Winnenden-Drama

Urteil: Vater des Amokläufers muss nicht ins Gefängnis

Ausland
10.02.2011 13:32
Knapp zwei Jahre nach dem Amoklauf von Winnenden hat das Landgericht Stuttgart entschieden, dass der Vater des Täters nicht ins Gefängnis muss. Das Gericht unter Vorsitz von Reiner Skujat verurteilte den 52-jährigen Unternehmer am Donnerstag unter anderem wegen fahrlässiger Tötung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monate auf Bewährung.

Der 17-jährige Tim K. hatte das Massaker am 11. März 2009 in seiner früheren Realschule in Winnenden und auf der Flucht nach Wendlingen verübt. Sein Vater, ein Sportschütze, hatte die Pistole, mit der sein Sohn 15 Menschen und sich selbst erschoss, unverschlossen im Schlafzimmer aufbewahrt und musste sich deshalb vor Gericht verantworten. Es war der erste Prozess in Deutschland, bei dem ein Unbeteiligter nach einem Amoklauf vor Gericht stand und verurteilt wurde.

Das Gericht sprach den 52-Jährigen, der das Urteil im Gerichtssaal anhörte, der 15-fachen fahrlässigen Tötung und der fahrlässigen Körperverletzung in 14 Fällen schuldig, außerdem habe er gegen das Waffengesetz verstoßen. Mit der Bewährungsstrafe von einem Jahr und neun Monaten blieb der Richter unter der Forderung der Staatsanwaltschaft, die zwei Jahre auf Bewährung verlangt hatte.

Anwälte sprachen sich gegen Strafe aus
Die Verteidiger des Angeklagten hatten sich am Ende des knapp sechsmonatigen Prozesses gegen eine Strafe ausgesprochen. Sie verwiesen darauf, dass der Angeklagte und seine Familie selbst unter den Folgen des Amoklaufs zu leiden hätten. Der Sohn sei tot, die Familie habe wegziehen müssen, lebe an einem geheimen Ort und sei vom wirtschaftlichen Ruin bedroht. Die Anwälte hielten den Angeklagten nur wegen des Verstoßes gegen das Waffengesetz für schuldig.

Die meisten vor Gericht als Nebenkläger vertretenen Hinterbliebenen hatten eine Haftstrafe für den Angeklagten verlangt. "Und wenn es nur für ein Vierteljahr ist, aber er muss ins Gefängnis", sagte der Sprecher des Aktionsbündnisses Amoklauf Winnenden, Hardy Schober, vor dem Urteil. Schober hatte seine Tochter bei dem Massaker im März 2009 verloren.

"Der Prozess war belastend, aber hilfreich"
Dagegen hatten andere Hinterbliebene ihre Erwartungen bewusst heruntergeschraubt. "Die Frage des Strafmaßes ist sekundär", sagte Jens Rabe, ein Vertreter der Nebenklage. Am wichtigsten sei, dass es ein klares Signal des Gerichts gebe und der Vater nicht nur wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz verurteilt werde, sondern auch wegen fahrlässiger Tötung. "Der Prozess war für die Hinterbliebenen emotional sehr belastend, gleichwohl aber hilfreich." Sie hätten unter anderem erfahren, wie ihre Kinder genau zu Tode gekommen seien.

Die Vorsitzende des Aktionsbündnisses, Gisela Mayer, sagte vor dem Urteil: "Es gibt keine Gerechtigkeit, die diesen 15-fachen Mord in irgendeiner Weise sühnen könnte." Allerdings sitze auf der Anklagebank nicht der Amokläufer, sondern sein Vater. Die Vorsitzende der Stiftung kritisierte, dass das Waffengesetz bis heute nicht wirklich verschärft worden sei.

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