Mit einer umstrittenen Gesichtserkennungs-Datenbank, die an mehr als 3000 US-Behörden lizenziert wird, hat das bis vor zwei Jahren kaum bekannte Start-up Clearview AI für einen weltweiten Aufschrei gesorgt: Die benötigten Fotos hat man heimlich und ohne Zustimmung der Nutzer oder der Website-Betreiber in den sozialen Medien gesammelt. Nun sorgt die Firma abermals für Wirbel: In einer Präsentation für Investoren behauptet man, bereits „fast jeden auf der Welt“ identifizieren zu können.
Damit die Erkennungsleistung noch steigt, soll die Gesichtserkennungs-Datenbank von 10 auf 100 Milliarden Fotos anwachsen, berichtet Golem.de unter Berufung auf eine interne Präsentation, die der „Washington Post“ vorliegt. Darin stellt das Management von Clearview AI in Aussicht, binnen eines Jahres 100 Milliarden Fotos zur Verfügung zu haben.
Firma wirbt um Investoren
Für den Ausbau der Datenbank und um Lobbyisten auf Politiker anzusetzen, damit diese „eine günstige Regulierung“ gewährleisten, wirbt das Unternehmen bei Investoren um 50 Millionen US-Dollar. Würde die Zahl der Fotos auf 100 Milliarden gesteigert, hätte die US-Firma von jedem Menschen auf der Welt durchschnittlich 14 Fotos gespeichert.
In der Präsentation skizziert das Überwachungsunternehmen auch mögliche neue Geschäftsfelder. So wolle man in die Autokennzeichen-Erkennung expandieren, Personen auf Videos anhand ihrer Gangart erkennen, auf Basis des Hintergrunds eines Fotos den Entstehungsort ausforschen und mittels eines „berührungslosen Fingerabdrucks“ Personen aus der Ferne identifizieren. Auch eine „Echtzeiterkennung“, die von der Firma in Abrede gestellt wurde, wird erwähnt.
Gesichtserkennung in der „Gig Economy“?
Lizenzieren will man die Technologie offenbar nicht nur an staatliche Stellen, die bereits auf die Datenbank zugreifen, sondern auch an Privatunternehmen. So wird beispielsweise vorgeschlagen, mithilfe der Technik Arbeiter der „Gig Economy“ - also etwa Uber-Fahrer oder Essenskuriere - zu überwachen. Clearview AI wittert im zögerlichen Umgang größerer Rivalen mit dem Thema Gesichtserkennung eine „unternehmerische Chance“.
Mit der Präsentation konfrontiert, relativiert das Management. Wohl auch, weil man juristisch unter Druck steht. In den USA wurde eine Sammelklage gegen Clearview AI eingebracht, in der dem Unternehmen vorgeworfen wird, die Fotos von Social-Media-Nutzern ohne Zustimmung zu verwenden. Auch in Europa beobachten Datenschützer das Treiben des Unternehmens, das unter anderem die US-Bundespolizei FBI, den US-Heimatschutz und das US-Militär zu seinen Kunden zählt, mit großer Sorge.
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