Pakistan trotzt USA

Osama bin Laden: Teufel oder Terror-Pensionist?

Ausland
08.05.2011 18:25
Es ist nicht nur ein Streit um die Bedeutung Osama bin Ladens im internationalen Terrorismus, sondern auch um Milliarden an Fördergeldern, die von den Vereinigten Staaten in das verbündete Pakistan fließen. Seit ein US-Kommando vor einer Woche den Al-Kaida-Anführer in einem Haus im pakistanischen Abbottabad erschossen hat, steht die Führung des Landes unter Druck. Wie konnte es passieren, dass der Terrorpate dort jahrelang unerkannt lebte? Weil er als alternder Terrorist keine Rolle mehr gespielt habe, lautet die neueste Erklärung, die Pakistan zu etablieren versucht.

Dass Bin Laden das Terrornetzwerk Al-Kaida bis zum Schluss aus seinem Versteck in Abbottabad kommandiert hat, wie dies US-Geheimdienste am Samstag bekräftigten, weist Pakistan als "lächerlich" zurück. "Absoluter Quatsch", sagte am Sonntag ein Vertreter der Sicherheitskräfte der Nachrichtenagentur Reuters.

Im "Krieg der Argumente" zwischen Washington und Islamabad wird nun jedes neu bekannt gewordene Detail über Bin Ladens letzte Lebensjahre instrumentalisiert. In dem Haus in Abbottabad gab es weder Telefon noch Internet, schon allein deswegen bezweifle Pakistan, dass Bin Laden von dort aus die Al-Kaida leitete, meinte der laut Reuters hochrangige Vertreter des pakistanischen Geheimdienstes. Laut US-Angaben steuerte Bin Laden die Bewegungen der Al-Kaida aber über seine zwei (beim Einsatz getöteten) Kuriere, die Anweisungen meist direkt an regionale Anführer überbrachten. So kamen die USA nach eigener Darstellung letztendlich auch auf die Spur zu dem Anwesen in Abbottabad.

Aus anonymen Stellungnahmen amerikanischer Militärs ging in den letzten Tagen außerdem hervor, dass die Kuriere Handys besaßen und sich für Telefonate immer stets eine Autostunde vom Haus entfernten, erst dort den Akku ins Telefon einlegten und dann kommunizierten. Kabelfernsehen brauchte Bin Laden nicht, am Dach des Anwesens waren mehrere Satellitenschüsseln montiert.

Pakistan von US-Milliarden abhängig
Pakistan ist von milliardenschweren US-Finanzhilfen abhängig und steht stark unter Druck, den Amerikanern zu erklären, wie Bin Laden so viele Jahre unentdeckt bleiben konnte: Die Garnisonsstadt Abbottabad liegt nur etwa 50 Kilometer von der Hauptstadt Islamabad entfernt, wo sich auch das Hauptquartier des pakistanischen Geheimdienstes befindet. Experten zufolge verstärkt sich der Verdacht, dass Pakistans weit verbreiteter Geheimdienst ISI, der schon lange Kontakte zu Extremistengruppen pflegt, womöglich auch Verbindungen zu Bin Laden unterhielt bzw. einige seiner Mitarbeiter die Bewegungen des Terrorpatens und seines Gefolges in Pakistan deckten.

Bin Laden könnte sich seit mehr als sieben Jahren in Pakistan aufgehalten haben. Nach seiner Flucht aus den afghanischen Bergen soll er mit seinem Gefolge und mehreren Ehefrauen und Kindern in einem Dorf in der Grenzregion gelebt haben, bevor er dann 2005 in das zur Festung umgebaute Haus in Abbottabad zog. So berichteten es zumindest US-Medien unter Berufung auf pakistanische Quellen, die mit den Verhörprotokollen der nach dem US-Einsatz von Pakistan verhafteten Mitbewohnern Bin Ladens vertraut sein sollen. Bei den Einvernahmen, allen voran dreier Ehefrauen Bin Ladens, hat Pakistan bislang demonstrativ keine US-Vertreter zugelassen.

Die widersprüchlichen Darstellungen der beiden Länder - auch auf der Seite der USA gibt es Dutzende Ungereimtheiten - unterstreichen jedenfalls einmal mehr die unterschiedlichen Interessen der USA und Pakistans. Die Schwäche Bin Ladens zu betonen, macht es für Pakistan weniger schlimm, dass der Al-Kaida-Chef so lange unentdeckt im eigenen Land bleiben konnte. Für die USA dagegen sieht die Ergreifung Bin Ladens noch besser aus, wenn sich zeigt, wie mächtig und einflussreich er bis zuletzt gewesen ist.

Bin Laden als ausgebooteter Terrorpensionist
Dass die US-Regierung am Samstag im Versteck gefundene Videoaufnahmen veröffentlichte, die Bin Laden als alternden Mann mit grauem Bart vor dem Fernseher sitzend zeigen, spielt Pakistan derzeit in die Hände. Auf diesen Bildern ist keinesfalls ein leibhaftiger Terrorteufel zu sehen. Dazu passen freilich auch viele der Informationen, die Geheimdienstquellen in den letzten Tagen gegenüber westlichen Reportern streuten, darunter eine Darstellung der Finanzen Bin Ladens. Demzufolge habe der Terrorpate über so gut wie kein Geld mehr verfügt, weil er von seinem Vize, dem ägyptischen Chirurgen Ayman al-Zawahiri, aus der Al-Kaida-Führung ausgebootet worden sein soll. Als Beweis dafür sollten die nicht gerade luxuriösen Verhältnisse, unter denen Bin Laden in Abbottabad lebte, dienen. Die anfängliche US-Darstellung, wonach das Versteck eine "Millionen-Villa" gewesen sei, glaubte nach den ersten Bildern des Anwesens sowieso niemand. Tatsächlich wurde das Anwesen von den beiden Kurieren 2004 für 48.000 US-Dollar erworben.

Allerdings: Bin Laden entstammte einer in Saudi-Arabien reich gewordenen Unternehmerfamilie aus dem Jemen und rühmte sich gegenüber seinen Anhängern stets, den Verlockungen des Geldes und eines hedonistischen westlichen Lebensstils, wie ihn viele seiner Geschwister pflegten, widerstanden zu haben. Seine erste Frau, die Bin Laden noch als reicher Sohn eines Saudi-Günstlings heiratete, soll es nie verkraftet haben, dass sich ihr Mann freiwillig für das karge Leben eines Guerilla-Kämpfers in den Bergen Afghanistans entschieden habe, das Bin Laden nach seinen ersten Terroranschlägen jahrelang geführt haben soll.

Obama: Pakistan soll Unterstützer-Netzwerk sprengen
US-Präsident Barack Obama hat am Sonntag von Pakistan demonstrativ eine Untersuchung der Unterstützer des Terrorchefs gefordert. "Wir glauben, dass es ein Netzwerk an Unterstützern in Pakistan für Bin Laden gegeben haben muss", sagte Obama dem Sender CBS. Dieses müsse die pakistanische Regierung untersuchen.

Gleichwohl gebe es noch keine Informationen darüber, wer die Helfer Bin Ladens seien, fügte Obama in seinen ersten öffentlichen Äußerungen seit dem Angriff auf den Al-Kaida-Chef in der Nacht auf vergangenen Montag hinzu. "Wir wissen auch nicht, ob Mitglieder der Regierung daran beteiligt waren", sagte er laut CBS weiter. Pakistan habe aber zugesichert, ebenfalls ein Interesse daran zu haben herauszufinden, von wem Bin Laden Unterstützung erhielt.

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