Viele offene Fragen

Pakistan im Zwielicht: Wurde Bin Laden gedeckt?

Ausland
02.05.2011 22:58
Kaum hatte US-Präsident Barack Obama die spektakuläre Tötung von Osama bin Laden verkündet, kamen auch schon die ersten Fragen auf: Wie konnte der Terrorfürst jahrelang unbehelligt in Pakistan leben? Hatten die pakistanische Regierung und ihr Geheimdienst wirklich keine Ahnung? Oder genoss Bin Laden die heimliche Unterstützung der Führungsriege des US-Verbündeten? Nach der Tötung steht das Land nun mehr denn je im Zwielicht.

Offiziell war Pakistan nach der gelungenen "Kill Mission" gegen den meistgesuchten Terroristen der Welt darum bemüht, Einigkeit mit den USA zu demonstrieren: Bin Laden sei bei einer gemeinsamen Kommandooperation amerikanischer und pakistanischer Spezialkräfte getötet worden, sagte General Ahmed Shuja Pasha im pakistanischen Fernsehen. Auch steuerte die Regierung der südasiatischen Atommacht pflichtschuldig Glückwünsche bei und sprach von einem "wichtigen Rückschlag für Terrororganisationen rund um den Globus". Die Aktion zeige die "Entschlossenheit der internationalen Gemeinschaft einschließlich Pakistans", den Terror weltweit bekämpfen und besiegen zu wollen, erklärte eine Sprecherin des Außenministeriums in Islamabad.

Doch eine wichtige Frage bleibt unbeantwortet: Warum konnte Bin Laden mit Familie und Getreuen offensichtlich jahrelang nur eine Autostunde nördlich der pakistanischen Hauptstadt unbehelligt leben?

Wenig diplomatisch äußerte sich am Montagabend John Brennan, Barack Obamas oberster Berater für Terrorismusbekämpfung. "Es ist unvorstellbar, dass Bin Laden nicht systematisch unterstützt worden ist", sagte der hochrangige Beamte. Die USA würden daher nun untersuchen, wie es Bin Laden möglich gewesen, so lange an einem Ort in Pakistan zu leben. Er wolle aber nicht darüber spekulieren, ob es offizielle pakistanische Hilfe für den Terrorfürsten gegeben haben könnte.

Wer ließ das millionenteure Anwesen bauen?
Bin Ladens Zufluchtsort Abbottabad ist als Stadt des Militärs bekannt und gehörte bisher nicht zu den Schauplätzen des Terrors. Dort hat die Pakistan Military Academy ihren Sitz, die als bedeutendste Ausbildungsstätte der Armee gilt. Das schwer gesicherte Anwesen, in dem Bin Laden getötet wurde, soll nur wenige Hundert Meter von der Akademie entfernt liegen. Nach US-Einschätzung hat es einen Wert von einer Million Dollar und war als Versteck für eine wichtige Person geradezu maßgeschneidert. Doch wer hatte es bauen lassen?

Immer wieder Hinweise auf Versteck in Pakistan
Seit Jahren tauchten in der Öffentlichkeit immer wieder Hinweise auf, dass sich der Terrorchef nach seiner Flucht aus der afghanischen Bergregion Tora Bora in Pakistan aufhalten soll. Zuletzt verlautete im vergangenen Oktober aus NATO-Kreisen in Afghanistan, Bin Laden lebe in relativem Komfort in einem Haus im Nordwesten Pakistans. Beschützt werde er dort unter anderem von Angehörigen des pakistanischen Geheimdienstes ISI.

Islamabad reagierte gereizt. "Sie sagen immer, Osama ist hier, aber sagen uns nicht, wo genau er sich aufhält", bemerkte damals ein Regierungssprecher. Wenn Pakistan wüsste, wo er sei, würde man gegen ihn vorgehen.

Pakistans Rolle im Terrorismuskampf oft undurchsichtig
Hatte das Anwesen in Abbottabad keinen Verdacht erregt? Fest steht, dass Pakistans Rolle im Kampf gegen der Terrorismus oft undurchsichtig ist. Einerseits sind mehr als 100.000 Soldaten an der pakistanisch-afghanischen Grenze gegen islamistische Aufständische im Einsatz, die auch in Pakistan seit Jahren blutige Terroranschläge mit Hunderten Toten verüben. Zudem wurde vor mehr als einem Jahr der Taliban-Vizechef Mullah Abdul Ghani Baradar in Karachi festgenommen.

Andererseits soll sich Taliban-Führer Mullah Omar noch in Pakistan versteckt halten - angeblich ebenfalls beschützt vom Geheimdienst ISI. Die Behörde soll zudem weiterhin in Indien aktive Terrorgruppen wie Lashkar-e-Taiba fördern, die dort für zahlreiche Anschläge wie etwa die Terrorserie von Mumbai Ende 2008 mit mehr als 170 Toten verantwortlich sind. Vor diesem Hintergrund wird Pakistan in einer Mitte 2010 veröffentlichten Studie der London School of Economics unverblümt ein "doppeltes Spiel erstaunlichen Ausmaßes" vorgeworfen. Wurde Bin Laden etwa von seinen mächtigen Helfern fallen gelassen?

Islamabad fürchtet nun Rache der Gotteskrieger
In Pakistans Öffentlichkeit werden all diese Fragen allenfalls am Rande debattiert. Im Mittelpunkt steht etwas anderes: Viele Menschen fürchten sich vor der Rache der Terroristen und neuen Anschlägen. Denn, so sind sich die Experten der Nachrichtenkanäle sicher, ohne die nun endlich erfolgte Hilfe Pakistans wäre es den USA nicht gelungen, Bin Laden zu töten.

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