Berlusconi abwesend

“Ruby-Prozess” nach nur fünf Minuten vertagt

Ausland
06.04.2011 11:59
Unter großem Medienrummel hat am Mittwoch in Mailand der Prozess gegen Italiens Premier Silvio Berlusconi wegen Sex mit dem damals minderjährigen Callgirl Ruby begonnen - und ist nach fünfminütiger Verhandlung auf den 31. Mai vertagt worden. Berlusconi erschien nicht vor Gericht. In einem Schreiben erklärte der 74-Jährige, er würde gern an allen weiteren Verhandlungen teilnehmen, könne jedoch wegen seiner Verpflichtungen als Regierungschef nicht immer im Gerichtssaal sein. Mit der Vertagung gewinnt Berlusconi, dem eine Höchststrafe von 15 Jahren Haft droht, wieder einmal Zeit.

Die Vertagung des Prozesses kommt Berlusconi sehr gelegen. Denn er versucht mit allen Mitteln, die Verhandlung hinauszuzögern bzw. überhaupt abzuwürgen. Erst am Dienstag hat die Abgeordnetenkammer in Rom einem Antrag von Berlusconis Regierungskoalition zugestimmt, mit dem die Zuständigkeit des Mailänder Gerichts angefochten wird. Der Antrag, in dem de facto behauptet wird, dass ein Ministergericht und nicht die Mailänder Justizbehörden über den Fall zu entscheiden haben, wurde in der Abgeordnetenkammer mit einer Mehrheit von lediglich zwölf Stimmen durchgesetzt. Drei Parlamentarier der Opposition stimmten - höchst überraschend - mit der Regierungskoalition.

Prozess könnte noch gestoppt werden
Der Beginn des Schnellverfahrens am Mittwoch wurde damit zwar nicht verhindert, allerdings könnte der Prozess gestoppt werden. Jetzt wird das Verfassungsgericht das letzte Wort über die Zuständigkeit im Ruby-Fall sprechen. Während die Kammer über den Ruby-Antrag abstimmte, kam es in Rom zu einer Demonstration von Aktivisten der regierungskritischen Bürgerbewegung "Lila Volk". "Die Regierungskoalition versucht mit allen Mitteln, den Premier zu retten. Das Parlament arbeitet nur noch für Berlusconi", protestierte der Oppositionspolitiker Antonio Di Pietro.

Berlusconi hatte vor Prozessauftakt erklärt, am Mittwoch nicht vor Gericht zu erscheinen und sich von seinen Rechtsanwälten vertreten zu lassen. Diese erklärten, der Premier wolle ab dem 31. Mai an allen Gerichtsverhandlungen teilnehmen: "Er will dabei sein, auch wenn es Tage geben wird, an denen er wegen seiner Amtsverpflichtungen nicht anwesend sein kann", so Verteidiger Giorgio Perroni.

Ruby tritt doch nicht als Nebenklägerin auf
Auch das nunmehr 18-jährige marokkanische Callgirl Ruby, die eigentlich Karima al-Marough heißt, zeigte sich nicht im Gerichtssaal. Im Gegensatz zu anderslautenden kolportierten Meldungen werde sich "Ruby Rubacuori" (Herzensbrecherin), wie sie von Italiens Medien genannt wird, nicht als Nebenklägerin am Prozess beteiligen, teilte ihre Rechtsanwältin Paola Boccardi mit. Damit werde sie auch keine Schadenersatzforderung vom Ministerpräsidenten beantragen können.

Ruby hatte stets bestritten, von Berlusconi für sexuelle Dienste bezahlt worden zu sein. Sie habe lediglich Geschenke und Bargeld für ihre Teilnahme an Abendessen in dessen Mailänder Residenz erhalten. "Ich bin kein Opfer. Ich habe von Berlusconi nur Gutes erfahren", sagte die 18-Jährige. "Ruby ist der Ansicht, dass sie keine Schäden wegen ihrer Bekanntschaft mit dem Premier erlitten hat. Sie behauptet, keine sexuelle Beziehung mit Berlusconi eingegangen zu sein", erklärte Boccardi.

Minderjährigkeit des Callgirls als Knackpunkt
Laut den Vorwürfen der Ermittler soll Ruby schon mit 16 Jahren zum angeblichen Harem Berlusconis gezählt haben. Außerdem soll sie mehr als 14 Mal zwischen Februar und Mai 2010 beim Premier übernachtet haben - damals war sie erst 17 Jahre alt. Nach italienischem Recht ist Prostitution von Minderjährigen verboten. Der Regierungschef soll dem Mädchen zudem am Anfang ihrer gemeinsamen Beziehung 50.000 Euro ausgehändigt haben - als Dank für intime Treffen. In abgehörten Telefonaten ist auch die Rede davon, dass Berlusconi von Rubys Minderjährigkeit wusste. Seine Anwälte behaupten immer noch, er habe davon keine Kenntnis gehabt.

Im Mai 2010 wurde Ruby unter der Beschuldigung in Mailand festgenommen, sie habe einer Frau 3.000 Euro und eine Uhr gestohlen. Berlusconi rief laut den Ermittlern persönlich bei der Polizei an, drängte auf ihre Freilassung und forderte, das Mädchen einer von ihm genannten Vertrauensperson zu übergeben. Er behauptete, Ruby sei die Nichte von Ägyptens inzwischen abgesetztem Präsidenten Hosni Mubarak. Deshalb ist Berlusconi auch wegen Amtsmissbrauchs angeklagt. Für ihr Schweigen soll sie dann vom Premierminister fünf Millionen Euro verlangt haben.

TV-Teams und Fotografen bleiben ausgesperrt
Der Andrang vor dem Mailänder Gericht war am Mittwoch enorm, 110 Journalisten aus aller Welt hatten einen Antrag eingereicht, um den Prozess gegen den 74-Jährigen im Gerichtssaal verfolgen zu können. In den wenigen Minuten bis zur Verschiebung der Verhandlung wurden nur einige Formalitäten geklärt. Dabei durfte nicht gefilmt werden. Auch weiterhin werden bei der Verhandlung weder TV-Teams noch Fotografen zugelassen. Der Mailänder Oberstaatsanwalt Manlio Minale meinte, dass die Anwesenheit von TV-Kameras die Zeugen beeinflussen könnte. Journalisten dürfen zwar in den Gerichtssaal, dabei allerdings nur Tonaufnahmen machen, beschloss Minale.

Auch Hollywoodstar Clooney auf Zeugenliste
Anklage und Verteidigung wollen in dem Prozess Hunderte Zeugen vorladen. So plant Berlusconi mit einer bunten Liste von Prominenten dem Gericht zu beweisen, dass in seiner Villa anstatt wüster Partys mit Dutzenden bezahlten Frauen nur feine Abendessen mit harmloser Unterhaltung, Filmvorführungen und Karaoke stattfanden. Unter anderem sollen gleich vier italienische Minister bestätigen, dass es beim Premier stets anständig zuging.

Hollywood-Schwarm George Clooney samt Freundin Elisabetta Canalis und Fußballstar Cristiano Ronaldo wiederum sollen dem Gericht die Unglaubwürdigkeit der Kleinkriminellen und Prostituierten Ruby klar machen. So behauptete Ruby, Clooney und Canalis bei einer von Berlusconis Partys gesehen zu haben, was das Paar vehement bestreitet. Mit Ronaldo habe sie eine heiße Nacht verbracht, gab Ruby laut Medienberichten zu Protokoll. Er habe ihr Geld geboten, das sie jedoch abgelehnt habe. Doch der Starstürmer von Real Madrid bestreitet, das Callgirl jemals getroffen zu haben.

Berlusconi derzeit mit vier Prozessen konfrontiert
Seit seinem Quereinstieg in die Politik im Herbst 1993 hatte Berlusconi immer wieder Ärger mit der Justiz. Wegen Bestechung, Bilanzfälschung und Steuerbetrugs musste er sich wiederholt vor Gericht verantworten. Neben dem Fall Ruby ist der Premier derzeit mit drei weiteren Prozessen konfrontiert: Im sogenannten Mediaset-Verfahren geht es um den Verdacht auf Betrug und Unterschlagung beim Kauf von Filmrechten für Berlusconis Medienkonzern in den 1990er-Jahren. Im "Mediatrade"-Verfahren wiederum werden Berlusconis Gruppe Steuervergehen beim Verkauf von Film-und TV-Rechten vorgeworfen. Im "Mills-Prozess" schließlich wirft die Mailänder Staatsanwaltschaft dem Ministerpräsidenten vor, dem britischen Anwalt David Mills im Jahr 1997 600.000 Dollar für Falschaussagen in Prozessen gegen Mediaset bezahlt zu haben.

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