Einige bizarre Fälle

47 Morde im Jahr 2010 – rund 95 Prozent geklärt

Österreich
22.12.2010 11:11
42 Menschen sind laut Bundeskriminalamt in den ersten drei Quartalen des Jahres 2010 in Österreich ermordet worden. Ab Oktober kamen fünf weitere Tötungsdelikte hinzu. Die Aufklärungsquote bei Morddelikten liegt derzeit bei 94,5 Prozent und entspricht damit dem alljährlichen Durchschnitt, erklärte am Mittwoch Ernst Geiger, Leiter der Abteilung Ermittlungen, Allgemeine und Organisierte Kriminalität im BK. Mit 18 Morden bis einschließlich 20. Dezember fanden in Wien die meisten und komplexesten Fälle statt.

Für große Aufregung sorgten in der Bundeshauptstadt unter anderem der sogenannte Disco-Mord, bei dem ein Duo aus dem Auto heraus "zufällig" einen 20-Jährigen auf dem Nachhauseweg erschoss, sowie die Ermordung einer 37-Jährigen mit sieben Messerstichen durch ihre damals 14-jährige Tochter.

Großteils Beziehungstaten im Familienkreis
Beziehungstaten innerhalb der Familie und Partnerschaften machen bei weitem das Gros der Fälle aus, erklärte Geiger. Eifersucht, Trennungen, Streit zwischen Ex-Partnern und Konflikte unter Alkoholeinfluss seien die häufigsten Ursachen. Auch zu Selbstmorden älterer Paare komme es immer wieder.

Zu Sexualmorden wie jenem in der Nacht auf 2. Juli in Wien-Hietzing kommt es selten: Ein 22-Jähriger erstach in der Auhofstraße seine um ein Jahr jüngere Ex-Freundin, zerstückelte danach ihre Leiche und warf die Teile in Müllcontainer. Anfänglich sprach der Verdächtige von einem Sex-Unfall, später gab er an, eingeschlafen zu sein und von der Tat nichts mitbekommen zu haben.

Messer-Mord an Mutter als "seltener Grenzfall"
Als "seltenen Grenzfall" bezeichnete Geiger den Mord einer damals 14-Jährigen an ihrer Mutter am 13. April in der Sankt-Johann-Gasse in Wien-Margareten: Nach Streitigkeiten rund ums Internet folgte das Mädchen der 37-Jährigen, die ihr den Rücken zukehrte, und stach mit einem Messer auf Kopf, Nacken, Arm und Brust der Mutter ein. Die 15-Jährige wurde zu fünf Jahren Haft verurteilt.

An amerikanisches Gang-Gehabe erinnert der Disco-Mord an Rene M. in der Nacht auf 21. August in der Steinheilgasse in Wien-Floridsdorf: Der 20-Jährige ging nach einem Disco-Besuch zu Fuß nach Hause und wurde aus einem vorbeifahrenden BMW mit einer Pistole erschossen. Eines von vier Projektilen traf den jungen Mann tödlich. Der mutmaßliche Schütze (48) war betrunken und kann sich an nichts erinnern, sein Bekannter (29) am Steuer will keinen Fußgänger wahrgenommen haben.

Auch Morde à la Columbo mit ausgeklügelten Alibis gab es in der Bundeshauptstadt: Am 7. April erschlug ein 42-Jähriger am Julius-Tandler-Platz in Alsergrund seine Ex-Freundin - direkt neben dem gemeinsamen Baby. Die Schwester des Verdächtigen fuhr währenddessen mit dem Firmenwagen des Mannes ins Wiener Umland, um ihm anhand der GPS-Daten des Navigationsgeräts ein Alibi zu verschaffen. "Das war schon eine Meisterleistung, das zu klären", betonte Geiger.

Auch in Niederösterreich einige komplizierte Fälle
Neben Wien gab es laut Geiger auch in Niederösterreich zahlreiche Mordfälle. Kopfzerbrechen bereitete der Polizei das Verschwinden von Anita K. aus dem Waldviertel. Ein 54-Jähriger, bei dem die 23-Jährige seit ihrer Kindheit lebte, wurde schließlich festgenommen. Der Mann soll die junge Frau am 29. Oktober umgebracht und in der Südslowakei verbrannt haben. Die Getötete und deren Schwester hatte er als Kinder missbraucht, woraus mit der Zeit laut Polizei eine Art Beziehung entstand. Anita K. wurde zum Verhängnis, dass sie sich aus dieser lösen wollte und zu einem anderen Mann zog. Der 54-Jährige beging in der Haft Selbstmord.

"Auch der Mordfall Kamil Papina war ein ganz schwieriger Fall", so Geiger. Der 35-jährige Pole wurde von einem Bekannten aus Wien nach einem Streit zwischen den beiden Männern in der Wohnung des Verdächtigen durch einen Kopfschuss getötet. Die zerstückelte Leiche entsorgte der Mörder im Juni in der Donau.

Morde an Prostituierten und Obdachlosem ungelöst
Keine Spur hat die Polizei bisher nach der Tötung der Wiener Prostituierten Petya Filkova, deren verbrannte Leiche am 30. Mai auf einem Güterweg im Bezirk Gänserndorf in Niederösterreich gefunden wurde. Genau dasselbe war mit der Wiener Prostituierten Katerina Vavrova im August 2007 im Bezirk Mistelbach passiert. Auch in Kärnten und der Steiermark gab es 2005 und 2008 Fälle mit Parallelen. Zusammenhänge werden von Ermittlern nicht ausgeschlossen. Ebenso noch nicht geklärt ist der Mord an einem 54-jährigen Obdachlosen aus Ungarn, der am 10. Dezember erschlagen in einer Baracke einer Entsorgungsfirma in Wien-Penzing gefunden wurde.

Geiger: Im Europa-Vergleich äußerst geringe Mordrate
"Wir haben so ziemlich die geringste Mordrate gegenüber allen vergleichbaren Ländern in Europa", betonte Geiger. "Was wir vor allem nicht haben, sind Auseinandersetzungen krimineller Gruppen und Jugendgangs sowie Amokläufe. Wir haben auch sehr wenige Sexualmorde - wenn man es beispielsweise mit Deutschland vergleicht."

Seit etwa 2000 werden in Österreich jährlich etwa 50 Morde verübt: "Das war nicht immer so, früher hatten wir mehr Fälle", erklärte Geiger. "Generell kann man sagen, dass die Mordkriminalität im Gegensatz zur Einbruchskriminalität gesunken ist." In den 80er- und 90er-Jahren gab es allein in der Bundeshauptstadt um die 50 Morde, österreichweit waren es damals 70 bis 80 Fälle. Die Gründe für die Abnahme erklärt Geiger so: "Das Gewaltschutzgesetz, das Instrumentarium der Wegweisung, womit viele innerfamiliäre Taten verhindert werden konnten." Bei Raubmorden führten Präventivmaßnahmen, wie die Aufforderung keinen Widerstand zu leisten, zu Rückgängen.

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