Referendum

Irland: Gegner des EU-Reformvertrags in Führung

Ausland
07.06.2008 10:38
Knapp eine Woche vor dem einzigen Referendum über den EU-Reformvertrag sind in Irland die Gegner einer Umfrage zufolge in Führung gegangen. Derzeit würden 35 Prozent mit "Nein" und nur 30 Prozent mit "Ja" stimmen. Demnach haben die Gegner im Vergleich zu einer früheren Umfrage 17 Prozentpunkte zugelegt, während die Befürworter fünf Punkte einbüßten.

35 Prozent der Befragten bezeichneten sich der Umfrage zufolge als noch unentschlossen. Die Volksabstimmung findet am kommenden Donnerstag (12. Juni) statt.

Während in allen anderen EU-Staaten die Parlamente oder Regierungen den Reformvertrag annehmen können, ist Irland das einzige EU-Land, in dem per Referendum entschieden wird. Der Reform-Vertrag soll Anfang 2009 in Kraft treten. Dafür ist jedoch die Zustimmung aller 27 EU-Länder Voraussetzung. Wenn ihn nur eines zurückweist, ist er hinfällig.

Was der EU-Reformvertrag beinhaltet
Der sogenannte EU-Reformvertrag (Vertrag von Lissabon), über den in Irland abgestimmt wird, übernimmt die wesentlichen Punkte der bei Volksabstimmungen in Frankreich und den Niederlanden gescheiterten EU-Verfassung und soll die Handlungsfähigkeit der auf 27 Mitglieder erweiterten Union sichern. Daher werden die Veto-Möglichkeiten der einzelnen Mitgliedsländer zurückgedrängt: Ab 2009 sollen Mehrheitsentscheidungen auch auf die gemeinsame Innen- und Justizpolitik ausgeweitet werden.

Änderung bei Mehrheitsbeschlüssen
Geändert wird auch die Stimmgewichtung für Mehrheitsbeschlüsse im EU-Rat (Ministerräte), bei der die Einwohnerzahl der Mitgliedsländer exakt berücksichtigt wird. Abgestimmt wird nach dem System der "doppelten Mehrheit". Damit müssen Mehrheitsbeschlüsse von 55 Prozent der EU-Staaten getragen werden, die mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren. Um eine Blockade durch die drei großen Staaten Deutschland, Frankreich und Großbritannien zu verhindern, kommt ein Veto jedoch nur zustande, wenn es zumindest von vier EU-Staaten getragen wird.

EU-Kommission wird verkleinert
Die EU-Kommission, in dem bisher jeder Staat einen Vertreter hatte, wird verkleinert. Ab 2014 werden nur noch zwei Drittel der EU-Staaten Kommissare in Brüssel stellen. Das EU-Parlament wird aufgewertet und ein auf zweieinhalb Jahre gewählter Ratspräsident geschaffen. Er soll u.a. die EU-Gipfel der Staats- und Regierungschefs leiten. Bisher wechseln sich die EU-Staats- und Regierungschefs alle sechs Monate auf dem Posten des Ratspräsidenten ab. Den halbjährlich wechselnde Ratsvorsitz der einzelnen Mitgliedsländer wird es aber weiterhin geben.

EU-Volksbegehren kommt
Eingeführt wird auch ein EU-Volksbegehren. Eine Million Unionsbürger können mit ihrer Unterschrift ein EU-Gesetzgebungsverfahren einleiten. Mehr Einflussmöglichkeiten bekommen auch die nationalen Parlamente. Ein Drittel der Volksvertretungen kann von der EU-Kommission vorgelegte Initiativen beeinspruchen, wenn damit in nationalstaatliche Zuständigkeiten eingegriffen wird.

EU-Grundrechtecharta rechtsverbindlich
Die EU-Grundrechtecharta wird mit Ausnahme Großbritanniens und Polens rechtsverbindlich. Sie ergänzt die Europäische Menschenrechtskonvention und garantiert unter anderem das Recht auf Leben, den Datenschutz sowie Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit.

Doppelgleisigkeiten werden beendet
Der "hohe Vertreter" der EU für die Außen- und Sicherheitspolitik soll ab 2009 die bisherigen Doppelgleisigkeiten zwischen dem EU-Außenbeauftragten (derzeit Javier Solana) und dem EU-Außenkommissar (derzeit Benita Ferrero-Waldner) beenden. Der Name "EU-Außenminster" wurde auf Druck Großbritanniens fallen gelassen. Außerdem bringt der Reformvertrag eine Solidaritätsklausel, mit der sich die EU-Staaten im Fall von Terrorangriffen und Katastrophen gegenseitigen Beistand versichern.

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