Aufregung im ORF

Postenschacher- und Mobbing-Krieg im Staatsfernsehen

Österreich
01.07.2010 11:46
Im Staatsfernsehen tobt derzeit - wieder einmal - ein Postenschacher-Krieg, der offenbar zunehmend mit Schmutzkübeln geführt wird. Es geht dabei um die Nachbesetzung zweier Schlüsselposten, der Leitung der TV-Magazine (u.a. mit "Am Schauplatz") und des Radio-Flaggschiffes Ö1. Die Gleichstellungsbeauftragte des ORF, Monika Rupp, erhebt jetzt in einer Aussendung schwere Mobbing-Vorwürfe. Kandidatinnen für die Jobs würden von ORF-internen Kräften öffentlich diskreditiert und Mitarbeiter mit Gerüchten gegen die Bewerber aufgehetzt.

Bei den namentlich von Rupp nicht genannten Bewerberinnen handelt es sich offenbar um Lisa Totzauer, die als mögliche Nachfolgerin des in Pension gehenden Johannes Fischer die Fernseh-Magazine übernehmen könnte, sowie die als Ö1-Chefin gehandelte Radio-Chefredakteurin Bettina Roither, die dem ebenfalls in den Ruhestand tretenden Radio-Urgestein Alfred Treiber nachfolgen will.

Beide wurden den vergangenen Tagen öffentlich der bürgerlichen "Reichshälfte" zugeordnet und als ÖVP-Wunsch im "politischen Kuhhandel" rund um das kürzlich beschlossene ORF-Gesetz bezeichnet. Bei Totzauer wurden darüber hinaus angeblich gute Kontakte zum ÖVP-nahen Kaufmännischen Direktor Richard Grasl bzw. zum niederösterreichischen Landeshauptmann Erwin Pröll ins Spiel gebracht. Gerüchte wurde weiters von Widerstand gegen Totzauer aus dem Kreis der Magazinredakteure gestreut sowie von Informationsdirektor Elmar Oberhauser, der die anstehenden Personalentscheidungen aber nicht öffentlich kommentierte.

ORF-Sprecher Strobl fürchtete "Mobbing-Kampagne"
ORF-Kommunikationschef Pius Strobl, ein ehemaliger Grün-Funktionär, hatte die Gleichbestellungsbeauftragte am Mittwoch per Mail um Einschreiten gebeten. Gegen Totzauer seien diffamierende und diskreditierende Unterstellungen erschienen, "die ganz eindeutig aus dem ORF gespielt werden und die in ihrer inhaltlichen Bedeutung eindeutig als Mobbing zu sehen sind", zitiert die Austria Presseagentur aus dem ihr vorliegenden Strobl-Mail.

Der Kollegin werde fachliche Qualifikation abgesprochen, Nähe zu einer politischen Partei unterstellt und sie werde als "in der Wolle gefärbte Schwarze" denunziert. Gegenüber den ORF-Journalisten würden von den Mobbern wiederum weitreichende Folgen für den Fall einer Bestellung Totzauers angekündigt - "wohl mit dem Ziel, Angst und Schrecken zu verbreiten und eine Bestellung zu verhindern". Der ORF-Kommunikationschef schreibt weiters von einer "Mobbing-Kampagne" und fürchtet "bleibende Imageschäden".

Rupp wehrt sich gegen Zurufe von "Mentoren"
Rupps öffentlicher Rüffel folgte nun am Donnerstag. Dabei übte die Gleichstellungsbeauftragte des ORF indirekt auch Kritik am scheidenden Ö1-Chef Alfred Treiber und am bisherigen TV-Magazin-Chefredakteur Johannes Fischer, der zuletzt in der Causa um die "Am Schauplatz"-Reportage "Am rechten Rand" mehrmals an die Öffentlichkeit gehen musste. Treiber und Fischer hatten im Vorfeld klar Stellung für ihre Wunschnachfolger bezogen. Rupp: "Zurufe von ORF-Entscheidungsträgern im Interesse ihrer jeweiligen Kronprinzen erachten die Frauen im ORF überwiegend als mehr als entbehrlich. Sie beschädigen nicht nur massiv das Image einzelner Bewerberinnen, sondern auch einzelner Bewerber, die sich im Zuge standardisierter interner Hearings durchaus selbst präsentieren konnten und keiner Fürsprache ihrer Mentoren bedürfen sollten."

In der vergangenen Woche gab es für die Nachbesetzungen bei Ö1 und den Fernsehmagazinen interne Hearings. Für die Ö1-Leitung sei dabei ein Dreier-Vorschlag mit Bettina Roither auf der Liste erstellt worden, bei den Fernseh-Magazinen wurde kolportiert, dass es Totzauer nicht auf einen solchen Dreier-Vorschlag geschafft habe. Tatsächlich ist aus ORF-Kreisen zu hören, dass es nach den Hearings gar keine "Short Lists" gab, sondern "offene Diskussionen über die fachliche Qualifizierung der Bewerber".

"Was Peter über Paul sagt, sagt mehr über Peter als über Paul"
Rupp weist darauf hin, dass damit die auf einer Betriebsvereinbarung basierende Absicht konterkariert wurde, "abseits von Vorannahmen und damit verbundenen Vorurteilen - mit welchen sich gegenständlich vor allem hochqualifizierte Frauen im ORF konfrontiert sehen - mittels Hearings den Boden für sachlich gerechtfertigte Personalentscheidungen gut aufzubereiten, indem Informationen bezüglich der Hearing-Ergebnisse in Form von Halbwahrheiten nach außen kolportiert und in der Folge verbreitet wurden".

Verallgemeinerung, Verzerrung und Vorverurteilung sollten intern wie extern durch differenzierte und fundierte Meinungsäußerungen ersetzt werden, so Rupps Appell. Speziell auf die Integrität unabhängiger ORF-Mitarbeiterinnen abzielende Diskreditierungs-Versuche entlarvten sich von selbst nach der Erkenntnis: "Was Peter über Paul sagt, sagt mehr über Peter als über Paul."

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