Vor Türkei-Deal

Hahn appelliert: “Müssen Europa sturmfest machen”

Ausland
12.03.2016 10:41

EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn hat am Samstag deutliche Worte an die Türkei gerichtet. Vor Abschluss des umstrittenen EU-Flüchtlingspakts müsse Ankara alle Bedingungen erfüllen - "man kann nicht mit uns eine türkische Variante von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie verhandeln, sondern nur eine europäische", so Hahn. Die EU wiederum solle die Sicherung ihrer Außengrenzen vorantreiben: "Wir müssen uns sturmfest machen", sagte der Kommissar im Ö1-"Morgenjournal".

Der geplante Deal zwischen der EU und Ankara sieht vor, dass die Türkei ab einem bestimmten Zeitpunkt alle neuen Flüchtlinge aus Griechenland zurücknimmt. Die sogenannten Wirtschaftsflüchtlinge unter ihnen will sie dann weiter in ihre Herkunftsländer abschieben. Für jeden Syrer, den die Türkei aus Griechenland zurücknimmt, soll die EU einen der 2,7 Millionen Syrer aufnehmen, die schon in der Türkei leben. Als Gegenleistung fordert die Türkei eine Visa-Liberalisierung, die Eröffnung neuer Kapitel in den EU-Beitrittsverhandlungen und sechs Milliarden Euro. Eine Entscheidung soll es beim Gipfel kommende Woche geben.

"Sowohl was die Visa-Liberalisierung als auch die Beitrittsverhandlungen angeht, geht das keinesfalls auf Kosten der Substanz", so Hahn. Eine Visa-Liberalisierung mache aber auch "aus europäischer Warte" Sinn, schließlich würde ein solcher Schritt auch ein Rückübernahmeabkommen zwischen allen 28 EU-Mitgliedsstaaten und der Türkei beinhalten. An eine zuletzt von der Türkei geforderte Umsetzung bis 1. Mai glaubt Hahn nicht, selbst bis Juni sei dieser Plan "sehr ambitioniert". Eine allfällige Einigung ziehe einen "Rattenschwanz" von Aktionen mit sich, "aber an uns soll es nicht scheitern", so der Kommissar.

Von einem "Preis", den Europa bei dem Deal mit der Türkei zahle, will Hahn nicht sprechen. Die Flüchtlingskrise habe den Annäherungsprozess lediglich beschleunigt, was aber nicht bedeute, dass Ankara den Anforderungen der EU nicht nachzukommen bräuchte. Dabei betonte der Erweiterungskommissar auch, dass die Beitrittsgespräche unter der Prämisse eines "offenen Ausganges" stattfinden. Eine Entscheidung soll es demnach erst nach Abschluss jener Kapitel, die sich mit Rechtsstaatlichkeit auseinandersetzen, geben.

EU verwaltet Geld selbst, Türkei wird "keinen Cent sehen"
Dass die Türkei stets kritisiert, sie habe von den vereinbarten drei Milliarden Euro noch "keinen Cent gesehen", sieht Hahn nicht ein. "Das werden sie auch nicht, weil die drei Milliarden direkt von der EU verwaltet werden", so der Kommissar. Auch die jüngste Kritik Mazedoniens, die EU habe das Beitrittsland im Stich gelassen, könne Hahn nicht mehr hören: "Die haben ja Geld bekommen und kriegen es, wenn es einen Bedarf gibt." Theoretisch könne auch der EU-Syrien-Fonds auf die Westbalkanländer ausgeweitet werden, aber die Länder müssten einen nachvollziehbaren Bedarf nachweisen.

Zentral ist für Hahn eine gemeinsame Sicherung der EU-Außengrenzen. "Mit einer funktionierenden Außengrenze wären wir niemals in diese Lage gekommen", so Hahn. Er forderte ein einheitliches Modell für ganz Europa. Die seit einer Woche in der Ägäis laufende NATO-Mission, bei der unter anderem griechische und türkische Schiffe das Grenzmanagement übernommen haben, sei aber beispielsweise im Mittelmeer nicht möglich.

Adria- statt Balkanroute?
"Wir brauchen etwas, das schnell verfügbar und an allen EU-Außengrenzen einsetzbar ist", so Hahn, der nach der Schließung der Westbalkanroute eine Verlagerung der Flüchtlingsstroms über die Adria nach Italien nicht ausschließt. Der gemeinsame Grenzschutz soll bis Jahresende umgesetzt werden. "Wir brauchen kein Europa, das sich wie eine Festung präsentiert", aber "wir müssen uns sturmfest machen".

Video: Griechisches Flüchtlingslager versinkt im Schlamm

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