Fall kurz vor Lösung?

Türkei soll Beweise für Mord an Khashoggi haben

Ausland
12.10.2018 12:07

Im Fall des verschwundenen Journalisten Jamal Khashoggi scheint ein brisanter Zeitungsbericht den Verdacht gegen die saudische Staatsführung zu erhärten. Laut der „Washington Post“ existieren Ton- und Videoaufnahmen, die belegen sollen, dass Khashoggi vor eineinhalb Wochen im saudischen Konsulat ermordet wurde. Das Blatt beruft sich dabei auf türkische und US-amerikanische Beamte.

Die „Washington Post“ zitiert eine anonyme Quelle, die Kenntnis von den Aufnahmen haben soll. Demnach belegen die Bänder, dass Khashoggi erst verhört, dann gefoltert und schließlich getötet wurde. Mehreren Beamten zufolge sei die Leiche des Journalisten anschließend zerstückelt worden. Zuvor hatte schon die „New York Times“ unter Berufung auf türkische Sicherheitskreise berichtet, dass ein Team saudischer Agenten Khashoggi in dem Konsulat getötet, seinen Körper danach mit einer Knochensäge zerstückelt und die Reste mutmaßlich in Koffern aus dem Konsulat geschafft habe.

Wie kamen Amerikaner an das Material?
Nach Informationen der Zeitung scheut die türkische Seite eine Veröffentlichung der Aufnahmen, um nicht zu offenbaren, wie Einrichtungen ausländischer Staaten in der Türkei ausspioniert werden. Unklar sei deshalb auch, inwiefern amerikanische Stellen das angebliche Beweismaterial bereits einsehen durften. Die türkische Regierung habe US-Regierungsvertretern aber versichert, im Besitz kompromittierender Aufnahmen zu sein, die keinen Zweifel an der Mordthese lassen.

Sollte sich die Türkei tatsächlich Aufnahmen aus dem Inneren der Landesvertretung der Regionalmacht Saudi-Arabien verschafft oder diese gar selbst heimlich angefertigt haben, würde der ohnehin bereits zur Staatsaffäre ausgewachsene Fall Khashoggi nochmals neue Dimensionen bekommen.

Fall soll „in all seinen Facetten“ beleuchtet werden
Khashoggi (59) hatte am 2. Oktober das saudische Konsulat in Istanbul betreten, um Papiere für die Hochzeit mit seiner türkischen Verlobten abzuholen. Seitdem wird er vermisst. Den schon nach kurzer Zeit von türkischer Seite erhobenen Vorwurf, der Regimekritiker sei im Konsulat ermordet worden, weist Saudi-Arabien zurück. Zudem hat die Führung in Riad eine Aufklärung des Falls versprochen.

Zwar kündigte das türkische Präsidialamt am Donnerstag die Einrichtung einer gemeinsamen Arbeitsgruppe mit Saudi-Arabien an, um den Fall „in all seinen Facetten“ zu beleuchten und aufzuklären, Skeptiker, die an der Ernsthaftigkeit dieser Absichten zweifeln, dürften sich durch die jüngsten Medienberichte aber bestätigt sehen.

Khashoggi war vor mehr als einem Jahr aus Angst vor politischer Verfolgung ins US-Exil gegangen. Dort schrieb er unter anderem Artikel für die „Washington Post“. Der Journalist begrüßte zwar grundsätzlich die Reformen des saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman, kritisierte aber dessen zunehmend autoritäre Herrschaft.

USA erhöhen Druck auf Saudi-Arabien
Die US-Regierung erhöhte am Donnerstag den Druck auf ihren engen Verbündeten Saudi-Arabien. Zwar weile der saudische Botschafter in den USA derzeit in Riad, sagte Außenministeriumssprecherin Heather Nauert, allerdings fügte sie hinzu: „Wir haben ihm gesagt, dass wir bei seiner Rückkehr in die Vereinigten Staaten Informationen erwarten.“

Nauert betonte, sie wolle vor dem Abschluss einer Untersuchung keine Schuldzuweisungen treffen. „Wir wissen nicht, was passiert ist“, sagte sie. Die US-Regierung sei jedoch „extrem besorgt über die Situation“, die größte Aufmerksamkeit auf der höchsten Ebene auf sich gezogen habe. Mehrere republikanische und demokratische US-Senatoren forderten US-Präsident Donald Trump auf, zu prüfen, ob in dem Fall eine schwere Menschenrechtsverletzung vorliege und Sanktionen verhängt werden sollten.

Hintergrund ist der sogenannte Magnitsky-Akt, der die US-Regierung in solchen Fällen zu Strafmaßnahmen wie Einreisesperren und dem Einfrieren von Vermögen ermächtigt. Die Senatoren forderten Trump auf, dem Auswärtigen Ausschuss in 120 Tagen zu berichten. Trump nannte das Verschwinden des Journalisten einen „furchtbaren, furchtbaren Präzedenzfall“ und will „herausfinden, was passiert ist“.

Saudische Presse wittert Verleumdungskampagne
Während die Führung Saudi-Arabiens nur wenige Erklärungen zum Verschwinden des Journalisten Jamal Khashoggi abgibt, wähnt die Presse des Landes eine Verleumdungskampagne gegen das Königreich. Am Werk sieht sie dabei vor allem türkische und katarische Medien.

„Es läuft eine orchestrierte Kampagne, um das Königreich zu diskreditieren“, schrieb ein saudischer Kolumnist auf der englischsprachigen Nachrichtenseite Riyadh Daily. Auch die saudische Seite Sabq sieht eine „massive Verwirrungskampagne“. Die saudische Nachrichtenseite Ayil kommt sogar zu dem Schluss, ein Bild von Khashoggi und seiner türkischen Verlobten Hatice Cengiz sei gefälscht. Cengiz sei im Nachhinein in das Foto kopiert worden. Indes ist am Freitag auch eine Delegation aus Saudi-Arabien in der Türkei eingetroffen. Sie habe mit den Ermittlungen in dem Fall zu tun, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu am Freitag.

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