Krieg um Berg-Karabach

Gegenseitige Vorwürfe und immer mehr Tote

Ausland
28.09.2020 17:02

Nach Ausbruch von Kriegshandlungen um die formal zu Aserbaidschan gehörige, aber de facto seit 1994 von Armenien kontrollierte Region Berg-Karabach gibt es keine Anzeichen für eine baldige diplomatische Lösung. Die beiden Staaten warfen am Montag der jeweils anderen Seite vor, für die Eskalation am Wochenende verantwortlich zu sein. Aserbaidschans Armee und von Armenien unterstützte Rebellentruppen lieferten sich am Sonntag heftige Gefechte, die am Montag andauerten. Bereits 68 Menschen sollen zu Tode gekommen sein, darunter neun Zivilisten.

„Wir hören nur internationale Aufrufe, Verhandlungen mit Armenien wieder aufzunehmen. Aber wie können wir eine friedliche Lösung auf der Grundlage des Völkerrechts finden, wenn Armenien denkt, dass es über dem Recht steht?“, erklärte Aserbaidschans Botschafter in Wien, Galib Israfilov. Er warf Armenien vor, dass es Resolutionen des UN-Sicherheitsrats nicht akzeptiere und auch Aufforderungen des OSZE-Ministerrats ignoriere, Truppen zurückzuziehen und politische Themen am Verhandlungstisch zu klären.

Aserbaidschan: „Haben das Recht auf Selbstverteidigung“
Armenien habe am Sonntag eine große militärische Offensive gegen Aserbaidschan begonnen und dicht bevölkerte Gebiete und Einrichtungen entlang der Frontlinie bombardiert, sein Land habe im Anschluss einen Gegenangriff gestartet, erklärte Israfilov. Alles, was in Berg-Karabach mit Aserbaidschan zu tun habe, werde zerstört, klagte er. „Trotz unserer Aufforderungen an die OSZE, diesen Trend zu stoppen oder umzukehren, hören wir nur die Aufforderung mit Armenien zu diskutieren und dass die OSZE dabei nur unterstützten könne. Wenn die Staatengemeinschaft die Sicherheit nicht wieder herstellt und Armenien nicht auffordert, sich von unserem Gebiet zurückzuziehen, haben wir nur eine Wahl, die auf Artikel 51 der UN-Charta basiert: Das Recht auf Selbstverteidigung“, sagte er.

Internationale Beobachter wegen Corona nicht vor Ort
Keine aktuellen Perspektiven einer diplomatischen Lösung sieht derzeit auch der armenische Botschafter in Wien, Armen Papikyan. Er warf seinerseits Aserbaidschan eine militärische Eskalation an der Kontaktlinie zwischen Aserbaidschan und Berg-Karabach vor, wie es sie zuletzt Anfang der Neunzigerjahre gegeben habe. „Wir erwarten von der Staatengemeinschaft und insbesondere von der OSZE eine klare und unmissverständliche Bewertung der aserbaidschanischen Aggression. Sie sollten sagen: Da steht Aserbaidschan dahinter und es sollte aufhören“, erklärte Papikyan gegenüber der APA.

Aserbaidschan behauptete freilich, dass Armenien die Aggression begonnen hat, erläuterte er. Aber niemand könne dafür gute Gründe oder eine logische Erklärung liefern, warum Armenien und Berg-Karabach nun damit begonnen haben sollten, betonte er. Der armenische Botschafter bedauerte, dass unabhängige internationale Beobachter derzeit Covid-bedingt nicht vor Ort seien.

Syrische Kämpfer als türkischer „Arm“ bereits in Aserbaidschan?
Ein länger andauernder militärischer Konflikt könnte weitreichende Auswirkungen haben. Russland und die Türkei konkurrieren um Einfluss in der Kaukasusregion. Das ölreiche Aserbaidschan hat seine Armee in den vergangenen Jahren mit Hilfe der Türkei hochgerüstet. Es gibt auch zahlreiche Berichte, wonach islamistische Kämpfer nun zunehmend von der syrischen Front nach Aserbaidschan verlegt würden. Dafür gibt es aber bisher keinerlei offizielle Bestätigung. Das deutsche Auswärtige Amt erklärte am Montag, es würden ihr keine eigenen Erkenntnisse dazu vorliegen.

Während sich Russland als Vermittler ins Spiel gebracht hat, fordert der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan von Armenien ein Ende der „Besatzung“ der umstrittenen Region. „Die Zeit ist gekommen, die Krise in dieser Region zu beenden, die mit der Besatzung von Berg-Karabach begonnen hat“, sagte Erdogan am Montag.

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