Urteil verkündet

2 Jahren Haft – Täter muss nicht zurück in Zelle

Wien
30.10.2008 15:59
Der 19-jährige, der am 23. April 2008 in Währing den Kommunalpolitiker Gottfried Natschläger mit Gewalt zu Boden befördert hatte, ist am Donnerstagnachmittag im Straflandesgericht wegen Körperverletzung mit Todesfolge und gefährlicher Drohung schuldig erkannt worden. Bei einem Strafrahmen von bis zu zehn Jahren verhängte der Schöffensenat 24 Monate Haft. Davon wurden drei Monate unbedingt ausgesprochen.

Der Rest wurde dem Burschen unter Setzung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen. Damit muss er nicht mehr zurück ins Gefängnis, da ihm die dreieinhalb Monate U-Haft - aus dieser war er Anfang August entlassen worden - auf die Strafe anzurechnen waren. Die Witwe des Politikers bekam 5.000 Euro Schmerzengeld zugesprochen, außerdem muss ihr der 19-Jährige die Begräbniskosten ersetzen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Der Angeklagte akzeptierte die Strafe, die Staatsanwaltschaft erbat sich jedoch Bedenkzeit.

Verteidiger Philipp Winkler sprach von einem "tragischen Unfall, wie er leider passiert und nicht passieren sollte". Sein Mandant habe mit Sicherheit keinen Misshandlungsvorsatz gehabt: "Er hatte keine Möglichkeit, dem Ganzen auszuweichen." Der 19-Jährige hatte sich am Nachmittag mit einem Freund getroffen, um über den Drogentod eines guten Bekannten zu sprechen. Die Burschen konsumierten in den folgenden Stunden je fünf Bier und ein "Cola-Rot", ehe sie gegen 17.00 Uhr einen gemeinsamen Freund besuchen wollten.

In der Straßenbahn benahmen sich die Burschen allerdings daneben, worauf sich Fahrgäste beim Fahrer beschwerten, der sie daraufhin nach draußen beförderte. "Es war eine blöde Situation", erinnerte sich der 19-Jährige nun vor dem Schöffensenat (Vorsitz: Bernhard Kucera). Dass er im Freien in Richtung des Straßenbahners schimpfte und diesen wissen ließ, er möge sich "warm anziehen", legt ihm die Anklagebehörde als gefährliche Drohung aus.

Mit "Rechtsdrall" in Natschläger gekracht
Die jungen Männer fassten schließlich den Entschluss, der Straßenbahn nachzulaufen, um den Mitarbeiter der Wiener Linien an der nächsten Station zu "stellen". "Wir wollten ihn einschüchtern", gab der 19-Jährige dazu zu Protokoll. Am Weg zur Haltestelle passierten sie eine "Tchibo"-Filiale, vor der Natschläger stand und in die Auslage sah. Der Gehsteig ist an dieser Stelle 2,4 Meter breit. "Nach meinen Berechnungen wäre es sich ausgegangen, dass ich an ihm vorbeikomme", schilderte der Angeklagte dem Gericht. Doch im selben Moment habe sein hinter ihm laufender Freund nach ihm gerufen. Er habe sich umgedreht, dabei einen "Rechtsdrall" bekommen und sei in den ihm unbekannten älteren Mann gekracht: "Ich hab' noch die Hand vorgegeben, damit ich mich stützen kann. Ich wollte das blocken. Ich wollte nicht voll hineinlaufen. Ich hab' den Zusammenstoß auch nicht als so stark empfunden."

"Ich war nie aggressiv! Zornig kann man sagen!"
Doch Natschläger verlor das Gleichgewicht, kam zu Sturz und prallte mit dem Kopf gegen eine Steinkante am unteren Ende der Auslage. Der 64-Jährige erlitt ein Schädel Hirn-Trauma, von dem er sich nicht mehr erholte. Am 3. Mai erlag er im Spital einem Herz-Kreislauf-Versagen. Staatsanwalt Wolfgang Swoboda bezweifelt die Darstellung des Angeklagten. Es habe "zumindest einen Schlag gegeben", sagte der Ankläger. Der 19-Jährige sei "fraglos durch Alkohol enthemmt und aggressiv" gewesen. Das ließ der Bursch nicht gelten: "Ich war nie aggressiv! Zornig kann man sagen!"

Zeuge sah "Faust in Kopfhöhe"
Ein Augenzeuge, der sah, wie Natschläger nach der Begegnung mit dem 19-Jährigen zu Boden ging, behauptete im Zeugenstand, dieser hätte den ÖVP-Politiker geschlagen, wobei er eine "Faust in Kopfhöhe" gesehen haben will. Der Angeklagte habe den 64-Jährigen "elegant umlaufen, vorher aber die rechte Hand ausgestreckt und ziemlich punktgenau an der Schläfe getroffen".

Dem widersprach der damalige, zunächst ebenfalls in Tatverdacht geratene Begleiter des Angeklagten, gegen den die Staatsanwaltschaft sämtliche Ermittlungen eingestellt hat. "Er ist der Letzte, der aggressiv ist. Er war immer der Schlichter", sagte der 20-Jährige über seinen Freund. Er sei drei Meter hinter diesem hergelaufen, "und da macht es bumm", schilderte er den Zusammenstoß des 19-Jährigen mit dem Kommunalpolitiker.

"Ich hab' mir gedacht, der steht gleich auf und stellt uns zur Rede", gab der Zeuge zu Protokoll. Als sie in weiterer Folge den Zeitungen entnehmen, dass der 64-Jährige im Koma lag, hätten sie sich unverzüglich bei der Polizei gemeldet. Während er selbst wenige Tage später wieder auf freien Fuß kam, saß sein Freund über drei Monate in U-Haft, ehe er bis zur Hauptverhandlung enthaftet wurde.

Gerichtsmediziner entlastet Angeklagten
Der Gerichtsmediziner Christian Reiter entlastete im Anschluss den angeklagten Burschen. Seinen Ausführungen zufolge dürfte Natschläger einen "Stoßimpuls gegen den Schultergürtel" und damit keinen Faustschlag ins Gesicht oder im Kopfbereich erhalten haben. Diese Annahme sei "am plausibelsten", sagte Reiter.

Dem Sachverständigen zufolge war die eigentliche Todesursache ein Schädelbruch, "der mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit durch den Aufprall am Gehsteig zu erklären ist". Unter der Annahme, dass Natschläger mit dem Gesicht zur Auslagenscheibe stand, habe dessen Körper "einen Rotationseffekt erfahren", führte Reiter aus. Ehe er am Trottoir aufprallte, dürfte der 64-Jährige mit dem Kopf noch eine Mauerkante unterhalb der Scheibe berührt haben - dafür spricht eine strichförmige Rissquetschwunde im Bereich des rechten Ohrs.

 

 

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