits Möglichkeiten für geeignete Arbeitskräfte, die wir brauchen, beinhalten.
Wenn ich mir die politischen Aussagen anhöre, habe ich den Eindruck: Er ist nicht in der Realität angekommen.
Gerhard Karner über Andreas Babler
Aber ganz konkret gefragt: Was passiert mit einer Familie aus Ägypten, die einen negativen Asyl-Bescheid an der Außengrenze bekommt? Die Ägypter nehmen Flüchtlinge auch nicht zurück. Reist die Familie dann als Rechtlose in der EU herum?
Wir müssen jetzt Schritt für Schritt vorgehen. Wir haben jetzt acht Jahre für eine Einigung für einen Asyl- und Migrationspakt gebraucht. Noch vor sechs Monaten war das unvorstellbar, dass es diese Einigung geben wird. Jetzt geht es darum, diese Dinge mit Leben zu erfüllen. Da werden viele europäische Rechtsexperten darüber beraten, wie man das menschenrechtskonform, ordentlich, gerecht und streng lösen kann. Wer kein Recht auf Asyl hat, kann auch nicht bleiben.
Zwölf Wochen dürfen die Menschen dann an den Registrierzentren an der Außengrenze festgehalten werden. Ist das nicht lange, um eine Art Asylvorprüfung durchzuführen?
Wir haben auch die Möglichkeit bei uns, die Menschen 72 Stunden festzuhalten. Man muss Fingerprints und viele andere Daten aufnehmen. Wenn man sagt ‘haftähnlich‘, dann soll das haftähnlich sein. Denn wenn man registrieren will, ein rasches Verfahren abwickeln will, dann brauche ich die Menschen vor Ort und kann sie nicht weiterziehen lassen. Vergangenes Jahr hat man gesehen, wie entscheidend solche Registrierungsstellen an den Außengrenzen sind. Etwa als plötzlich Inder über Belgrad in die EU kamen. Hier wäre es wichtig gewesen, gleich in Belgrad sagen zu können, sie haben keine Chance auf Asyl, keine Chance nach Europa zu kommen.
Sie sind also einverstanden, wenn die Flüchtlinge Minimum 72 Stunden genommen werden können.
Auch länger, es ist im Vorschlag auch länger vorgesehen. Es geht darum, Menschen festzuhalten, damit man das Verfahren durchführen kann. Wie man das nennt, wenn man Menschen festhält, das ist ja fast eine philosophische Diskussion. Es geht darum, Verfahren rasch durchführen zu können.
Wenn das Thema Migration fällt, dann fällt einem auch der neue SPÖ-Chef Andreas Babler ein, der Bürgermeister in Traiskirchen ist. Wie haben Sie bis jetzt mit ihm zusammengearbeitet?
Wenn ich mir die politischen Aussagen so anhöre in den letzten Tagen und Jahren, habe ich den Eindruck, er hat noch immer das Juso-Kapperl (sozialistische Jugendorganisation, Anm.) auf. Jetzt wird es Zeit, dass er in der Realität ankommt, damit man auch Dinge vernünftig besprechen kann. Er hat mit dem „Lager Traiskirchen“ immer wieder Politik gemacht. So hat er behauptet, dass es dort Kinder gebe, die keine Schuhe haben und er daher Schuhe sammeln und spenden musste. Das weise ich zurück, weil die Bundesbetreuung natürlich dafür sorgt, dass es in Traiskirchen für die, die dort untergebracht sind, ausreichend Essen, Schuhe und Kleidung gibt.
Also unterstellen Sie ihm Populismus?
Es bleibt dabei: Er und seine Getreuen sollten das Juso-Kapperl abnehmen und der Realität ins Auge sehen.
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