Markovics als Freud

Partituren und Passionen: “Mahler auf der Couch”

Kino
08.09.2010 17:00
Partituren und Passionen: Das brillant besetzte Melodram "Mahler auf der Couch" stellt die verbürgte Begegnung zwischen dem Musikgenie Gustav Mahler und dem Psychoanalytiker Sigmund Freud, der von Oscar-Preisträger Karl Markovics gespielt wird, in den Mittelpunkt. Niemals zuvor wurde das Seelenleben Mahlers und die Beziehung zu seiner Frau Alma in solcher Emotionalität aufgerollt.

Sie hatte ein ungeheures Talent, Sklaven zu machen, Hörigkeit zu entfachen, Herzen zu kapern. Alma Mahler war eine Frau von faszinierender Ausstrahlung und von ungemein erotisierender Wirkung auf die meisten Männer in ihrer Umgebung. Extrem charismatische Männer. Berechnend wusste sie mit ihren Verehrern zu flirten, um sie nach geraumer Zeit oder just dann, wenn eine Ehe im Dämmerschlaf versank, abzuservieren. Dass ihre sexuelle Neugier im Umfeld der prüden Moral ihrer Zeit für Aufsehen sorgte, lag auf der Hand.

Zu ihren "Opfern" zählte auch das Musikgenie Gustav Mahler. Sie hatte den berühmten Direktor der Wiener Hofoper wohl schon länger im Visier, bevor sie den 41-Jährigen 1901 auf einer Abendgesellschaft im Salon von Berta Zuckerkandl näher kennenlernen sollte. Und wieder wurde sie einem Mann zum Verhängnis, ließ sich von ihm gar die Ehefessel anlegen. Doch Mahlers frommer Wunsch "Du hast von nun an nur einen Beruf: mich glücklich zu machen" sollte von ihr, der raffinierten Verführerin und Muse, nur bedingt erfüllt werden. Ja, Mahler litt wie ein Hund unter der Untreue seiner Gattin Alma, die das vermeintliche Glück durch eine leidenschaftliche Beziehung zu Walter Gropius untergrub und letztlich zerstörte, und er reiste im Sommer 1910 ins holländische Leiden, um sich beim Psychoanalytiker Sigmund Freud das Leid von der Seele zu reden.

Vater und Sohn auf Regiestuhl
Dass dieses Treffen stattfand, ist verbürgt. Wie es abgelaufen sein könnte, hat das Regieduo - Vater und Sohn - Percy und Felix Adlon voll Witz und Weisheit in das cineastisch anspruchsvolle Melodram "Mahler auf der Couch" gepackt. Da entspinnt sich auf langen Spaziergängen ein durchaus humorvoller Schlagabtausch zwischen dem in seiner Männlichkeit verletzten, desperaten Komponisten und dem Seelendoktor Freud, der statt Trost zu spenden den Freund zur Konfrontation mit unbequemen Wahrheiten zwingt. Dass die pikante Amour fou Almas mit dem "Szene-Architekten" just durch einen delikaten Brief auffliegt, den Gropius versehentlich an Mahler selbst statt an die Geliebte adressiert hatte, kann als Freud'sche Fehlleistung par excellence gewertet werden.

Als genialer Besetzungscoup entpuppt sich das darstellerisch elitäre Trio, bestehend aus Oscar-Preisträger Karl Markovics ("Die Fälscher") als Sigmund Freud, Johannes Silberschneider als desillusioniertes Musikgenie Mahler und der ambitionierten Barbara Romaner als Alma Mahler. Nicht einen Moment wirkt diese Geschichte eines schwelenden Ehekonflikts antiquiert. Voll sanfter Ironie und garniert mit köstlichen Bonmots, loten Percy und Felix Adlon sowohl die Männer- als auch die Frauenpsyche aus, wobei Mahlers sinfonische Klangfülle zum akustisch-dramatischen Ohrenschmeichler wird.

150. Geburtstag von Mahler
Kindheitserinnerungen, Traumsequenzen sowie Glücksmomente und Dissonanzen im Hause Mahler sind abwechslungsreicher Stoff dieser Produktion, die noch dazu in das Jahr des 150. Geburtstages von Gustav Mahler fällt. Gedreht wurde in Wien, in Tirol und am oberösterreichischen Attersee sowie in Holland und Deutschland.  

Wenn sich Mahler in seiner Not zum zerknirschten Probanden Freud'scher Seelendeutung macht, wird der Zuseher zum Komplizen einer Begegnung, die durch Karl Markovics' famos trockenen Humor grandiose Situationskomik trotz aller Schwere und Tragik bereithält. Eine exquisite Gesellschaftsstudie zudem, die durch quasi dokumentarische Wortspenden illustrer Zeitzeugen unterfüttert wird. Psychoanalyse der spannenden Art also, die um das ewig männliche Dilemma fordernder Weiblichkeit kreist. Sigmund Freuds berühmte Couch ist überall dort, wo sich echte Seelenpein ermattet hinstreckt.

von Christina Krisch, Kronen Zeitung

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