Geldstrafe für Ärzte

Prozess: Patientin starb an Arznei-Überdosierung

Niederösterreich
23.03.2011 17:55
Wegen des Todes einer 82-jährigen Patientin durch Überdosierung eines Medikaments sind am Landesgericht Korneuburg am Mittwoch zwei Ärzte des Krankenhauses Hollabrunn zu Geldstrafen im Ausmaß von 39.600 bzw. 20.400 Euro - nicht rechtskräftig - verurteilt worden: Richter Manfred Hohenecker sprach den Primar und den Oberarzt der chirurgischen Abteilung der fahrlässigen Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen schuldig.

Freisprüche gab es für die angeklagte Turnusärztin, weil sie das Medikament in ihrer Funktion gar nicht anordnen durfte, sowie für eine Ärztin, die die Anordnung zwar am nächsten Morgen abgezeichnet, dann aber in Urlaub gegangen war. Am Donnerstag müssen sich in dem Fall zwei weitere Ärzte in Korneuburg verantworten.

Die betagte Frau war im Mai 2010 daheim im Bad gestürzt und suchte gegen 2 Uhr wegen Schmerzen an Hüfte und Knöchel das Landesklinikum Weinviertel Hollabrunn auf. Staatsanwältin Elisabeth Sebek zufolge ordnete die sie stationär aufnehmende Ärztin auf der Chirurgie die tägliche Verabreichung von 20 Milligramm eines Rheumamittels an, dessen Höchstdosierung allerdings bei 30 Milligramm wöchentlich liegt.

Auch Primar soll Problem nicht erkannt haben
Die tags darauf diensthabende Ärztin habe dann die Medikation auf der Fieberkurve abgezeichnet, der Oberarzthabe die Überdosierung nicht bemerkt und das Medikament auch nicht abgesetzt, als bereits Nebenwirkungen auftraten. Dem Primar warf die Anklägerin vor, das Problem nach einem Gespräch mit der Patientin und deren Ehemann nicht erkannt zu haben. Nachdem sich der Zustand der 82-Jährigen verschlechterte, wurde sie nach Stockerau und dann weiter ins Wiener SMZ Ost verlegt, wo sie zwei Wochen nach dem Unfall starb.

Verteidiger: Muss Patientenangaben vertrauen können
Dass bei der Behandlung der 82-Jährigen Fehler passiert seien, werde nicht geleugnet oder beschönigt, meinte Verteidiger Josef Gallauner. Er sah allerdings kein strafrechtlich relevantes Maß des Verschuldens. Bei insgesamt 12.500 zugelassenen Medikamenten (inklusive Veterinärmedizin) könne man nicht alle Nebenwirkungen kennen, müsse also auf die Angaben von Patienten vertrauen.

Die erstangeklagte Turnusärztin erklärte, dass sie die Patientin nach ihrem Medikamentenkonsum befragt habe. Diese gab nur an, ein Blutverdünnungsmittel zu nehmen und berichtete von Vorerkrankungen sowie einem Spitalsaufenthalt im Vorjahr. Weitere Medikamente seien auf einem handgeschriebenen Zettel gestanden - was der Witwer, der bei der Einlieferung dabei war, laut Hohenecker bestreitet. Bei zwei angeführten Medikamenten habe sie Bedenken gehabt, eines davon im "Austria Codex" nachgeschlagen. Das zweite - "Ebetrexat" - habe sie nicht gekannt, der Frau dann aber nach deren Angaben täglich verordnet.

Die Frage des Richters, Manfred Hohenecker, ob da nicht alle Alarmglocken hätten schrillen müssen, blieb im Raum stehen. Ein Klick mit der Computermaus - es einfach zu googeln -  hätte genügt, die Gefährlichkeit und hohe Toxizität des wöchentlich zu dosierenden Chemotherapeutikums zu erfahren, so Hohenecker. Auch der zweitangeklagte Leiter der chirurgischen Abteilung kannte das Medikament, soll aber nicht gewusst haben, dass es nur wöchentlich zu geben war. Der Richter hielt fest, dass die Turnusärztin das Medikament gar nicht hätte verordnen dürfen.

Behandlung "nicht optimal" - für Richter ein Hilfsausdruck
Dass nach dem Tod der Frau nun in Hollabrunn die Medikation von der Internen überprüft wird, ist für den Richter ein Indiz dafür, dass es falsch gewesen war, sich einfach auf die Angaben einer Patientin zu verlassen: "Geben Sie jedem Patienten was er will? Zum Beispiel Opiate?" Der Primar räumte ein, dass die Behandlung "nicht optimal gelaufen" sei. "Nicht optimal? Ein Hilfsausdruck dafür, dass eine Frau mit einer Prellung ins Spital kam und starb", meinte Hohenecker. Und weiter: "Bleiben Sie dabei, dass es der Patientin am 21. Mai, als Sie ein Gespräch mit ihr führten, so gut ging, dass sie knapp vor der Entlassung stand? Warum wurde die Medikation nicht überprüft?" Zu diesem Zeitpunkt hatte die 82-Jährige bereits einen massiven Ausschlag am Rücken und Geschwüre im Mund. Zwei Tage später wurde sie in weiter verschlimmertem Zustand nach Stockerau überstellt, wo sie ein Gegenmittel bekam.

Die drittangeklagte Ärztin, die die Patientin nach der Aufnahme dann am Morgen des 12. Mai zum ersten Mal sah, verließ sich auf die Angaben der Nachtmannschaft. Der viertangeklagte Oberarzt vertraute ebenfalls der Patientin. Er verwies auch darauf, dass bei einem Chemotherapeutikum Nebenwirkungen in Kauf zu nehmen seien. "Die Frau war aber keine Tumorpatientin", hielt der Richter fest. Und: Bei dieser Kette des Vertrauens sei nichts gewonnen, wenn man sich dabei einzig auf die Patientin verlässt.

Gutachten: Tod durch Medikamente verursacht
Laut Gutachten sind die Medikamente schuld am Tod der Frau. Das Mittel werde seit 15 Jahren auch bei anderen Krankheiten als Krebs verschrieben, aber keinesfalls täglich: "Das macht kein Mensch, auf die Idee kann man gar nicht kommen", meinte ein Sachverständiger. Die Hautärztin der 82-Jährigen sagte aus, dass ihre Patientin Ebetrexat einmal wöchentlich eingenommen habe, aber nur bis Oktober 2009. Wegen starker Nebenwirkungen (u.a. Bläschen im Mund) und einem damit verbundenen Krankenhausaufenthalt wurde das Medikament schließlich abgesetzt.

Verstorbene musste 15 "Pulver" am Tag nehmen
Wie es sein konnte, dass seine Frau dieses Medikament, das sie seit Monaten nicht mehr eingenommen hatte, bei ihrer Aufnahme im Landesklinikum Weinviertel erwähnte, konnte der Witwer nicht beantworten: Er sei nicht im Raum gewesen. Seine an Rheuma leidende Frau habe täglich geschätzte 15 "Pulver" genommen - ihren Therapieplan hatte er in seiner Aktentasche. Von Ebetrexat wusste der 88-Jährige nichts - dass er selbst, wie der Primar gemeint hatte, auf einer Therapie damit bestanden habe, "ist sicher nicht wahr."

Vor dem Sturz im Badezimmer sei es seiner Frau nicht schlecht gegangen - im Spital habe sich ihr Zustand schon nach drei Tagen immer mehr verschlechtert. Er habe sowohl einen Oberarzt als auch den Primar darauf angesprochen, sagte der ehemalige Polizist. Dann habe ihm eine Ärztin oder Krankenschwester mitgeteilt, dass man sich mit der Patientin nicht mehr auskenne und sie deshalb nach Stockerau überstellt werde.

Ein als Zeuge geladener HNO-Facharzt wurde damals von der Chirurgie am 18. Mai beigezogen, konnte sich heute aber weder an die Patientin noch an das klinische Bild erinnern. Er habe schriftlich weißliche Belege im Mund, laut Hohenecker tatsächlich Geschwüre an der Schleimhaut, festgehalten - eine "altbekannte Nebenwirkung" des Mittels. Warum die 82-Jährige es überhaupt bekam, hatte er nicht hinterfragt.

Erste Urteile bereits nach erstem Verhandlungstag
Die Obduktion im Wiener SMZ Ost, wo die Frau am 2. Juni 2010 starb, brachte die Überdosierung zutage, worauf das Spital Anzeige erstattete. Am Nachmittag standen Gutachten zu dem Fall am Verfahrensplan. Hohenecker plante erste Urteile noch am Mittwoch.

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