Wählerstromanalyse

Wer bei der Hofburg-Wahl warum verweigerte

Österreich
25.04.2010 22:36
Die absolute Mehrheit bei der Bundespräsidentschaftswahl haben am Sonntag die "Wahlverweigerer" erreicht. Durch die 226.986 ungültigen Stimmen (7,3 Prozent der abgegebenen) wird ihr Anteil auch dann überwiegen, wenn nach Auszählung der Wahlkarten die Beteiligung im Endergebnis auf knapp über 50 Prozent steigt. Aber wer sind diese rund 3,2 Millionen Österreicher? Die Wählerstromanalyse zeigt, dass viele Nichtwähler aus dem bürgerlichen und rechten Lager kommen, die Weißwähler tatsächlich mehrheitlich ÖVP-Anhänger sind und nur ein Viertel der FPÖ-Anhänger die eigene Kandidatin wählte.

Am Wahlsonntag wurde mit 49,17 Prozent erstmals bei einer Bundespräsidenten-, Nationalrats- oder Landtagswahl eine Wahlbeteiligung von weniger als 50 Prozent ausgewiesen. Auch wenn die Wahlkarten dazukommen, wird die Hofburg-Wahl 2010 den Tiefpunkt in dieser Kategorie markieren. Nur von den letzten drei EU-Wahlen kannte man bisher solche Werte, wo 2004 mit nur 42,43 Prozent ein absoluter Negativrekord erreicht wurde.

Die Wählerstromanalyse des SORA-Instituts für den ORF zeigt, dass viele Nicht- und Weißwähler aus dem bürgerlichen und dem rechten Lager kommen. 15 Prozent der Nichtwähler der Hofburg-Wahl 2010 hatten bei der Nationalratswahl 2008 die ÖVP gewählt, 18 Prozent die FPÖ und 10 Prozent das BZÖ. 46 Prozent der Nichtwähler bezeichneten sich auch schon 2008 als solche. 

Die ungültigen Stimmen kommen zu 55 Prozent von ÖVP-Wählern, einen signifikanten Anteil hat hier auch noch das SPÖ-Lager mit 13 Prozent. FPÖ- und BZÖ-Wähler liegen unter 5 Prozent. 

Während die Nichtwähler von 2008 fast zur Gänze auch 2010 Nichtwähler blieben, hat nur die Hälfte der Weißwähler von 2008 auch 2010 eine ungültige Stimme abgegeben. Der Rest blieb an diesem Wahlsonntag auch nicht daheim, sondern wählte gültig.

Mobilisierung: FPÖ-Wähler scheuten vor Rosenkranz
Betrachtet man die Parteien einzeln (Stichwort: Mobilisierung), so hat die FPÖ überraschenderweise den größten Nichtwähleranteil unter ihren Anhängern, obwohl sie eine eigene Kandidatin hatte. 62 Prozent der Bürger, die 2008 die Freiheitlichen wählten, blieben zu Hause, nur 25 Prozent stimmten für die Parteikandidatin Barbara Rosenkranz, 11 Prozent gaben Heinz Fischer ihre Stimme, 2 Prozent Rudolf Gehring, und 1 Prozent wählte ungültig. Beim BZÖ sieht es ähnlich aus: 59 Prozent wählten nicht, 21 Prozent Rosenkranz, 17 Prozent Fischer, 2 Prozent Gehring, 1 Prozent ungültig. Bei den BZÖ-Stimmen für Rosenkranz ist zu beachten: Die FPÖ-Kandidatin erreichte in Kärnten mit einer Wahlempfehlung des ehemaligen BZÖ, das jetzt als FPK mit der FPÖ verbandelt ist, rund 20 Prozent. 

Von den ÖVP-Anhängern sind hingegen weniger als die Hälfte "Verweigerer", nämlich nur 46 Prozent, die sich aus 36 Prozent Nichtwählern und 10 Prozent Weißwählern zusammensetzen. Der Aufruf zum Ungültigwählen setzte sich also bei der Mehrheit der Volkspartei-Fans nicht durch. 44 Prozent der ÖVP-Wähler von 2008 stimmten für Fischer, 6 Prozent für Gehring, 4 Prozent für Rosenkranz.

Die Wählerströme zu den einzelnen Kandidaten
Die Zusammensetzung der Wählerströme der einzelnen Kandidaten stellt sich wie folgt dar: Die rund 2,5 Millionen Stimmen für Fischer kamen zu 47 Prozent von SPÖ-Wählern. 22 Prozent kamen von der ÖVP, 17 Prozent von den Grünen, 4 Prozent von der FPÖ, 3 Prozent vom BZÖ und 7 Prozent von den Anhängern sonstiger Parteien bzw. von ehemaligen Nichtwählern.

Die Verteilung der 484.000 Stimmen für Rosenkranz: 44 Prozent FPÖ-Wähler, 23 Prozent BZÖ, 12 Prozent SPÖ, 11 Prozent ÖVP, 2 Prozent Grüne und 5 Prozent Sonstige und ehemalige Nicht- bzw. Weißwähler. Die Verteilung bei den 172.000 Stimmen für Gehring: 45 Prozent ÖVP, 20 Prozent Sonstige, 10 Prozent SPÖ, 8 Prozent FPÖ, 7 Prozent BZÖ, 5 Prozent Grüne. 6 Prozent kommen von Nicht- und Weißwählern der NR-Wahl 2008.

Nichtwähler-Motive: Kandidatenangebot und Protestwille
Die wichtigsten Motive der Nichtwähler für ihre Entscheidung waren laut SORA ein fehlendes Kandidatenangebot und der Eindruck, dass der Wahlausgang schon lange festgestanden sei. Fehlendes Interesse an der Bundespräsidentenwahl an sich und der Ausdruck eines Protestes und einer Enttäuschung über die Politik waren weitere Motive, nicht an der Wahl teilzunehmen. Gleiches gilt für die Einschätzung, dass das Hofburg-Amt nicht wichtig sei.

Entscheidend für die Nichtwähler 2010 waren damit einerseits Faktoren, die im unmittelbaren Kontext der Wahl stehen, andererseits aber durchaus auch Protestmotive. Die Abschaffung der Direktwahl oder des Amtes an sich findet aber keine mehrheitliche Zustimmung bei Nichtwählern, so die SORA-Analysten.

Besonders niedrig war die Wahlbeteiligung bei Personen unter 30 und dieses Mal auch bei Wählern über 60. 

SORA erhob auch Wahlverhalten der "Krone"-Leser
Bei der Wählerumfrage erhob das SORA-Institut auch das Wahlverhalten der "Krone"-Leser. Demnach gaben 78 Prozent der Befragten, die von sich sagen, sich in Sachen Zeitung nur über die "Krone" zu informieren, ihre Stimme für Fischer ab. Auf Rosenkranz entfielen 18 Prozent, auf Gehring 4 Prozent.

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