Einer der Plug-in-Hybride mit der größten elektrischen Reichweite ist ausgerechnet ein tonnenschweres Luxusschiff: die S-Klasse. Mercedes verspricht, dass der S 580e weit über 100 Kilometer weit kommt, ohne auch nur einen einzigen Tropfen Sprit anzuzünden. Und das bei vollem Luxus und ohne Verzicht. „Krone“-Motorredakteur Stephan Schätzl hat die Probe aufs Exempel gemacht - seine Eindrücke (gute wie schlechte) hier im Video!
Elektrischer Luxus heißt beim Daimler entweder EQS oder S-Klasse-PHEV. Während der EQS spaciger aussieht und alles, selbst den Komfort und das Platzangebot der elektrischen Optimierung unterordnet, ist es bei der S(tecker)-Klasse andersherum. 108 Kilometer Normreichweite werden nur unter Idealbedingungen erreicht, alles Weitere regelt der Reihensechszylinder namens M 256 aus dem S 450. Dessen 367 PS werden per Elektromotor auf 510 PS hochergänzt, 750 Nm Systemdrehmoment werden über die Neungangautomatik in Richtung der (optional gelenkten) Hinterräder geschickt (oder im Fall der 4matic-Version an alle vier Räder). Auf sich allein gestellt liefert die permanenterregte Synchronmaschine 110 kW/150 PS und ermöglicht ein Höchsttempo von 140 km/h.
Sehr flacher Kofferraum
Das Akkupaket im Heck weist eine Bruttokapazität von 28,6 Kilowattstunden, auf 25 davon sind nutzbar. Anders als beim Vorgänger verursacht die Batterie keine Stufe im Kofferraum, allerdings liegt der Ladeboden relativ hoch und verringert das Kofferraumvolumen auf 350 Liter. Die Rücksitzlehnen sind nicht umklappbar, es gibt lediglich eine Durchladeklappe.
Laden liegt der Hybrid-S-Klasse also nur am Kabel, allerdings nur optional: Dann lässt sich der nämlich per Gleichstrom mit bis zu 60 kW Ladeleistung füllen. Serienmäßig sind es lediglich 11 kW Wechselstrom. Was wiederum zum mickrigen Laderaum passt.
Starker Vortrieb, behäbig in Kurven
Opulent geht hingegen der Antrieb zu Werke. In 5,2 Sekunden ist aus dem Stand Tempo 100 erreicht, 250 km/h Abregel-Vmax ist obligatorisch. Der Sechszylinder ist durchaus präsent, seidig und kraftvoll. Seine Geräuschkulisse könnte einige davon abhalten, einen EQS zu kaufen und stattdessen lieber die S-Klasse zu ordern.
Wer nicht mehr als 83 Kilometer weit fährt (so weit kam der Testwagen im gemischten Verkehr), braucht auch im PHEV keinen Sprit. Ist der Akku leer, ist der Benzinverbrauch erstaunlich unorbitant: 8,5 l/100 km sind kein Schneckenwerk.
Missbraucht man das Schiff als Sportwagen, zeigt der Bordcomputer jedoch deutlich zweistellige Werte an. Außerdem braucht man solide Magennerven und ein erfahrenes Händchen, denn die 2452 Kilogramm Leergewicht des Testwagens (ergänzt um das Gewicht des Fahrers) wollen gebändigt sein, was angesichts des erfolgreich auf Komfort ausgelegten Fahrwerks eine Herausforderung ist. Selbst dann, wenn man den Sportmodus des serienmäßigen Luftfahrwerks aktiviert. Strebt man häufiger nach dynamischeren Erlebnissen, möge man den aktiven Wankausgleich mitbestellen. Das offizielle DIN-Leergewicht beträgt 2310 kg.
Was gegen die PHEV-S-Klasse spricht (aber auch gegen den EQS) ist die seltsame Bremse. Wie bei PHEVs üblich kombiniert sie die Bremswirkung aus Rekuperation und Scheibenbremsen. Aber: Sie hat nicht nur einen seltsamen Druckpunkt, sondern vor allem führt das Bremspedal ein Eigenleben. Wenn man vom Gas geht und der Elektromotor rekuperiert (und das Auto dadurch abbremst), zieht sich das Pedal selbsttätig zurück, als wenn der Fahrer drauftreten würde. Das ist gewöhnungsbedürftig und macht das Bremsen ungeschmeidig.
In welchem Maß der Wagen rekuperiert, lässt sich im Elektro- und im Hybridmodus über die Lenkradpaddles einstellen, in drei Stufen plus Automatik-Modus. Im Sportmodus hat man diese Möglichkeit nicht. Stattdessen fungieren die Paddles als Schaltpaddles zur manuellen Bedienung des Automatikgetriebes.
In welchem Maß der Fahrer wiederum den Akku extern auflädt, obliegt ganz ihm. Fakt ist: Zu viele Plug-in-Hybride fahren ausschließlich oder hauptsächlich mit Sprit, weil ihre Besitzer bzw. Flottenbetreiber sie vor allem aus finanziellen Gründen (Förderung) gekauft haben. Die PHEV-S-Klasse macht es einem aber wirklich leicht, sie artgerecht zu verwenden. Einerseits durch ernstzunehmende elektrische Reichweite, andererseits durch die Möglichkeit der Schnellladung (optional).
Der Basispreis des S 580e in der Langversion mit Heckantrieb beträgt 132.500 Euro. Der entsprechende S 450 (mit dem gleichen Motor, aber ohne Hybridantrieb) ist rund 6000 Euro günstiger - bei ähnlichen Fahrleistungen, aber um fast 395 kg geringerem Leergewicht.
Unterm Strich:
Mehr als 100 Kilometer elektrische Reichweite sind im Alltagsbetrieb nicht realistisch, trotzdem haben wir hier endlich einen PHEV mit ernstzunehmender Reichweite. Der Aufpreis ist überschaubar (steigt aber durch die Schnelllademöglichkeit weiter), aber das deutlich höhere Gewicht wirkt sich deutlich aufs Fahrverhalten aus. Benziner, Plug-in oder EQS? Die Entscheidung dürfte leicht fallen - je nach Anforderungen.
Warum?
Gute elektrische Reichweite
Seidiger Verbrenner
Schnelllademöglichkeit
Voller Luxus
Warum nicht?
Hohes Gewicht
Schnellladefunktion nur optional
Oder vielleicht …
… BMW 7er, Mercedes EQS, Mercedes S 450
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