Praterstern-Prozess

Opfer: “Dachte, ich muss hier und jetzt sterben!”

Österreich
07.12.2016 06:10

"Ich fühle mich wie Sondermüll. Ich habe Ticks entwickelt, schlage mich auf den Kopf. Ich sehe meine Augen. Sind es meine? Das rechte zuckt!" Im voll besetzten Wiener Gerichtssaal ist es entsetzlich still, als die Anwältin diesen Brief vorliest. Den Brief eines Opfers. Der jungen Frau, die am Praterstern vergewaltigt worden war. Der Prozess wurde auf Jänner vertagt.

Der Praterstern, U-Bahn-Station, Bahnhof. Viel Polizei, auch in der Nacht. Auch in der des 22. April. Als zwei junge Frauen Richtung Ausgang Lassallestraße unterwegs waren. Die eine ging zum Bankomaten, die andere auf die Toilette. Eine hübsche Frau. Gebildet, klug, Studentin aus der Türkei, die ein Erasmus-Semester in Wien verbringen wollte.

Opfer-Brief vorgelesen
Heute, schreibt sie, ist sie zerbrochen. An dem, was ihr auf der Toilette am Praterstern widerfuhr. Der Vergewaltigung durch drei afghanische Jugendliche. Burschen, die bewusst ein Mädchen abgepasst haben, um es zu vergewaltigen. Die die verschlossene Klotür mit einer Münze aufgesperrt haben. "Warum geht sowas?", schreibt die junge Frau in ihrem Brief.

Man hielt ihr den Mund zu. Als sie sich verzweifelt wehrte, schlugen sie ihren Kopf gegen die Klomuschel. Wieder und wieder. Einer der drei, der "konnte" nicht. Also nahm er seine Finger, die übersät waren von einer Hautkrankheit. Man fand Spuren davon an ihr, in ihr. Wie Sperma auch. Die Freundin suchte sie. Fand sie. Geschändet, verletzt. Die Burschen flüchteten - und wurden sofort gestellt, dank Polizei und Videoüberwachung.

"Wut und Hass machen sich in mir breit"
Jetzt, bei ihrem Prozess, halten sie die Köpfe tief gesenkt. Sie sinken noch viel tiefer, als der Brief der jungen Frau in ihre Sprache übersetzt wird. Als auch der Dolmetscherin die Stimme zu versagen droht, wenn sie vorliest. Von den Schuldgefühlen (!) des Opfers, mit denen es in der Türkei alleingelassen wird. Nicht einmal ihren Eltern kann sie sich anvertrauen, weil Vergewaltigung ein Tabuthema ist: "Wut und Hass machen sich in mir breit, ich habe 1000 Gedanken und gleichzeitig keine. Manchmal spüre ich gar nicht, dass ich noch lebe. Dort, in Wien, habe ich gedacht, ich muss jetzt sterben."

Reden über diese Tat wollen die drei kaum. Nur, dass sie betrunken gewesen seien. "Was würden Sie tun, wenn das jemand ihrer Schwester angetan hätte", fragt der Richter einen der Angeklagten. "Ich würde ihn umbringen", antwortet er. Jetzt sprechen die drei von einem "Verneigungsakt" gegenüber dem Opfer und darüber, dass sie seit jener Nacht jede weitere darüber nachdenken, was sie getan haben. Und nicht schlafen können. Wie ihr Opfer auch.

Prozess überraschend vertagt
Die Verhandlung wurde dann überraschend vertagt. Grund: Die psychiatrische Sachverständige, die die 21-Jährige im Auftrag der Justiz untersucht und eine posttraumatische Belastungsstörung festgestellt hatte, hatte auf das gerichtliche Ersuchen um ein Ergänzungsgutachten bis zum heutigen Tag nicht reagiert.

Die Gerichtspsychiaterin hätte Auskunft über die Schmerzperioden der psychisch sehr stark mitgenommenen jungen Frau geben sollen, da sich daraus die Höhe eines allfälligen Privatbeteiligten-Zuspruchs errechnen lässt. Die Sachverständige war nicht erreichbar.

Die Verhandlung wird daher am 31. Jänner fortgesetzt. Die Angeklagten bleiben bis dahin in U-Haft.

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