Livealbum

Dee Snider: Twisted-Sister-Legende auf Solopfaden

Musik
29.07.2020 06:00
(Bild: kmm)

„Headbanger kommen als Erwachsene besser zurecht als Nicht-Metal-Fans“. Das sagte Dee Snider, einst schriller Frontman von Twisted Sister, im Gespräch mit der APA unter Berufung auf eine Studie. Der US-Sänger bringt am Freitag das Set „For The Love Of Heavy Metal Live“ heraus und erzählte am Telefon in seinem Haus in Belize, warum ihn seine Manager für Nostradamus halten.

Emotionsreinwaschung
Aufklärungsbedarf benötigt zunächst einmal die besagte Studie. „Ich würde deswegen sogar von einem Fachblatt für Psychologie interviewt“, berichtete der 65-Jährige nicht ohne Stolz in der Stimme. „Die Experten waren vom Ergebnis der Untersuchung verwirrt! Aber ich konnte ihnen den Grund nennen: Dunkle Emotionen müssen ausgedrückt werden. Frust, Herzschmerz, Angst - all das muss raus! Das gelingt uns durch Heavy Metal. Wir gehen zornig ins Konzert und lächelnd wieder nach Hause. Weil wir die schlechten Gefühle heraus-und in der Konzerthalle zurückgelassen haben. Fans anderer Musikstile können das nicht.“

Daher sehe er es als seine Aufgabe, „das Publikum auf eine emotionale Reise mitzunehmen“, wie Snider betonte. „Und diese sollte Spaß machen. Das Publikum soll schreien, lachen und auch seinen Ärger rauslassen.“ Das Programm auf „For The Love Of Heavy Metal“ (erscheint als Tonträger plus Video) sei entsprechend gestaltet. Da es Corona bedingt derzeit so gut wie keine Konzerte gibt, kommt das Paket für Fans wohl zur rechten Zeit. Dabei war der Release bereits vor der Krise geplant.

Nostradamus
„Meine Manager glauben ja, ich wäre Nostradamus“, lachte Snider. „Denn ich habe im Vorjahr angekündigt, dass ich 2020 keine Shows spielen werde. Ich hatte natürlich keine Ahnung, dass ich tatsächlich gar nicht auftreten hätte können. Aber die Frage kam auf, was wir 2020 den Fans bieten könnten. Da entstand die Idee eines Konzertfilms und Livealbums. Das Projekt zeigt mit Liveaufnahmen, Backstageszenen und Interviews, woher ich komme und wie ich heute bin.“

Der Musiker stand vor 30 Jahren gemeinsam mit Kollegen wie Frank Zappa vor dem US-Senat, um gegen Zensur im Namen des angeblichen Jugendwohls anzukämpfen. „Zensur bleibt ein Thema“, sagte dazu Snider. „Die Konservativen überall auf dieser Welt wollen alles kontrollieren. Künstler verschieben stets die Grenzen. Die Konservativen wollen dann diese Grenzen wieder ein Stück nach hinten rücken.“

Kampf gegen den Istzustand
Mit dem Istzustand sollten sich Kreative allerdings nicht zufriedengeben: „Man stelle sich mal vor, was passiert wäre, wenn Künstler nie Grenzen überschritten hätten, wo da jetzt die Menschheit stehen würde“, sinnierte Snider. „Es ist ein fortwährendes Kräftemessen. Schrägerweise kommen mittlerweile mehr Meinungen von der linken Seite, was man alles nicht mehr sagen dürfe in der Kunst. Nicht einmal Satire ist davon ausgenommen.“

Was hält der Sänger vom Verbannen heute nicht mehr politisch korrekter Filme? „Es gibt sicher bessere Wege, sich mit Werken aus der Vergangenheit auseinanderzusetzen, als sie wegzusperren.“ Klare Worte findet der Künstler zur aktuellen Situation in seiner Heimat: „Pures Chaos! Trump zerstört all das, was unser Land ausgemacht hat. Manche Leute dachten: Oh, wir haben einen schwarzen Präsidenten, jetzt ist alles gut. Aber Trump hat allen die Wahrheit gezeigt: Da gibt es einige grausliche, böse Menschen in diesem Land, engstirnige, sexistische Rassisten.“

Statement fürs Miteinander
Sein Konzertfilm sei daher auch als Statement gedacht: „Ich ließ mehrere Shows filmen und diese zu einem Konzert zusammenfügen. Denn man hat das Gefühl, dass die Welt zerfällt, aber Musik verbindet uns alle. Es ist schön zu sehen, wie ich in Schweden vor einem überwiegend hellhäutigem Publikum und beim nächsten Song in Brasilien vor dunkelhäutigen Fans auf der Bühne stehe - und alle haben Freude mit den gleichen Liedern und dem gleichen Künstler. Das zeigt doch, wie nahe wir uns alle sind, dass wir mehr gemeinsam haben als Unterschiede.“

Dee Snider wurde mit Twisted Sister („I Wanna Rock“) berühmt („Wir wurden mit Mitsing-Hymnen bekannt, aber wir waren im Herzen eine waschechte Metalband“), sein blonder Lockenkopf und viel Make-up prägten sein Erscheinungsbild. War ihm das Selbstvertrauen in die Wiege gelegt worden? „Na ja, ich war kein populäres Kind“, antwortete der Frontman. „Aber ich hatte immer das Gefühl, es mir zu verdienen, auf einer Bühne zu stehen und vom Publikum ernst genommen zu werden. Das war mein Ego.“

Voll Feuereifer
Mittlerweile arbeitet Snider solo und lebt an mehreren Orten. „Wir haben in Belize ein Haus am Strand renoviert. Als sich die Covid-Krise zuspitze, sind wir gleich hierhergezogen. Aber normalerweise verbringe ich auch Zeit in Las Vegas und New York.“ Von einem ruhigen Dasein am Meer will der quirlige Blondschopf also nichts wissen: „Mein nächstes Projekt sind zwei Filme, bei denen ich Regie führe. Einer ist das Remake eines 80er-Horror-Klassikers. Und ich habe soeben meinen ersten Roman fertiggestellt.“

APA/Wolfgang Hauptmann

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