„Gegen Faschismus“

Opposition will Wahl Erdogans annullieren lassen

Ausland
08.05.2019 16:02

Die türkische Opposition versucht die Regierungspartei AKP offenbar mit ihren eigenen Waffen zu schlagen. Nach der Annullierung der Bürgermeisterwahl in Istanbul, wo die Partei von Präsident Recep Tayyip Erdogan im März eine Niederlage erlitten hatte, pocht die oppositionelle CHP nun auf eine Annullierung der Präsidenten- und Parlamentswahl von 2018. Zur Begründung ihrer Entscheidung für eine Neuwahl in Istanbul hatte die Wahlbehörde am Montag angegeben, nicht alle Helfer an den Wahlurnen seien Staatsbedienstete gewesen - so wie es die Vorschriften vorsähen. Dieses Argument bringt nun auch die CHP vor.

„Wenn Ihr (die Wahlkommission) sagt, die Wahl von Ekrem Imamoglu sei fragwürdig, dann ist die Wahl von Herrn Recep Tayyip Erdogan am 24. Juni ebenfalls fragwürdig“, betonte CHP-Vizeparteichef Muharrem Erkek am Mittwoch. Denn auch bei den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen seien „Zehntausende Menschen, die keine Staatsbedienstete waren, an Wahlurnen beschäftigt gewesen“. Erkeks Schlussfolgerung lautete daher: „Der Logik der Wahlkommission folgend müsste nicht nur dem neuen CHP-Bürgermeister von Istanbul, sondern auch dem Staatspräsidenten das Mandat aberkannt werden.“ Die Wahlen von 2018 hatten Erdogans Macht weiter zementiert.

Der Kandidat der Mitte-links-Partei CHP, Ekrem Imamoglu, hatte die Kommunalwahl in Istanbul am 31. März knapp vor dem Kandidaten der islamisch-konservativen Regierungspartei AKP, Binali Yildirim, gewonnen. Die beiden lagen zunächst nur rund 24.000 Stimmen auseinander - nach Neuauszählungen sogar nur noch rund 14.000. Die CHP hat nun Sorge, dass bei der Neuwahl urlaubsbedingt Wählerstimmen verloren gehen, was das Ergebnis zugunsten der AKP umdrehen könnte.

Wählermobilisierung mit skurrilen Mitteln
Aus diesem Grund versuchen Parteiaktivisten mit mitunter skurrilen Mitteln, die eigenen Wähler zum erneuten Urnengang zu motivieren. In der westtürkischen Provinz Canakkale wurde zum Beispiel vor Haifisch-Angriffen auf Strandbesucher gewarnt. Aus Bodrum hieß es an die „lieben Bürger von Istanbul“ gerichtet, alle Strände seien wegen Schneewarnungen am 23. Juni geschlossen. „Wir empfehlen, dass Sie den Sonnenaufgang in Istanbul genießen.“

Die Wahlannullierung hat in Istanbul massive Proteste ausgelöst. Neben Slogans wie „Das ist erst der Anfang, der Kampf geht weiter“ oder „Schulter an Schulter gegen den Faschismus“ hört man seit Tagen das Schlagen gegen Töpfe oder Pfannen - eine Form des Protests, die an die regierungskritischen Gezi-Proteste im Jahr 2013 erinnert.

Kritik auch aus Reihen der AKP
Aber auch prominente AKP-Politiker übten Kritik an der Entscheidung der Wahlkommission. Der frühere Ministerpräsident Ahmet Davutoglu schrieb am Dienstagabend auf Twitter, die Entscheidung zur Wahlannullierung habe „einen unserer fundamentalen Werte beschädigt“. Weiterserklärte er, der größte Verlust für politische Bewegungen sei „nicht die Niederlage bei einer Wahl, sondern der Verlust der moralischen Überlegenheit und des sozialen Gewissens“. Ex-Präsident Abdullah Gül zog eine Parallele zum Jahr 2007 - damals hatte das Verfassungsgericht seine Wahl ins Präsidentenamt zunächst annulliert. „Es ist traurig, dass wir seitdem keinen Fortschritt machen konnten“, sagte Gül.

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