Bomben auf Residenz

Gadafi entgeht NATO-Luftangriff, Sohn getötet

Ausland
01.05.2011 08:45
Libyens Machthaber Muammar al-Gadafi hat in der Nacht auf Sonntag nur knapp einen Luftangriff der NATO überlebt. Sein jüngster Sohn Saif al-Arab und drei Enkelkinder des Diktators sollen beim Bombardement der Residenz des "Revolutionsführers" dagegen ums Leben gekommen sein. Der libysche Regierungssprecher Mussa Ibrahim verurteilte den "gezielten Angriff" als Verletzung des Völkerrechts. Die NATO weist diesen Vorwurf zurück.

Das libysche Fernsehen zeigte Bilder von dem Haus, das bei dem Angriff völlig zerstört wurde. Gadafi und seine Frau hätten sich im Gebäude aufgehalten, seien aber unverletzt geblieben, berichtete Ibrahim. Er verurteilte den Luftangriff scharf. "Jetzt gilt offenbar das Faustrecht. Es ist nun allen klar, dass das, was in Libyen derzeit passiert, nichts mit dem Schutz von Zivilisten zu tun hat." Augenzeugen berichteten von drei schweren Explosionen im Stadtteil Bab al-Aziziya, in dem sich Gadafis Residenz befindet. Über der Stadt wurden NATO-Flugzeuge gesehen. Nach den Explosionen war Flugabwehrfeuer zu hören.

Seit Wochen bombardiert die NATO militärische Ziele in Libyen. Grundlage dafür ist eine UNO-Resolution, die den Einsatz von militärischer Gewalt zum Schutz von Zivilisten in dem Bürgerkriegsland erlaubt. Die NATO-Angriffe werden als Unterstützung für die gegen Gadafi kämpfenden Rebellen gesehen, die den Osten des Landes kontrollieren.

NATO: "Kein gezielter Angriff"
Ein NATO-Sprecher bestätigte den Luftangriff, doch habe dieser nicht Gadafi, sondern einem "Kommandozentrum" im Tripoliser Stadtteil Bab al-Aziziya gegolten. "Die Luftschläge richten sich auf militärische Ziele, nicht auf Individuen", sagte ein Sprecher der Militärallianz am Sonntag früh. Die libyschen Angaben über die Tötung von Mitgliedern der Gadafi-Familie bezeichnete das Verteidigungsbündnis als "unbestätigte Medienberichte". Man bedauere aber jedes Opfer.

In der Rebellenhochburg Bengasi löste die Todesnachricht des Gadafi-Sohnes in der Nacht auf Sonntag spontane Freudenfeiern auf den Straßen aus. Der Tod von Saif al-Arab bedeute, dass sein Vater nun schwächer sei als zuvor, hieß es. Das Staatsfernsehen zeigte dagegen Gadafi-Anhänger in Tripolis, die gegen den Angriff protestierten.

Gadafi-Sohn lebte mehrere Jahre in München
Saif al-Arab ist nicht zu verwechseln mit Gadafis zweitältestem Sohn und möglichem Nachfolger, dem Wahl-Wiener und einstigem Jörg-Haider-Freund Saif al-Islam. Über den 29-Jährigen Saif al-Arab ist wenig bekannt. Der sechste Sohn Gadafis hielt sich zwischen 2006 und Februar 2011 in München auf, wo er einen Sprachkurs und ein Studium absolvierte. Er soll sich auch als Baumaschinenhändler verdingt haben. Der Polizei fiel der Gadafi-Sprößling wegen seines besonders lauten Ferraris und Schlägereien in Nobel-Diskotheken auf. Die deutsche Justiz ermittelte gegen ihn auch wegen des Verdachts, im Jahr 2008 in einem Diplomatenauto Waffen transportiert zu haben.

Saif al-Arab ist wahrscheinlich bereits der zweite Sohn des libyschen Machthabers, der seit Ausbruch des Aufstandes gegen das Regime getötet wurde. Nach Angaben von Aufständischen war sein Bruder Khamies bereits Mitte März ums Leben gekommen, als ein Pilot der libyschen Luftwaffe seinem Kampfjet absichtlich über dem Tripoliser Stadteil Bab al-Aziziya zum Absturz brachte. Von der Regierung in Tripolis wurden die Berichte jedoch bestritten.

Gadafi lehnt Gang ins Asyl kategorisch ab
Der Angriff ereignete sich einen Tag nachdem Gadafi in einer Fernsehansprache einen Machtverzicht kategorisch ausgeschlossen hatte (Bericht in der Infobox). Er werde sein Land nicht verlassen und "bis zum Tod kämpfen", sagte der seit 1969 autokratisch herrschende Oberst. Er sei aber zu Verhandlungen mit Frankreich und den USA bereit. "Wenn sie das Öl wollen, werden wir Verträge mit ihren Firmen abschließen, es ist nicht nötig, Krieg zu führen." Während Gadafis Ansprache schlug eine NATO-Bombe nahe des Fernsehgebäudes in Tripolis ein.

Weiter erbitterte Kämpfe um Misrata
Die Kämpfe zwischen Regierungstruppen und Rebellen konzentrierten sich indes weiter auf die Hafenstadt Misrata. Die Gadafi-Truppen setzten am Samstag ihre Angriffe auf den Flughafen der von 300.000 Menschen bewohnten Stadt fort. In der seit sieben Wochen von Regierungstruppen belagerten Stadt funktionierte am Wochenende das Handynetz wieder, und die französische Hilfsorganisation "Ärzte ohne Grenzen" kündigte die Lieferung von 20 Tonnen Medikamenten an. Die NATO hinderte Gaddafi-Einheiten nach eigenen Angaben daran, im Hafen Wasserminen zur Zerstörung von Schiffen zu installieren.

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