Wider das Vergessen

Zeitzeugenarchiv – die Bewahrung alten Wissens

Tirol
11.02.2020 13:00

Die Vergänglichkeit ist es, die den Filmemacher Thomas Junker motiviert hat, im Kaunertal das erste digitale Zeitzeugenarchiv aufzubauen. Die Idee, Menschen und ihre bewegenden Geschichten mit bewegten Bildern zu verewigen, begeistert auch in Sölden, Prutz und Zams.

Er reist zum Nord- und Südpol, ist den Göttern im Himalaya und den Anden nah, um das Leben der Menschen festzuhalten: der Bayerische Journalist und Filmemacher Thomas Junker. Sein großes Herz für Alltagsgeschichten aber schlägt für das kleine Kaunertal. „Mit dem Hotelier Charly Hafele entwickelte sich vor vielen Jahren eine tiefe Verbundenheit“, erinnert sich Junker. Mit Hafeles Mitarbeit entstand der Dokumentarfilm „Ein Jahr im Kaunertal – Nacht & Heint“. Um das frühere Alltagsleben in den Gemeinden Kaunertal, Kauns und Kaunerberg zu dokumentieren, wurden 63 Zeitzeugen interviewt – die „Krone“ berichtete. Daraus entstand eine begeisternde Idee.

Einige sind bereits verstorben
„Wenn Menschen sterben, ist ihr Wissen und das Wissen über ihre Persönlichkeit für immer verloren“, sagt Junker, „also beschlossen wir, dieses Erbe mit einem offenen, digitalen Zeitzeugenarchiv zu bewahren.“ Das Konzept ist gleichzeitig einfach und genial: Mit zwei statischen Kameras wird das Interview gefilmt, Lebensgefährtin Alexandra sorgt für den guten Ton. „Ich fange immer mit der Geburt an, dann kommt meist die ganze Lebensgeschichte“, schildert der Dokumentierer. Der Unterschied etwa zu einem Tagebuch: Stimme, Dialekt, Mimik – der Mensch in seiner Gesamterscheinung bleibt erhalten. Und unglaubliche Geschichten.

Die rasende Entwicklung unserer Gesellschaft werde bewusst, wenn ein 93-Jähriger erzählt: „Ich ging barfuß in die Schule, habe die erste Mondlandung erlebt und jetzt wische ich.“ Mit „wischen“ habe er die Betrachtung der Fotos auf seinem Handy gemeint. Von den mehr als 100 interviewten Menschen im Kaunertal seien mittlerweile über 20 gestorben. Unter www.kaunertaler-zeitzeugen.at sind auch diese Lebensgeschichten, die nun von unschätzbarem Wert sind, für jeden frei zugänglich.

Drehs in Sölden und Prutz, Zammer Gemeinderat gab kürzlich OK
Mittlerweile zieht die neue Archiviermethode weitere Kreise. „In Sölden sind wir mitten in den Arbeiten und in Prutz haben wir gerade begonnen“, erzählt Alexandra Junker, die davon fasziniert ist, dass so Geschichten und Menschen erhalten bleiben. „Dies übertrifft alle bisherigen Methoden der Dokumentation“, sagt Söldens Bürgermeister Ernst Schöpf, „auch in unserer Gemeinde sind schon einige Interviewte gestorben, die unter www.zeitzeugen-soelden.at weiterleben.“

Davon begeistert ist auch der Prutzer BM Heinz Kofler: „Filme sind zeitgemäßer als dicke Chronikbücher. Wir bauen das Zeitzeugenarchiv anlässlich unserer 1000-Jahr-Feier 2027 auf, 18 Interviews sind schon im Kasten. Wir werden einige in unsere Bewerbung zum europäischen Dorferneuerungspreis einbauen.“ Und vielleicht ist es gerade dieser Erhalt des gesellschaftlichen Erbes, der den Großpreis nach Prutz holen wird. Auch der Zammer Gemeinderat hat kürzlich den Aufbau dieses Zeitzeugenarchives beschlossen.

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