Völlig überfüllt

Traiskirchen steht vor Aufnahmestopp

Österreich
29.07.2015 21:34
Die Bundesbetreuungsstelle Traiskirchen steht vor einem Aufnahmestopp. Ab kommender Woche dürften in die vollkommen überfüllte Einrichtung in Niederösterreich keine neuen Asylwerber mehr aufgenommen werden. Angesichts der unhaltbaren Zustände mit Hunderten Obdachlosen auf dem Gelände wird das Innenressort aller Voraussicht nach neue Notquartiere schaffen. Aus den Bundesländern wird unterdessen der Ruf immer lauter, die Zahl der Flüchtlinge insgesamt zu begrenzen.

Offiziell haben die Länder noch bis Ende des Monats, also bis Samstag, Zeit, genügend Ressourcen zu schaffen, um eine Entlastung Traiskirchens zu ermöglichen. Immerhin beherbergt die Aufnahmestelle, die für rund 1.800 Personen ausgelegt ist, mittlerweile etwa 4.500 Flüchtlinge. Doch es gilt als höchst unwahrscheinlich, dass bereits in den kommenden Tagen genug Unterkünfte seitens der Länder angeboten werden, um zu einer echten Entspannung der Lage beizutragen.

Mikl-Leitner fordert bis Ende Juli "tragfähige Konzepte"
Druck kommt derweil von Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll, der eine gesundheitspolitische Untersuchung in Traiskirchen angeordnet hat. Es gebe demnach die latente Gefahr von Epidemien und Seuchen. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner wiederum kündigte an, Traiskirchen als Anlaufstelle zu stoppen, "wenn die Bundesländer bis zum 31. Juli keine tragfähigen Konzepte auf den Tisch legen".

Da auch die bereits in Betrieb befindlichen Verteilerquartiere in den Ländern voll sind, müssen wohl seitens des Bundes neue Ressourcen geschaffen werden. Aus dem Innenministerium hieß es, dass man an der Bereitstellung von notdürftigen Quartieren arbeite. Auf Details will man sich vorerst nicht einlassen. Als möglich gilt beispielsweise, dass wie beim umstrittenen Quartier in Spital am Semmering im Vorjahr jetzt wieder größere, allenfalls leer stehende Hotels angemietet werden, um dort größere Flüchtlingsgruppen unterbringen zu können. Auch weitere Zeltstädte sind nicht auszuschließen.

Situation für UNHCR "gefährlich und menschenunwürdig"
Mit dem sich anbahnenden Aufnahmestopp in Traiskirchen würde das Innenministerium einem Appell des UN-Flüchtlingshochkommissariats UNHCR entsprechen. Die Situation sei "untragbar, gefährlich und menschenunwürdig", sagte Christoph Pinter, der Leiter von UNHCR Österreich, anlässlich eines Besuchs in Traiskirchen. Es brauche äußerst rasch kurzfristige Übergangslösungen, um die Obdachlosigkeit zu beenden.

Das UNHCR geht davon aus, dass aufgrund der weltweiten Krisen die Zahl der Asylsuchenden global und auch in Europa auf hohem Niveau bleiben wird. "Wir schlagen vor, eine Taskforce zu gründen, um eine mittel- und langfristige Strategie im Asylbereich zu erarbeiten", so Pinter. Vordringlich erscheine dabei auch eine Erhöhung der Tagsätze für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, um adäquate Betreuungsplätze für sie zu finden.

Amnesty International will prüfen
Auch Amnesty International hat sich mittlerweile in die Debatte eingeschaltet. Die Menschenrechtsorganisation will die Flüchtlingssituation in Traiskirchen und generell österreichweit prüfen. Amnesty Österreich wurde von der "Zentrale" beauftragt, eine international autorisierte Untersuchungsmission durchzuführen, bestätigte Generalsekretär Heinz Patzelt. Stimmt das Innenministerium zu, wird ein Team aus Menschenrechtsexperten, Ärzten, Dolmetschern und Dokumentaristen erheben, wie die Flüchtlinge in Österreich untergebracht sind.

Eine solche Prüfung ist für mitteleuropäische Länder eher ungewöhnlich - "man kann sagen, dass demokratisch und rechtsstaatlich gefestigte Länder so etwas im Schnitt nur alle zehn Jahre erleben", sagte Patzelt. Offenbar seien internationale Beobachter angesichts der Bilder aus Traiskirchen besorgt, dass in Österreich "Massenobdachlosigkeit" unter Asylwerbern herrscht. Als einen Schwerpunkt der Prüfung nennt Patzelt die Situation unbegleiteter Minderjähriger.

Ruf aus Bundesländern nach absoluter Obergrenze wird lauter
Aus den Bundesländern wird unterdessen der Ruf immer lauter, die Zahl der Flüchtlinge, die nach Österreich dürfen, insgesamt zu begrenzen. Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl forderte ebenso Obergrenzen wie sein Salzburger Kollege Wilfried Haslauer. Haslauer will einen Punkt definiert haben, an dem es genug ist mit Hilfesuchenden in Österreich, schrieben die "Salzburger Nachrichten" am Mittwoch. Die Bevölkerung frage sich: "Wie viele noch?", und das müsse die Regierung rasch beantworten. "Erstens: Wie viele Flüchtlinge nimmt Österreich insgesamt auf? Zweitens: Was ist mit dem Konzept von befristetem Asyl? Und drittens: Was ist der Plan auf europäischer Ebene?", so Haslauer.

Kärntens ÖVP-Landesparteiobmann Christian Benger bezeichnete Österreich als "Sozialschlaraffenland" und meinte: "Wir brauchen eine klare Obergrenze, denn alles werden wir einfach nicht verkraften können." Daher brauche es ein Konzept für zeitlich befristetes Asyl. Auch in Wien findet es der neue Asyl-Koordinator Peter Hacker "nicht superschlau, dass die Regierung Flüchtlinge aus Bürgerkriegsgebieten sofort in den vollen Asylstatus setzt".

Rotes Kreuz fordert weiteren Asyl-Gipfel
Bei einem Asyl-Gipfel im Juni lautete die vage Zusage der Bundesländer, Plätze für 6.500 Flüchtlinge zu schaffen. "Statt der zugesagten 6.500 Plätze für Neuankommende stehen tatsächlich nur rund 3.500 zur Verfügung", kritisiert Werner Kerschbaum, Generalsekretär des Roten Kreuzes. Kerschbaum drängt nun auf einen weiteren Asyl-Gipfel. Nur weil der vergangene gescheitert sei, könne man nicht den Kopf in den Sand stecken.

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