Bei Berlin-Besuch
Erdogan: “Fühlen uns von Deutschen im Stich gelassen”
"Die deutsche Politik würdigt die Verflechtung der Türken in Deutschland nicht genug", sagte Erdogan (im Bild mit dem deutschen Bundespräsidenten Christian Wulff) der "Bild"-Zeitung im Vorfeld eines Festaktes der deutschen Regierung zum 50. Jahrestag des deutsch-türkischen Anwerbeabkommens.
Die Bundesrepublik hatte am 30. Oktober 1961 das Anwerbeabkommen mit der Türkei geschlossen, um dringend benötigte Arbeitskräfte nach Deutschland zu holen. Viele der damaligen Gastarbeiter holten ihre Familien nach. Heute leben in Deutschland mehr als 2,5 Millionen Menschen mit türkischen Wurzeln.
Vorwurf der Menschenrechtsverletzung
Erdogan plädierte auch für eine doppelte Staatsbürgerschaft für Türken und türkischstämmige Menschen in Deutschland. "Wenn ein EU-Land wie Frankreich dies schafft, warum kann es Deutschland nicht?", fragte der türkische Regierungschef.
Zudem wandte sich Erdogan in scharfer Form gegen die verlangten Deutschkenntnisse für den Zuzug von Familienangehörigen. "Wer Deutschkenntnisse zur wichtigsten Voraussetzung erklärt, verletzt die Menschenrechte." Junge Türken sollten zuerst Türkisch lernen, meinte der Premier.
Bei einem Empfang am Dienstagabend richtete Erdogan den in Deutschland lebenden Türken aus, sie sollten unbedingt Deutsch lernen, aber ihre Muttersprache nicht vergessen. "Es ist nun an der Zeit für Erfolgsgeschichten und nicht mehr für sehnsuchtsvolle Heimatgeschichten."
Erdogan: "Keiner kann Türkei-Wachstum aufhalten"
Erdogan wurde von den rund 1.000 geladenen Gästen mit Ovationen begrüßt. Er nutzte seinen Auftritt, um auf die Stärke seines Landes hinzuweisen: "Keiner kann das Wachstum und Voranschreiten der Türkei aufhalten."
In der Rede kritisierte der Premier zudem jede Unterstützung für die verbotene Kurdische Arbeiterpartei: "Nicht nur die Terrororganisation ist verantwortlich, sondern auch jene, die diese geistig und finanziell unterstützen, sind verantwortlich."
Berlin weist Vorwürfe zurück: "Kontraproduktiv"
Erdogans Kritik an Deutschland sorgte in der deutschen Regierung für Verärgerung. Staatsministerin Maria Böhmer sagte dazu am Mittwoch: "Die Interview-Äußerungen Erdogans sind kontraproduktiv für die Integration der türkischstämmigen Migranten in Deutschland." Böhmer, Migrationsbeauftragte der Regierung, forderte, der türkische Staat müsse lernen, die Migranten "loszulassen".
Auch Innenminister Hans-Peter Friedrich widersprach Erdogan. Er unterstrich, die erste Sprache junger Türken in der Bundesrepublik müsse Deutsch und nicht Türkisch sein.
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