Nach Wahlschlappe

Seehofer ist neuer bayerischer Ministerpräsident

Ausland
27.10.2008 17:52
Vier Wochen nach dem CSU-Debakel bei der Landtagswahl ist der neue Parteivorsitzende Horst Seehofer am Montag zum bayerischen Ministerpräsidenten gewählt worden. Seehofer erhielt im Münchner Landtag 104 von 182 gültigen Stimmen - vier weniger als die 108 Stimmen, über die die neue schwarz-gelbe Koalition verfügt. Der 59-Jährige nahm die Wahl sofort an und legte den Amtseid ab.

Die frisch gebackenen Koalitionspartner von CSU und FDP setzten damit den formalen Schlusspunkt unter heftige politische Turbulenzen und den CSU-internen Machtkampf, dem das erst vor einem Jahr angetretene Tandem mit Ministerpräsident Günther Beckstein und Parteichef Erwin Huber zum Opfer gefallen war. Am Donnerstag wird nach mehr als vier Jahrzehnten absoluter CSU-Mehrheit die neue schwarz-gelbe Staatsregierung vereidigt. Die FDP übernimmt das Wirtschafts- und das Wissenschaftsministerium, die CSU behält den Rest.

"Höhepunkt meiner politischen Laufbahn"
Mit der Wahl Seehofers hat Bayern nun erstmals einen Ministerpräsidenten, der nicht dem Landtag angehört. Bis zum CSU-Wahlfiasko galt der 59 Jahre alte Ingolstädter auch nicht als möglicher Ministerpräsident. Die Opposition bezweifelte deswegen Seehofers Legitimation. Der siegreiche Seehofer sprach nach der Abstimmung im Maximilianeum vom "Höhepunkt meiner politischen Laufbahn".

71 Abgeordnete votierten mit Nein, sieben enthielten sich, zwei Stimmzettel waren ungültig. Drei der 187 Landtagsabgeordneten fehlten bei der Abstimmung. Offen blieb, ob die vier Stimmen der Koalitionsmehrheit, die Seehofer fehlten, von der CSU kamen. Die FDP hatte vorher garantiert, dass alle 16 Liberalen für Seehofer stimmen würden.

"Ringen um richtige Lösung" im Vordergrund
Seehofer sicherte der Opposition fairen Umgang zu. "Für die Menschen kommen die besten Entscheidungen zustande, wenn es dieses Wechselspiel von Parlament und Regierung gibt", sagte Seehofer unmittelbar nach seiner Vereidigung. Im Vordergrund müsse das "Ringen um die richtige Lösung" stehen.

Als erste Aufgabe muss Seehofer nun das neue Kabinett berufen, seinen Nachfolger als Bundeslandwirtschaftsminister aussuchen und einen neuen CSU-Generalsekretär ernennen. Seehofer will sämtliche Entscheidungen erst am Donnerstag in einer Paketlösung bekannt geben. "Die Kunst wird auch darin bestehen, dass das bis Donnerstag bei mir bleibt", scherzte er.

FDP: "Bayern wird künftig etwas liberaler sein"
Kurz vor der Abstimmung hatten CSU und FDP noch offiziell ihr Regierungsbündnis besiegelt. Seehofer, die FDP-Landesvorsitzende Sabine Leutheusser-Schnarrenberger sowie die Landtags-Fraktionschefs Georg Schmid (CSU) und Martin Zeil (FDP) unterzeichneten den Koalitionsvertrag. Leutheusser-Schnarrenberger sprach von einem "neuen Aufbruch für eine neue Ära". "Bayern wird künftig etwas liberaler sein", sagte sie. Die Umsetzung der Koalitionsvereinbarung werde "wesentlich mehr Arbeit und Einsatz erfordern als das Niederschreiben", meinte Seehofer. Der künftige FDP-Wirtschaftsminister Martin Zeil betonte, das Bündnis sei als "Modell für die Regierung im Bund nach der Bundestagswahl 2009" gedacht.

Die Landtagsopposition kritisierte die Machtkämpfe in der CSU scharf und hielt den Christsozialen Doppelmoral vor. Seehofer habe bei der Landtagswahl am 28. September gar nicht zur Wahl gestanden, sagte SPD-Landtagsfraktionschef Franz Maget. Seehofers Wahl sei "legal, aber nicht hinreichend legitimiert". Maget erinnerte die Christsozialen daran, dass Seehofer CSU-intern noch vor einem Jahr als "Spieler" und "Heckenschütze" abqualifiziert worden war.

Kritik von der Opposition
Grünen-Fraktionschef Sepp Daxenberger nannte Seehofer ein "Wetterfähnchen", das seine Meinungen wechsle wie Unterwäsche. Die CSU-Landtagsfraktion sei Seehofer noch vor kurzem feindselig gegenüber gestanden. "Früher habt ihr die Knoblauchzehen aus dem Maximilianeum gehängt, wenn Horst Seehofer auch nur in der Nähe war", sagte Daxenberger. Auch Freie Wähler-Fraktionschef Hubert Aiwanger attackierte die CSU: "Immer wenn der Ministerpräsident nicht so funktioniert hat, wie er sollte, ist er durch die Dachluke entsorgt worden." Seehofer, der kein Landtagsmandat hat, saß bei der Debatte auf der Zuschauertribüne, umrahmt von seiner Frau Karin zu seiner Linken und dem früheren Landtagspräsidenten Alois Glück zur Rechten.

Am Wochenende hatte die CSU Seehofer auf einem Sonderparteitag in München mit einem Ergebnis von 90,3 Prozent zu ihrem neuen Vorsitzenden gewählt. Am Montagmorgen gab Seehofer in Berlin noch sein bisheriges Amt als Bundeslandwirtschaftsminister zurück. Bundespräsident Horst Köhler überreichte die Entlassungsurkunde im Schloss Bellevue. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nahm an der Zeremonie teil.

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