Vorarlberg spricht

„Ziel des Virus ist es, sich zu vermehren“

Vorarlberg
14.03.2021 11:55

Felix Offner, Leiter der Pathologie am LKH Feldkirch, untersucht 100 Prozent der positiven PCR-Tests auf Corona-Mutationen. Deren Anteil hält sich in Vorarlberg derzeit noch in einem überschaubaren Rahmen.

Herr Primar Offner, die Pathologie ist vielen Lesern nur aus Krimis bekannt. Welche Aufgaben werden in Ihrer Abteilung in Feldkirch erledigt?

Wir haben ein sehr breites Leistungsspektrum. Es werden Gewebeproben, zelluläre Bestandteile, mikrobiologische und infektionsserologische Proben untersucht. Als Überbau kommt zunehmend die molekularpathologische Diagnostik, also die Untersuchung von Genen und Molekülen in Organen, Geweben oder Körperflüssigkeiten dazu- und wir untersuchen auch verstorbene Patienten. Nahezu alle Krebsdiagnosen und alle Infektionserkrankungen werden hier nachgewiesen. Dazu degenerative Erkrankungen, die durch Abnutzung oder Alterung von Zellen entstehen, oder auch Stoffwechselerkrankungen.

Wie hat sich die Arbeit in Ihrer Abteilung seit Beginn der Pandemie verändert?

Die Diagnose der SARS-CoV-2-Viren hat uns gleich zu Beginn der Pandemie vor sehr große Herausforderungen gestellt. Zum einen hatte sich im Labor für Molekularpathologie die Zahl der Mitarbeiter durch Abgänge von vier auf zwei reduziert. Dort musste ein Team mit bis zu 15 Mitarbeitern aufgebaut werden, um auch am Wochenende den Service aufrechtzuerhalten. Zugleich mussten die administrativen Rahmenbedingungen geschaffen und neue Geräte angekauft werden. Mit kleinen Geräten können wir manuell nur eine geringe Probenzahl bewältigen. Um eine größere Anzahl zu untersuchen, werden Roboter benötigt.

Seit Jahresende beeinflussen Virusvarianten das Infektionsgeschehen.

Das ist eine Wendung, die erwartet wurde, nicht aber, dass alles so schnell und dramatisch kommt. Ich hatte gehofft, dass uns das erspart bleibt. Die Herausforderung in Sachen Pandemie ist nun, dass man die Mutationen nachweist und so jene genetischen Veränderungen des Virus überwacht, die gefährlich werden könnten.

Wie besorgniserregend sind die Varianten, die bisher aufgetreten sind?

Die Folgen scheinen zumindest in Vorarlberg bislang nicht sehr gravierend zu sein. Bezüglich der britischen Variante gibt es ja Spekulationen, dass diese mit einer etwas höheren Todesrate verbunden ist. Wobei die Frage ungeklärt ist, ob das ein biologischer Effekt dieser Variante ist oder nicht doch eher ein Phänomen der schieren Überforderung des britischen Gesundheitssystems. Wissenschaftliche Publikationen, die klar sagen, dass irgendeine Variante aufgrund ihrer Biologie letaler ist, gibt es meines Wissens nicht.

Sie untersuchen immer noch 100 Prozent der positiven PCR-Tests auf Mutationen?

Ja, alle Proben, die in der PCR Covid-19-positiv sind und eine ausreichende Virenlast beziehungsweise Menge zeigen, werden auch auf Mutationen gescannt. Derzeit entfallen knapp 30 Prozent der Proben auf die britische Variante.

In anderen Bundesländern und Ländern dominiert inzwischen die britische Variante.

Ich erwarte auch für Vorarlberg, dass der Urtyp verdrängt wird. Dieses Virus ist darauf programmiert, sich zu vermehren. Das Ziel eines Virus ist es ja nicht, einen Patienten zu töten, sondern sich zu vermehren. Dabei entstehen laufend Mutationen - und wenn eine Mutation entsteht, die irgendeinen Überlebensvorteil hat, wird sich diese durchsetzen. Die britische Variante ist offenbar schneller in der Übertragung - das ist deren Vorteil.

Im Moment steigen die Zahlen österreichweit. Haben Sie eine Erklärung dafür, dass das in Vorarlberg nicht so ist?

Ich glaube, wir profitieren in Vorarlberg von unserer ausgezeichneten Verwaltung, unserem exzellenten Gesundheitssystem und auch von der Disziplin der Bürgerinnen und Bürger. Wichtig ist auch unsere geografische Lage.

Wie wahrscheinlich ist es, dass die Zahl der Infektionen wieder ansteigt?

Ich rechne schon mit einem Anstieg. Wir sind in einer Phase, in der wir nicht sicher beurteilen können, was diesen Anstieg bedingt. Mit hoher Wahrscheinlichkeit sind es zum einen die Virusvarianten, zum anderen haben wir aber auch die Aktivierung des Geschäftslebens. Das sind zwei Faktoren, die potenziell das Virusgeschehen wieder antreiben.

Zitat Icon

Leben bedingt nicht nur das Leben per se. Schule, Sozialkontakte, Kultur, Sport und Freude gehören dazu. Ich kann nicht auf Dauer alles abschalten.

Felix Offner

Eine 7-Tage-Inzidenz von über 70 ist zwar im Bundesvergleich gut, in Deutschland dürften die Gasthäuser aber nicht aufgesperrt werden.

Ich habe das Gefühl, dass man in Deutschland etwas übervorsichtig ist. Das ist manchmal ein bisschen zu defensiv. Ich fand den Schritt Österreichs, die Geschäfte wieder zu öffnen, richtig. Man muss sich herantasten und versuchen, wieder ins Leben zurückzufinden. Der deutsche Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble hat gesagt, dass nicht in aller Absolutheit gesagt werden kann, dass allein das menschliche Leben Vorrang vor allem anderen hat. Und das ist auch so. Man muss schon sehen, dass das Leben nicht nur das Leben per se bedingt. Denn Schule, Sozialkontakte, Kultur, Sport und Freude gehören dazu. Ich kann nicht auf Dauer alles abschalten. Das wäre sonst ein unerträgliches Leben.

Wie kritisch sehen Sie den Start des Modellversuchs?

Ich unterstütze diesen sehr. Die Menschen machen bei den Restriktionen auf Dauer nicht mehr mit. Sie haben das Bedürfnis, einander in den Arm zu nehmen, zusammen zu sein. Und es gibt so viele Menschen, die psychologisch unter Druck stehen, die Existenzängste haben. Das muss man einfach berücksichtigen. Jetzt liegt es in unserer Verantwortung, hier die richtige Balance zu finden.

Loading...
00:00 / 00:00
play_arrow
close
expand_more
Loading...
replay_10
skip_previous
play_arrow
skip_next
forward_10
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
explore
Neue "Stories" entdecken
Beta
Loading
Kommentare

Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.

Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.

Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.

Vorarlberg Wetter
0° / 4°
Schneeregen
1° / 6°
Schneeregen
2° / 7°
Regen
2° / 7°
einzelne Regenschauer



Kostenlose Spiele