Wer hatte sie zuerst?

Gekaperte Anträge: „Piraterie“ in Tirols Politik

Tirol
29.06.2022 19:00

Wer hatte die Idee? Wer findet die Mehrheit? Und wer setzt was um? Politik ist Team-Arbeit, zumindest in einer Demokratie. Nur von Team-Arbeit ist in den Presseaussendungen oft nicht mehr viel zu lesen.

Ein Politiker hat eigentlich zwei Jobs: Arbeiten, sprich Anträge einbringen, Gesetze machen, „Geld verteilen“. Dafür wurde er gewählt. Wobei einen Hauptteil der politischen Arbeit die Beamtenschaft erledigt. Der andere Job ist: Über seine Arbeit zu reden. „Politische Kommunikation“ heißt das, läuft meist sehr professionell ab und hat viel mit Darstellung zu tun. Bei der gebotenen Darstellung erlauben sich manche jedoch einige Freiheiten.

Unter fremden Flaggen in die Öffentlichkeit segeln
Am Anfang jedes Beschlusses steht ein Antrag. Diese reichen von A wie „Autofreie Innenstadt“ bis Z wie „Zebrastreifen in Regenbogenfarben“. Geht der Antrag durch, kommt oft sogleich die Meldung an Medien und Öffentlichkeit. Von „Erfolgen“ ist dann die Rede und „Einsatz für die Bevölkerung“. Doch es soll vorkommen, dass sich manch eine Fraktion einen „Erfolg“ auf die Fahnen heftet, den sie gar nicht für sich verbuchen dürfte. Die „Tiroler Krone“ hat im Innsbrucker Gemeinderat und Tiroler Landtag nachgefragt, wie oft dieses „Kapern“ von Anträgen vorkommt. Wenig überraschend kommt es laut den Politikern sogar sehr oft vor. Auch mit abgeänderten Anträgen scheinen sich vor allem die Regierungsparteien sehr gerne zu schmücken.

Und plötzlich steht ein anderer Name darunter
„Ich habe den Antrag zur Teuerung auf Verdoppelung des Zuschusses eingebracht. Aus den Medien habe ich dann erfahren, dass der Antrag im Stadtsenat angenommen wurde, was positiv ist. Nur hat ihn Vizebürgermeister Johannes Anzengruber als seinen Antrag verkauft“, sagt beispielsweise GR Mesut Onay. Die Neos sahen auf „ihrem“ gratis Schwimmunterricht für Kinder plötzlich einen SPÖ-Stempel. Diese wiederum kann nicht verstehen, warum die Neos „ihren“ Bildungsservice auf Instagram postet. Außerdem sehen die Roten die flächendeckende Tempo-30-Beschränkung im Stadtgebiet durch die Grünen gekapert.

„Eitle Gockeln schmücken sich mit fremden Federn“
Die Anschaffung von Bodycams wurde laut SPÖ von der Volkspartei gekapert. Ähnliches im Tiroler Landtag: Die Liste Fritz wird von der VP bezichtigt, die Überbauung von Supermärkten gekapert zu haben, die Liste Fritz wiederum wirft Selbiges den Grünen vor – der Antrag sei unsinnig abgeändert worden und – zack, zack, zack – war der grüne Stempel darauf. „Nur eitle Gockeln schmücken sich mit fremden Federn“, meint dazu Markus Sint, Klubchef der Liste Fritz. Es seien insbesondere die Regierungsparteien, die Ideen kapern. Das sagt auch die FPÖ, es habe immer wieder Initiativen gegeben, die nach Jahren umgesetzt wurden, wie etwa die Forderung, das Suchtkonzept zu adaptieren. Die Neos werfen der Liste Fritz „mediale Verwertung“ ihrer „Exekution durch die Tourismusabteilung“ vor.

Geklaute Anträge sind unser aller Anträge?
Immerhin, könnte man meinen, wenn einer die Idee eines anderen „klaut“, dann sind immerhin mehrere Politiker, die für die gleiche Sache einstehen. Das sehen auch einige der Politiker so: „Jeder, der sich mit Politik auskennt, weiß, es geht nicht um Überschriften von Anträgen oder Kurzmeldungen, die Kunst liegt im Umsetzen und dazu gehört auch das Gewinnen von Mehrheiten“, meint etwa Elisabeth Mayr (SPÖ). Auch das Gerechte Innsbruck könne gut damit leben, wenn man sich mit ihren Federn schmücke, was zähle ist, dass Projekte umgesetzt werden.

Aus dem Land kommen von Klubobmann Gebi Mair (Grüne) ähnliche Töne: „Ja, selbstverständlich werden Anträge weiterentwickelt [...] Das ist lebendiger Diskurs, wer’s erfunden hat, ist ja nicht so wichtig.“ Klubobmann Dominik Oberhofer (Neos) kenne keinen medialen Futterneid, er sehe es als Kompliment, wenn andere Fraktionen seine Ideen aufgreifen. „Es ist ja logisch, dass eine 5-Prozent-Partei nicht alleine Gesetze beschließen kann.“ Aber hier darf man freilich nicht vergessen: Auch das ist politische Kommunikation.

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