SPOÖ-Chef im Gespräch

„Wir müssen offen sagen, wie ernst die Lage ist“

Oberösterreich
02.08.2022 17:00

Er soll schaffen, woran mehrere seiner Vorgänger gescheitert sind: Michael Lindner, seit Februar geschäftsführender Vorsitzender der SPÖ OÖ, tritt an, um seine Partei aus dem Jammertal zu holen. Krisen sind dem 39-jährigen Mühlviertler nicht fremd, sie dominieren auch das „OÖ Krone“-Sommergespräch.

„OÖ Krone“:Corona, Rekord-Inflation, Fachkräftemangel: Haben Sie den schlechtesten Zeitpunkt gewählt, um den Vorsitz der SPÖ OÖ zu übernehmen?
Michael Lindner: Gerade in Zeiten von Mehrfachkrisen, wenn die Menschen am Verzweifeln sind, braucht es eine starke, ausgleichende Sozialdemokratie. Es ist also ein guter Zeitpunkt, um zu beweisen, dass es eine Partei gibt, die auf einen sozialen Ausgleich und auf eine stärkere Unterstützung der breiten Gesellschaftsschichten abzielt.

Wie passt das zur Tatsache, dass die Menschen gerade darauf eingeschworen werden, dass im Winter womöglich Wohnungen, Schulen und Büros nicht mehr beheizt werden können?
Die Teuerung löst Unsicherheit und Zukunftsängste aus. Sie zeigt aber auch, dass das, was uns jahrzehntelang die neoliberalen Ideologen eingeredet haben – nämlich, dass mehr privat gut sei – gescheitert ist. In diesen Krisen kommen wir drauf, dass es einen starken, aktiven, unterstützenden Staat braucht.

Ist es an der Zeit, den Menschen zu sagen: „Ihr werdet euch künftig nicht mehr alles leisten können, das Leben, wie wir es bisher kannten, ist vorerst einmal vorbei.“?
Erste Aufgabe ist es, mit breiten Entlastungsmaßnahmen Sicherheit zu schaffen. Zweiter Schritt: Auf Landesebene nachlegen und endlich ein Landespaket auf den Tisch zu bringen. Wir müssen aber den Menschen auch wirklich offen sagen, wie ernst die Situation ist. Auf Bundesebene vermisse ich diese klaren Worte. Die Menschen sind mündig genug, dass sie wissen wollen, was auf sie zukommt.

Wie lauten Ihre offenen Worte? Wie ernst ist es?
Meine Worte lauten: Wir werden alles unternehmen, um das Leben für euch leistbar zu machen. Wir gehen davon aus, dass auch im Lebensmittelbereich die Kostensteigerungen durch die Decke gehen werden, weil mir Lebensmittelkonzerne erzählt haben, dass diese Energiepreissteigerungen der letzten Monate im Lebensmittelbereich noch gar nicht eingepreist sind. Wir sehen jetzt plus 18,8 Prozent Inflation beim täglichen Warenbedarf – das trifft natürlich mittlerweile auch den breiten Mittelstand.

Was sind hier Ihre Lösungsansätze?
Die Bundesregierung ist gefordert, die großen Maßnahmen zu setzen: Aussetzen und senken der Mehrwertsteuer auf lebensnotwendige Dinge; Energiegrundsicherung, dass der normale Haushaltsverbrauch von Energie zu Herstellungskosten zur Verfügung gestellt wird. Auf Landesebene haben wir die Möglichkeit, sozial auszugleichen. Wir haben vorgeschlagen, den Heizkostenzuschuss zu verdoppeln und den Bezieherkreis auszuweiten; dasselbe bei der Wohnbeihilfe; einen Klima- und Sozialfonds für offen gebliebene Energierechnungen. Es wird auch notwendig sein, die Sozialleistungen des Landes an die Inflation anzupassen.

Wir versuchen herauszufinden, wie realitätsnah Politiker sind – bitte um eine spontane Antwort: Eine vierköpfige Familie konsumiert in einem gutbürgerlichen Wirtshaus zwei Hauptspeisen, zwei Kindergerichte und je ein Getränk. Welcher Betrag steht am Ende auf der Rechnung?
Da bewegen wir uns mittlerweile bei 80 bis 90 Euro.

Unsere Familie hat insgesamt 58,10 Euro bezahlt.
(Wirkt überrascht) Okay, ich hab’ Vor- und Nachspeise auch noch gerechnet.

Krisen sind der SPÖ in OÖ ja nicht fremd: Seit 2009 gab es eine Wahlniederlage nach der anderen. Ihr Rezept dagegen ist es, die Parteimitglieder stärker in Entscheidungen einzubinden. Reicht das für eine Kehrtwende?
Die alleinige Beschäftigung mit uns als Partei selbst reicht natürlich nicht. Ich will die Partei wieder zu einer echten politischen Alternative machen und zu einer Mitmachpartei. Deshalb werden wir ab Herbst auch zu den großen Zukunftsthemen unseres Bundeslandes einen Mitmachprozess einleiten.

Die Corona-Quarantäne ist nun Geschichte. Ist das der richtige Weg?
Damit werden offenbar bewusst massive Infektionsketten in Kauf genommen. Damit einher geht das Risiko, dass sich der Ausfall von Arbeitskräften noch mehr verschärft. Besonders, da die Situation in den Krankenhäusern bereits wieder krisenhaft ist, ist die Entscheidung für mich nicht nachvollziehbar.

Der Tod jener Ärztin, die von Impf-Kritikern bedroht worden ist, schlägt derzeit hohe Wellen. Haben in diesem Fall Ihrer Meinung nach die Behörden in OÖ versagt?
Wenn sich jemand nach monatelangen Drohungen das Leben nimmt, muss natürlich hinterfragt werden, ob wirklich alles für diesen Menschen getan wurde oder mehr hätte getan werden müssen. Jetzt braucht es eine präzise und transparente Aufarbeitung – auch bei den Sicherheitsbehörden.

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