Interviewserie:

„Leichtes können andere auch“

Burgenland
20.12.2020 07:00

Sie verlangt sich selbst und ihrer Umgebung alles ab. Sie will Hoffnung und Sinn stiften - und lebt es vor. Vier Handyfotos zeigen in der Interviewserie „Mit eigenen Augen“ die Schätze und Kostbarkeiten der Verena Dunst.

Frau Präsidentin, nach welchen Kriterien haben Sie Ihre Bilder ausgewählt?

Sie haben mich mit Ihrer Serie sehr stark zum Nachdenken gebracht, was die Hauptthemen in meinem eigenen Leben sind. So habe ich das Foto der Taufe meines ersten Enkelkindes ausgewählt. Das war vor einigen Wochen. Marie ist jetzt 5 Monate alt und dieses Jahr ein ganz besonderes Christkindl.

Ihr Weihnachten ist aber auch mit traurigen Gedanken verbunden

Ja. Die letzten Weihnachten erlebte ich erstmals ohne meine Mutter. In diesem Jahr ist Marie da. Eine Generation geht, die nächste kommt. Weihnachten lässt einen über diesen Kreislauf des Lebens nachdenken. Aber auch darüber, wie vielen Menschen es nicht so gut geht wie mir. Da habe ich regelrecht ein schlechtes Gewissen, weil Weihnachten nicht für alle Weihnachten sein kann.

Das führt mich zum Foto der „Schatzgrube“

Die „Schatzgrube“ ist eine Initiative der Volkshilfe. Menschen bringen uns Gebrauchsgegenstände, damit andere sie günstig erstehen können. Statt etwas wegzuwerfen, kommt es denen zugute, denen es schlecht geht. Gerade auch einsame Menschen kaufen gerne bei uns ein, weil sie hier jemanden zum Reden finden. Armut versteckt sich sehr gut, das darf man nie vergessen.  Keiner bei uns geht in seinem Dorf mit einem Schild um den Hals herum, auf dem steht „Ich bin arm!“ oder „Mir geht es schlecht!“

Sie beschäftigen in der Schatzgrube Langzeitarbeitslose

Ja, viele von ihnen haben, wenn sie zu uns kommen, keine Hoffnung mehr in den Augen. Nach Monaten sind es selbstbewusste Menschen, die wissen, dass sie etwas wert sind. So geben wir nicht nur den Gegenständen neuen Sinn, sondern auch den Menschen.

Als Sie 2002 die Volkshilfe übernahmen, ist es auch ihr schlecht gegangen

Sie hatte ursprünglich zur Volkshilfe Niederösterreich gehört. Jetzt war da ein Haufen Schulden und 32 Mitarbeiter. Ich wusste, das wird nicht leicht. Aber Leichtes können andere auch! Heute bin ich ehrenamtliche Unternehmerin in einer sozialen und gemeinnützigen Spendenorganisation mit über 200 MitarbeiterInnen.

Woher kommt Ihr ausgeprägter Blick für die Schwachen in der Gesellschaft?

Der wurde mir in die Wiege gelegt. Als Kind habe ich für den Großvater Dinge zu anderen gebracht, die sie brauchten. Er war mein großes Vorbild, weil er schon damals im Südburgenland Menschen ehrenamtlich half. Zuhause herrschte immer ein Kommen und Gehen und so bin ich als Helferin aufgewachsen. Aber ich erwarte nicht, dass alles „Alleluja, Verena Dunst!“ ruft. Helfen tun auch andere, das gehört zum Burgenland dazu. Trotzdem möchte ich Vorbild sein und habe mein Ehrenamt bewusst fortgeführt, als ich seinerzeit in die Regierung kam.

Bei Ihnen hat sich wie bei Martin Weinek der Uhudler eingeschlichen

Ich bin überzeugte Südburgenländerin - was das Nordburgenland nicht immer gerne hört (lacht) - und versuche, das Selbstwertgefühl dieser historisch und geografisch unterprivilegierten Region zu heben. Wir haben etwas zu bieten, sind aufrechte, fleißige Menschen mit einer hohen Lebensqualität. Viele überzeuge ich davon, mit dem Wien-Pendeln aufzuhören. Wir brauchen die Handwerker dringend zuhause. Als ich vor einigen Jahren als erste Frau Österreichs Agrar-Landesrätin wurde, lag auf meinem Schreibtisch ein BH-Bescheid zur Ausrodung des Uhudlers. Ich habe ihn nachhaltig im Weingesetz verankert und als Symbol dem Südburgenland zurückgegeben, wo die Anbaugebiete um das Dreifache gestiegen sind.

Letztes Bild: Mystisch wie der Mont Saint Michel, nur ohne Meer

Ich bin in 20 Jahren 2,2 Millionen Kilometer gefahren und unzählige Male an der Burg Güssing vorbei. Wenn ich frühmorgens zur Arbeit fahre, liegt sie oft noch im Nebel. Sie ist für mich Heimat und Teil meiner Vergangenheit, aber auch Zukunftssymbol und Schatz für die Region: Wir werden aus dieser Burg noch mehr machen, die Menschen erwarten das von uns.

Angenommen, es gäbe keinen Geburtsschrei, sondern einen ersten Satz, den ein Mensch bei der Geburt sagt - was wäre der Ihre? Bitte Wort für Wort!

Hurra, ich bin da - und es wird schön!

Kronen Zeitung

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